Montag, 22. September 2014

In Chemie war Lilli noch nie gut

Die "Zeit der Gemeinsamkeit" wird immer weniger. Lange war es so, dass Lilli, Monsieur und die Strolche sonntags was gemeinsam unternahmen. Unter der Woche hat ja jeder so seine Aktivitäten und Hausaufgaben noch dazu, samstags haben die Freunde Vorrang, aber sonntags! Sonntags sollte keiner Verabredungen treffen, damit alle zusammen einen Fahrradausflug oder Schwimmbadbesuch machen konnten. Wenn Lilli Gluck hatte, ging es in ein Museum, wenn sie Pech hatte, musste die Schwiegerfamilie besucht oder die Hecke geschnitten werden, aber immerhin machten sie was zusammen. Der kleine Strolch nannte das die "Atomfamilie" (la famille atomique) und verfehlte damit nur knapp den korrekten Ausdruck "Kernfamilie" (la famille nucléaire). Seit einiger Zeit aber klappt das nicht mehr. Die Strolche haben Hausaufgaben und ansonsten generell keine Lust, was mit den Eltern zu unternehmen, und auch Monsieur schiebt Arbeit vor, um diese dann mit dem Laptop auf den Knien vor dem Fernseher und seinem unendlichen Sportangebot zu erledigen. Gestern war Lilli mit dem kleinen Strolch Schuhe kaufen, und als sie hinterher vorschlug, noch im Park spazieren zu gehen, meinte er, dass ja schon das Schuhekaufen als gemeinsame Aktivität zählte und er sich somit seiner sonntäglichen Pflichten entledigt hätte. Am Sonntag zuvor war Lilli mit den Strolchen in der Ausstellung über Höhlenmalerei und fühlte sich geradezu verpflichtet, sich bei den Strolchen für ihre Begleitung zu bedanken. Wenn ihre Eltern sie DAMALS in so eine Ausstellung mitgenommen hätten...

Das langsame Aussterben der gemeinsamen Zeit festzustellen ist eine Sache, eine ganz andere ist es, damit umzugehen. Lilli fragt sich: verlangt sie zuviel von ihren pubertierenden Söhnen? Ist sie ihnen ein Klotz am Bein, erdrückt sie sie mit ihren Forderungen nach mehr Familienzeit? Oder darf sie es noch, weil es zwar ganz normal ist, dass Jugendliche ihre Familie lästig finden, es ihnen aber trotzdem guttut, zwanglose Freizeit mit Mama und Papa zu verbringen? Denn um freie Zeit geht es hier ja, um ein paar entspannte Momente, die man zusammen verbringt und die anders sind als die Begegnungen unter der Woche, bei denen unterschwellig Spannungen bestehen, die durch unaufgeräumte Zimmer, Trödeln oder schlechte Tischmanieren hervorgerufen werden. Kurzum: soll Lilli weiter Vorschläge machen oder sich schleunigst nach anderen Freunden umsehen und ihre Kinder in Ruhe lassen? Was aber wird dann aus der Atomfamilie? Ein Molekül mit freien Radikalen?

Über Lilli

Laufen ist denken, manchmal auch überlegen, immer aber sich erneuern. Eine neue Sicht auf die Dinge erlangen, die uns bewegen. Laufen ist manchmal auch davonlaufen, für eine Weile wenigstens, bevor man wieder heimkommt zu Mann und Kindern, Wäsche und Kochtopf, zu den eigenen Macken und all den bunten Schnipseln, die ein Leben so ausmachen. Laufen ist das beste Beobachten, das es gibt.

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Zuletzt aktualisiert: 23. Mai, 03:27

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