Wie man einen Zeichenkurs massakriert
Am Wochenende waren Lilli und Monsieur zum ersten Mal im Zeichenkurs. Der Lehrer schaut hauptsächlich auf den Boden, lächelt nicht und macht generell den Eindruck, dass er lieber woanders wäre als hier in diesem Altersheim mit diesem Anfängerkurs. Ja, die Kunstschule mietet zwei Räume in einem Altersheim, was im Prinzip eine gute Idee ist, da sowohl das Altersheim sich dadurch eine neue Kundschaft erschliesst, die im Eingangsbereich sitzenden Insassen was zum Gucken haben und die Kurse in einem garantiert ruhigen Ambiente vonstatten gehen. "Dies ist ein Bleistift", sagt der Lehrer gelangweilt und hält einen Bleistift hoch, damit alle Schüler ihn gut sehen können. "Dies ist ein Rötelstift. Rötel macht man aus Schweineblut", sagt er. "Das ist Kohle, aber damit werden Sie nicht zeichnen wollen. Kohle ist ein unangenehmes Medium, es schmutzt sehr", sagt er. Lilli und Monsieur sehen sich ungläubig an. Lilli hatte sich eher einen mitreissenden Lehrer vorgestellt, der den Schülern so richtig Lust macht, jetzt sofort mächtig kreativ zu werden. Stattdessen kramt er lange in den Schränken herum, bevor er ihnen eine Bumenvase mit einer Stofftulpe auf den Tisch stellt, die alle jetzt zeichnen sollen. "Stillleben bestehen hauptsächlich aus Obst und Geschirr", sagt er, "deshalb ist es wichtig, Ellipsen zeichnen zu können." Als er zu Lilli kommt, schüttelt er angesichts ihrer Bemühungen traurig den Kopf. "Die Blume ist nicht ganz falsch, aber die Vase...". Er nimmt den Radiergummi und rubbelt auf ihrem Blatt herum. "So ist es nicht mehr ganz so schlimm", sagt er. Lilli findet ihr Bild nicht ganz so schlecht für den Anfang. Den Lehrer aber, den findet sie ganz schlimm.
Lilli legt los - 1. Okt, 10:13
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