Montag, 27. Oktober 2014

Pause

Lillis Zeichenlehrer heisst übrigens Clément, der Milde. Am Samstag sprach er über Aktmodelle und wie schwer sie es doch haben. Was ihm dabei überhaupt nicht auffiel: dass die Wörter "Pose, Körperstellung" und "Pause" im Französischen Homophone sind: "pose" und "pause" hören sich genau gleich an. Er sagt also ungefähr dies: "So ein Aktmodell kann nur etwa 20 Minuten lange eine pose halten, dann geht sie in die pose. Wenn sie aus der pose zurückkommt, geht sie in ihre pose zurück, aber oft ist diese pose dann doch anders als die pose vor der pose." Lilli gluckst, der Milde guckt verstört.

Mittwoch, 22. Oktober 2014

Kein Diktat mehr

Neulich hat Lilli ihren Dienstleister angerufen und gemeint, sie würde ihrer Meinung nach zu viel für Fernsehen, Internet und Telefon zahlen und würde gerne wissen, ob man ihr nicht ein besseres Angebot machen könnte. Die Konkurrenz hätte da niedrigere Preise, vielleicht wäre ja ein Entgegenkommen möglich. Jetzt hat Lilli mehr und schnelleres Internet, Fernsehen in HD und ein paar neue Programme - für 300 $ weniger im Jahr. Wow, Fernsehen in HD, das ist schön, vor allem ist auch das Bild so gross wie der Bildschirm ohne die lästigen Streifen oben und unten. Die eigentliche Revolution aber besteht darin, dass sie jetzt auch einen Rekorder hat, den man super einfach programmieren kann und der im Laufe der letzten Wochen ein hübsches Programm an Sendungen und Filmen zusammengestellt hat, das nun jederzeit abrufbar ist. Angucken, was man will, wann man will, ohne dabei die lästigen, doofen, sich stets wiederholenden Werbespots oder langweilige Passagen von Talkshows über sich ergehen lassen zu müssen, herrlich. Eine wahre Befreiung, Zeitersparnis inbegriffen.

Dienstag, 21. Oktober 2014

Gegessen

Kulinarisch gesehen kann Lilli nicht viel über Neufundland berichten. In den 24 Stunden, die sie vor Ort zubrachte, hat sie nur gefrühstückt und anschliessend lange damit zugebracht, dieses wieder zu verdauen, da ihr Magen von der Nacht zuvor noch angeschlagen war. Abends dann nötigte Monsieur sie, von seinen frittierten Kabeljauzungen zu probieren, worauf ihr gleich wieder ganz schwummrig wurde. Am Morgen vor dem Rückflug bestellte sie sich bei Tim Horton's am Flughafen einen getoasteten Bagel. "Was wollen Sie drauf haben - Butter, Frischkäse, Erdnussbutter, Knoblauchbutter, Orangenmarmelade, Erdbeere?", fragte die Lady am Tresen. "Erdbeere", sagte Lilli und bekam den Bagel doch tatsächlich mit Erdbeerfrischkäse anstatt mit Erdbeermarmelade. Das ist zwar essbar, erinnert aber visuell stark an Spachtelmasse, bevor sie ganz trocken ist. (Anmerkung von Lilli: hier stand ein Vergleich zu Hähnchenschlegeln, der im Nachhinein doch sehr ungeschickt wirkte und deshalb gestrichen wurde)

Und, ja, die Kabeljauzungen waren tatsächlich die Zungen von Kabeljaus, so gross wie menschliche Zungen, paniert und frittiert und einfach grässlich. "It's an acquired taste", hatte die Bedienung auf Monsieurs Frage danach, ob so etwas denn gut schmecke, diplomatisch erklärt, was in etwa mit "gewöhnungsbedürftig" übersetzt werden kann. Somit konnte man ihr hinterher nicht vorwerfen, etwa nicht ehrlich gewesen zu sein.

Sonntag, 19. Oktober 2014

Eine Hockeykarriere

Die Altersklassen beim Eishockey haben seltsame Namen: Atome, Pee-Wee, Bantam und schlieslich Midget. Von klein auf umfassen diese Altersklassen immer zwei Jahrgänge, bis die Spieler 15 sind und mit 16- und 17jährigen in der Midget-Stufe spielen. Genau dort ist der grosse Strolch in dieser Saison angekommen und stellt fest:
1. Ab Midget duscht man nach dem Training. Warum? Weil man hinterher noch irgendwo hin geht, zur Freundin, ins Kino, zu Starbucks...
2. Ab Midget gehen kaum mehr Eltern mit als Zuschauer. Warum? Wer 16 ist, kann oft schon selbst Auto fahren.
3. Ab Midget gibt es oft mehr Strafminuten, als das Spiel dauert. Die Hormone...
3. Ab Midget näht man seinen Familiennamen nicht mehr aufs Trikot. Ist uncool. Zum Glück erkennt Lilli den grossen Strolch auch ohne Namen, so typisch ist sein Stil. "Und eine Nummer hat er auch", sagt Monsieur. Ja, das hilft.

Samstag, 18. Oktober 2014

Lilli auf dem Frachter

Der Frachter also. Er fuhr von Montréal nach St. John's und brauchte dafür 3 Nächte und zwei Tage. Das Schöne daran war die Ruhe. Wie so ein grosses Schiff ruhig und gleichmässig über das Wasser gleitet, nicht allzu eilig - vielleicht 15 Knoten, sonst braucht man zuviel Brennstoff - und kein anderer Laut zu hören ist: kein Verkehr, keine Heckenschneider, keine Müllabfuhr, noch nicht mal ein Vogel. Auf der Brücke, auf der sich meist nur zwei Offiziere gleichzeitig aufhielten, nur Geflüster und ab und zu das Plätschern der Kaffeemaschine. Majestätisch auch, denn so ein Frachter ist ein Riese. Er hat vielleicht 250 Container geladen, dazu über 100 nagelneue Autos mit steckenden Schlüsseln (sehr verführerisch, aber es hat ja überall Kameras), Laster, dazu rollenweise Maschendrahtzaun, Gipsplatten und überhaut alles, was Neufundländer so brauchen und auf ihrer Insel nicht finden können.

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Mit der Ruhe kommt auch die Gelassenheit, vor allem für die Passagiere, aber auch die Besatzung scheint nicht vor Stress aus dem Helm zu kippen. Das heisst nicht, dass sie nicht hart arbeiten, oh nein! Aber ohne diese Hetze und das Gefühl, nicht alles schaffen zu können, was von einem verlangt wird, und das diesen Knoten im Bauch schafft. Das kommt vielleicht auch daher, dass alles auf dem Schiff so schön aufgeräumt ist. Hier liegt nichts rum, hier sind die Karten numeriert in einer Schublade unter dem Tisch mit der kleinen Lampe, hier haben die Fahnen ihre Fächer und die Werkzeuge ihren Haken. Hier kann man sich auf das Wesentliche konzentrieren - entgegenkommende Schiffe, Eisberge, aufziehende Stürme, vorbeiziehende Bojen. Nichts anderes trübt das Gesichtsfeld und bald auch nicht mehr den Sinn.

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Riesig ist so ein Schiff, um es noch einmal zu sagen, und so sieht es seltsamerweise von hinten aus:

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In Geographie war Lilli noch nie gut, aber jetzt weiss sie, wo Anticosti liegt und die Magdaleneninseln - und da der Frachter genau mitten durch gefahren ist, hat sie weder die eine noch die andere gesehen. Dafür hat sie Frankreich erblickt, oder besser Saint-Pierre-et-Miquelon, das doch tatsächlich an die 6000 Franzosen beherbergt.

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Die Ankunft in St. John's wäre noch spektakulärer gewesen, hätte die Sonne sich schon blicken lassen. So war es aber 4 Uhr 30 nach der Schiffsuhr (6 Uhr in St. John's) und relativ dunkel. Trotzdem war auf der Brücke viel los, da es geradezu spektakulär war, mit anzusehen, wie der Kapitän das Schiff erst durch die schmale Einfahrt der Bucht lenkt (die nicht umsonst "The Narrows" heisst), dann im Hafenbecken eine Drehung um 180 Grad beschreibt und anschliessend rückwärtsfahrend an der Kaimauer anlegt, ohne auch nur ein einziges Mal bremsen zu müssen. Als das Schiff endlich stillsteht, sind noch genau 5 Fuss zwischen dem Heck des Schiffes und der Kaimauer. Lilli ist beeindruckt, wenn ihr auch schlecht ist wie nach der Achterbahn, was nicht am Manöver des Kapitäns liegt, sondern an dem strammen Nordwind, der sie die letzten fünf Stunden vor der Ankunft in St. John's durchgeschüttelt hat.

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Als die Sonne endlich aufgeht, wird Lilli mit dieser Farbenpracht belohnt. Es war eine herrliche Reise...

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Dienstag, 14. Oktober 2014

Ein nicht ganz alltäglicher Spaziergang

Lilli hätte nicht gedacht, mal hoch über der Bucht von St. John's in Neufundland spazierenzugehen. Und diese karge Landschaft auch noch richtig schön zu finden. Ganz abgesehen natürlich von den lustigen bunten Häusern, die dem Wind trotzen und wahrscheinlich so bunt sind, damit die Leute dort im November nicht ganz den Mut verlieren.

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Donnerstag, 9. Oktober 2014

Lilli auf der Baustelle

Lilli ist jetzt stolze Besitzerin von Sicherheitsstiefeln. Eigentlich liebäugelt sie ja schon seit ein paar Wochen mit kurzen schwarzen Hosenstiefeln, aber dringender brauchte sie dieses Paar braune, klobige, mit Stahlkappe ausgestatteten Baustellenstiefel. Sowas ist nämlich Vorschrift, um auf einem Frachtschiff herumspazieren zu dürfen, und genau das hat sie am Wochenende vor. Helm und Sicherheitsbrille werden zum Gluck gestellt. Ein grosses Lob an die Internetseite des Ausstatters, der seine Stiefelmodelle mit Bild und Preis anbietet und einem sogar in Echtzeit sagt, ob die gewünschte Grösse im Laden erhältlich ist.

Mittwoch, 8. Oktober 2014

Nur so am Rande

Was ergänzt Google, wenn man "doppelt so" in die Suchmaske eingibt? "Doppelt so kalt wie 0 Grad." Wer googelt sowas, und warum? Und wie kalt ist das nun eigentlich?

Wie im Drehbuch

Es ist interessant, mal aus dem gewohnten Lebensrhythmus auszubrechen und festzustellen, dass es andere Leute anders machen. So stand Lilli gestern um 4 Uhr 30 auf, ging um 5 Uhr 30 zum Bus und fand diesen tatsächlich schon gut besetzt mit stillen Leuten, die ihre Vespertasche umklammernd zur Metrostation fuhren, um sich dort mit anderen stillen Leuten von der Metro verschlucken und später wieder in der Innenstadt ausspucken zu lassen. Dass es Leute gibt, die jeden Tag so früh aufstehen! Andererseits sind die natürlich um halb drei nachmittags fertig, wenn Lilli gerade ihr Verdauungstief hat und in der Schreibtischschublade nach einer alten Toblerone kramt. Und gehen ins Bett, wenn Lilli gerade die Spülmaschine einräumt und sich danach zu den Nachrichten aufs Sofa plumpsen lässt. In ihrem normalen Leben begegnet Lilli diesen Leuten somit niemals - als ob sie in verschiedenen Zeitblasen lebten, die einander nicht berühren, obwohl sie geografisch am gleichen Ort hängen. Bis auf diesen einen Tag, an dem Lilli eine besondere Mission erhielt... Fast kommt sie sich vor wie in einem Science-Fiction-Film.

Doppelt ist nur halb so gut

Lilli hat ein ungutes, schleichendes Gefühl. Neulich hat es sich eingestellt, als sie sich - wahrscheinlich aufgrund der etwas verfilzten Ohren, aber das ist ja nichts Neues im Land der Mittelohrentzündungen - selbst wie aus der Ferne zuhörte: "Der sagt immer alles doppelt, das ist nervig. Wir sind doch hier nicht bei den Teletubbies!", regte sich Lilli über einen allzu wortreichen Fernsehmoderator auf. "Hör dem mal zu! Der muss immer alles zweimal sagen, als würden wir ihn auf Anhieb nicht verstehen." Genau in diesem Moment schlich sich das unangenehme Gefühl an, so im Hinterherhorchen der eigenen Worte und im Echo des Gesagten. Denn Lilli hatte ja auch zweimal das Gleiche gesagt, oder nicht? Seither spioniert sie hinter sich her, hört sich beim Erzählen zu und ahnt das, was nicht sein darf: sie ist eine ganz, ganz miese Erzählerin, die dick auftragen, wiederholen und mehrfach umschreiben zu müssen glaubt, weil sonst die Pointe nicht richtig rüberkommt. Und sie damit wahrscheinlich massakriert, anstatt sie elfengleich leichtfüssig im Gesprächsraum tanzen zu lassen. Keiner hatte sie bisher darauf aufmerksam gemacht. Keine einzige Menschenseele hat sich bisher darüber beschwert, aber insgeheim seufzen sie bestimmt alle und ringen nach Geduld, wenn Lilli mal wieder einen ihrer Kommentare zweifach zum Besten gibt. Inzwischen hat Lilli Erzählparanoia und bricht Anekdoten und Kommentare vorzeitig ab, um ja nicht als labernder Zwangswiederholer zu gelten. Nicht wie dieser Fernsehmoderator! Lustiger oder treffender hören sich ihre Pointen deshalb aber nicht an, eher stockend oder mit falschem Timing auf dem Bauch landend wie ein rhethorischer Pinguin, der unelegant über die eigenen Füsse fällt, wenn der Boden nicht ganz eben ist. Eben!

Über Lilli

Laufen ist denken, manchmal auch überlegen, immer aber sich erneuern. Eine neue Sicht auf die Dinge erlangen, die uns bewegen. Laufen ist manchmal auch davonlaufen, für eine Weile wenigstens, bevor man wieder heimkommt zu Mann und Kindern, Wäsche und Kochtopf, zu den eigenen Macken und all den bunten Schnipseln, die ein Leben so ausmachen. Laufen ist das beste Beobachten, das es gibt.

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Zuletzt aktualisiert: 23. Mai, 03:27

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