Mittwoch, 23. Juli 2014

Armutszeugnis

Eine schwangere Frau schlängelt sich durch die parkenden Autos des Parkplatzes bis zu Lilli durch und fragt sie, ob sie etwas Kleingeld hätte. "Wofür?", fragt Lilli verblüfft - im Moment hat sie Urlaub, ist in Gedanken mit Zimmerstreichen beschäftigt und hat andere Zonen ihres Gehirns temporär auf Eis gelegt. "Für Essen und Bus fahren", sagt die Frau mit wenig Überzeugung. Lilli starrt auf ihren Sieben-Monats-Bauch, der in ihrer Welt absolut nicht mit Betteln zusammenpassen will. Bauch und Betteln, das darf nicht sein. Zotteliger Bart und Betteln, das kennt man, stinkige Jeansjacken und Betteln, schlechte Zähne und zittriger Arm und Betteln, das sind so Bilder, an die sich Lilli in Montréal gewöhnt hat. Eine schwangere Bettlerin ist ihr bisher noch nicht begegnet. "Nein, ich hab nur Karten dabei", sagt Lilli mit genauso wenig Überzeugung. Sie ärgert sich über sich, über die Frau, über den Typen mit Schlägermütze, der 50 Meter weiter auf dem Gehweg steht und zu der Frau zu gehören scheint. Und über die Zeit, in der sie lebt und in der eine schwangere Frau so arm ist, dass sie betteln muss, um sich und ihr Kind ernähren zu können. Oder lügt.

Über Lilli

Laufen ist denken, manchmal auch überlegen, immer aber sich erneuern. Eine neue Sicht auf die Dinge erlangen, die uns bewegen. Laufen ist manchmal auch davonlaufen, für eine Weile wenigstens, bevor man wieder heimkommt zu Mann und Kindern, Wäsche und Kochtopf, zu den eigenen Macken und all den bunten Schnipseln, die ein Leben so ausmachen. Laufen ist das beste Beobachten, das es gibt.

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Zuletzt aktualisiert: 23. Mai, 03:27

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