Lilli segelt

Letzte Woche war Lilli segeln. Als erstes hat sie Bescheidenheit gelernt: segeln kann man nur, wenn der Wind weht. Kein Wind, kein Vorankommen, so sehr man sich das auch wünscht. Segler sind also von den Elementen abhängig und müssen ihre Pläne über den Haufen werfen können oder, besser gesagt, sie den äusseren Umständen anpassen können. Für einen Büromenschen eine neue und verunsichernde Situation. Die Theorie war relativ einfach: die Lehrerin zeichnete einen Pfeil auf die Tafel - das war der Wind - und kleine Boote, die mal so und mal in einem anderen Winkel zum Pfeil standen. Dazu winzige Segel, die mal mehr und mal weniger offen waren. Auf dem Wasser fehlte Lilli dann der Pfeil am Himmel, was das Feststellen der Windrichtung erheblich erschwerte.

Weiter hat sie erkannt:
- Sie hat keinerlei Kraft in den Armen oder den Fingern, jedenfalls viel weniger als die Lehrerin, die vom Alter her ihre Mutter hätte sein können. Fahrradfahren ist halt doch nur für die Beine gut!
- Beim Kentern wird man nass und das Boot auch. Ausserdem schwimmt alles weg, was nicht festgebunden war, und zwar mit erstaunlicher Geschwindigkeit.
- Der kleine Strolch ist so gross wie ein Mann. Er hat es geschafft, das gekenterte Boot alleine wieder umzudrehen, indem er sich auf das Schwert stellte und kräftig am Bootsrand zog. Ein schöner Anblick, wenn auch Lilli in dem Moment sehr mit Husten und Wassertreten beschäftigt war.
- Richtiger Urlaub fängt dann an, wenn man keine Uhr mehr trägt. Seit der Geburt des grossen Strolches vor 16 Jahren trennt sich Lilli von ihrer Uhr nur beim Duschen, Schwimmen oder Spülen. Ohne Uhr fühlt sich Lilli nackt und unbeholfen, ist es doch beruhigend, jederzeit nachsehen zu können, ob es nun viertel vor drei oder doch schon zehn nach drei ist. Anfangs hörte sie das Ticken noch im Schlaf, dann aber half es ihr beim Träumen. Beim Segeln aber musste die Uhr an Land bleiben und hinterher beschloss Lilli kurzerhand, sie für die Dauer des Urlaubs im Rucksack zu lassen. Ein Gefühl des Treibens stellte sich ein, Mahlzeiten wurden nach hinten verschoben oder einfach übersprungen und ins Bett ging sie dann, wenn sie müde war. Was für ein Gegensatz zu ihrem sonst so geregelten Tagesablauf! Was für eine Erholung!

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Über Lilli

Laufen ist denken, manchmal auch überlegen, immer aber sich erneuern. Eine neue Sicht auf die Dinge erlangen, die uns bewegen. Laufen ist manchmal auch davonlaufen, für eine Weile wenigstens, bevor man wieder heimkommt zu Mann und Kindern, Wäsche und Kochtopf, zu den eigenen Macken und all den bunten Schnipseln, die ein Leben so ausmachen. Laufen ist das beste Beobachten, das es gibt.

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Zuletzt aktualisiert: 23. Mai, 03:27

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