Donnerstag, 2. Juni 2016

Lilli wird zum Chauvi

Monsieur bekommt Dachfenster. Schliesslich hat er sein Büro direkt darunter und in dem relativ grossen Raum nur ein Fenster, das man nicht öffnen kann. Im Sommer also grosse Hitze ohne Möglichkeit des Durchzuges, im Winter grosse Dunkelheit, die depressiv macht.

Lilli weiss, dass es in Deutschland in mindestens jedem zweiten Haus Dachfenster hat. Trotzdem - einfach in das sprichwörtliche "Dach überm Kopf" ein Loch reinschneiden? Und hoffen, dass die das wieder so gut isolieren, dass es nicht reinregnet? Das schaffen doch nur deutsche Handwerker...

Mittwoch, 1. Juni 2016

Weniger ist Meer

Die Urlaubsplanung mit Monsieur ist schwierig. Er will nicht so sehr lange wegfahren, für Lilli dagegen fängt es erst an, Urlaub zu heissen, wenn es mindestens zwei Wochen sind. Bei ihm fängt es an zu kribbeln, wenn die Abwesenheit vom Schreibtisch länger als eine Woche dauert. Da macht die Entspannung einer gewissen Unruhe Platz, die zunehmend grösser wird, je länger die Trennung von der Arbeitsstelle hinausgezögert wird. Der Durchschnittskanadier hat auch nur wenig Urlaub, zwei Wochen nach dem ersten Arbeitsjahr und wenn er Glück hat, eine zusätzliche Woche nach fünf Jahren. Lilli hat Glück und diesen Sommer drei Wochen Urlaub. Das ist schon mal das erste Problem.

Das zweite besteht aus der Autofahrt. Die kann Monsieur lange aushalten, wenn es sein muss. "Fahren wir doch auf die Magdaleneninseln, da wollte ich schon immer mal hin", sagt er so, als es um Urlaubsziele geht. 1200 km Fahrt von Montréal nach Souris auf der Prinz-Edward-Insel, danach mit dem Schiff 5 Stunden lang übersetzen auf die winzige Inselgruppe der Magdalenen, die zugegeben mit ihren Stränden und Klippen wildromantisch aussieht. Diese 12 Stunden würde Monsieur in einem Rutsch durchfahren, vielleicht ab und an mal zum Pinkeln halten, aus anderen Gründen nicht. Bei dem Gedanken an 12 Stunden Autofahrt am Stück will Lilli sterben und schlägt deshalb vor, die Strecke zu stückeln, vielleicht zweimal unterwegs zu übernachten und dabei die Schönheit von New-Brunswick erkunden, wenn man schon mal in der Gegend ist. Was wiederum die Dauer des Urlaubs in die Länge ziehen würde - siehe Problem eins.

Deshalb hat Lilli heute einen Flug gebucht, wodurch sich die im Transportmittel gesessene Zeit von 12 auf zweieinhalb reduziert. Die 5 Stunden Überfahrt auf dem Schiff kommen trotzdem noch dazu, aber, hey, auf einem Schiff, das ist schliesslich kein Vergleich.

Herrlich. Aber teuer. Aber kurz. Also hat doch Monsieur gewonnen, so man denn die eheliche Urlaubsplanung als einen Kampf ansehen will. Vielleicht sollte sich Lilli mit dem Gedanken anfreunden, nach dem Urlaub mit Monsieur noch allein in einen Zweiturlaub zu starten. Damit sie ihre drei Wochen voll auskosten kann und sich im Vergleich zu all den Deutschen nicht gar zu jämmerlich vorkommt.

Samstag, 30. April 2016

Kloss im Hals

Die Malbücher stehen gleich neben dem Eingang des Geschäfts für Künstlerbedarf, zusammen mit Filz- und Buntstiften aus Deutschland. Die Motive zum Ausmalen reichen von türkischen Fliesen über Zirkusmotive bis hin zu japanischen Landschaften, auch Astérix- und Star Wars-Freunde finden hier etwas nach ihrem Geschmack. Ausmalen ist ja ganz modern, das ist Arttherapie und hilft, sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren, ist deshalb gut gegen Stress und meditativ. Allerdings sind die meisten Motive so detailliert, dass sie nach geschickten Händen verlangen, die die Feinmotorik so gut drauf haben, dass nicht über die Linien hinausgemalt wird. Früher hatte Lilli Malbücher geliebt, obwohl sie nur selten welche haben durfte - ihre Eltern fanden Anmalen nicht kreativ genug.

Lilli wählt schliesslich das einzige Motiv, das grossflächiger und weniger detailreich ist - Wiesenblumen aus aller Welt. Vielleicht wird ihr dementer Vater daran Freude haben. Früher hat er mit ihr gemalt, nächste Woche, wenn sie nach Deutschland fliegt, wird sie mit ihm malen.

Donnerstag, 7. April 2016

Ein funkelndes Projekt

Seit Monaten hat Lilli so ein Hobby: sie sucht Diamanten. Monsieur ist ein paar Geschenke hinterher und will ihr immer Schmuck schenken, Lilli aber fand jahrelang den kanadischen Schmuck eher einfallslos. Im Herbst aber hatte sie eine Idee: "Schenk mir einen kanadischen Diamanten." Gerne so gross, dass man ihn auf eine gewisse Entfernung mit blossem Auge erkennen kann, und konfliktfrei abgebaut, also rein wie die Liebe, und ausserdem kanadisch wie Monsieur - symbolhafter geht es ja wohl nicht mehr.

Jetzt trifft es sich zudem, dass Lilli eine frühere Kollegin hat, die mit Perlen und Edelsteinen handelt und ihr einen zertifiziert kanadischen Diamant beschaffen kann - "sag mir nur, wie gross, welcher Schliff und welche Farbe". Der Haken dabei: wenn die Frau einen Anhänger machen soll, braucht sie eine Vorlage, und seither sucht Lilli im Internet nach interessanten "Solitaires", ohne fündig zu werden. So was für die moderne Frau, das über eine Krappenfassung oder eine schlichte runde Fassung hinausgeht und Power und Individualtät ausdrückt - es scheint es nicht zu geben. Lilli sucht auf englisch, französisch und deutsch, aber sämtliche Schmuckhändler bieten nur die ewig gleichen, langweiligen Modelle, "weil doch der Stein zur Geltung kommen soll".

Interessante, coole, wirklich ausgefallene und nicht kitschige Ringe gibt es zuhauf, aber keine Anhänger. Eine wahre Marktlücke, die nur darauf wartet, erschlossen zu werden. Ob Lilli wohl das Zeug hat, in den Diamantenmarkt einzusteigen? Sie ahnte ja schon immer, dass Piratenblut in ihren Adern fliesst.

Samstag, 2. April 2016

Lichtblick

Schöne Momente sind es, wenn sich der kleine Strolch mit Lilli zum Fernsehen aufs Sofa setzt. Bisher hatten sie immer Serien gefunden, die beiden zusagen: Breaking Bad, Sherlock Holmes, Downton Abbey. Ja, die Schnittmenge der Fernsehvorlieben zwischen einer 46jährigen Frau und einem 15jährigen Strolch enthält tatsächlich mehrere Titel, aber jetzt nach dem Ende von Downton Abbey hatte Lilli Angst, nichts Neues mehr zu finden.

Und obwohl der kleine Strolch sie manchmal belehrt, dass er irgendwann mal nicht mehr mit ihr fernsehen würde und sie sich schon mal seelisch darauf einstellen kann, weil das nun mal der Lauf der Welt ist (er hat ja so recht), sucht sie nach einer neuen Fernsehdroge, die sie miteinander verbinden und ihnen Stoff zu Diskussionen liefern wird.

Die vierte Staffel von Orphan Black geht am 14. April in Kanada los. Lilli ist - für die nächsten 10 Wochen oder so - gerettet.

Mittwoch, 30. März 2016

Warum man ins Theater geht

"Warten auf Godot" ist ein grässliches Stück, Es passiert ja nichts, Godot kommt nicht, jedenfalls nicht heute, morgen vielleicht, und zum Schluss ist die Aussicht, sich zu erhängen, der einzige Lichtblick für den nächsten Tag.

Noch dazu werden Theaterstücke ja abends gespielt. Im Dunkeln. Nach dem Abendessen. Kein Wunder, dass einem da die Augen zufallen, wenn auf der Bühne nicht der Bär los ist.

Trotzdem waren die Schauspieler klasse, wenn auch, wie gesagt, in einem grässlichen Stück.

Das Stück war so deprimierend, dass der kleine Strolch anschliessend bei einer Tasse Kaffee eine halbe Stunde lang darüber geredet hat, wie er sich mal die Zukunft vorstellt. Dass er mal für eine Leistung weltweit anerkannt werden will, etwas langfristiges hinterlassen will so wie Steve Jobs oder Gaudi. Nicht nur ein guter Angestellter sein oder Anwalt oder Arzt, sondern selbst für Menschen, die ihn nicht kennen, ein Begriff sein.

Wäre das Stück nicht so sinnlos gewesen, wäre diese Unterhaltung womöglich nicht zustande gekommen. Wie war es also im Theater? Klasse.

Dienstag, 29. März 2016

Weltum-spannend

Gestern gelernt: kommt Besuch, der die Landessprache nicht beherrscht, wird die Unterhaltung am Abendbrottisch mühsam. Entdeckt man dann, dass man die gleichen Spiele kennt - zum Beispiel Carcassonne oder Enigma, die ganz ohne Wörter auskommen - kann trotzdem noch ein lustiger Abend daraus werden.

Donnerstag, 24. März 2016

Das Wetter heute

Zuerst kalt, dann Schnee, der sich in Hagel verwandelt, der sich in Eisregen verwandelt, der sich in Schneeregen verwandelt, der sich in Nebel verwandelt.

Am besten wachen wir alle erst übermorgen wieder auf.

Über Lilli

Laufen ist denken, manchmal auch überlegen, immer aber sich erneuern. Eine neue Sicht auf die Dinge erlangen, die uns bewegen. Laufen ist manchmal auch davonlaufen, für eine Weile wenigstens, bevor man wieder heimkommt zu Mann und Kindern, Wäsche und Kochtopf, zu den eigenen Macken und all den bunten Schnipseln, die ein Leben so ausmachen. Laufen ist das beste Beobachten, das es gibt.

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