Mitmenschen

Donnerstag, 2. Juni 2016

Lilli wird zum Chauvi

Monsieur bekommt Dachfenster. Schliesslich hat er sein Büro direkt darunter und in dem relativ grossen Raum nur ein Fenster, das man nicht öffnen kann. Im Sommer also grosse Hitze ohne Möglichkeit des Durchzuges, im Winter grosse Dunkelheit, die depressiv macht.

Lilli weiss, dass es in Deutschland in mindestens jedem zweiten Haus Dachfenster hat. Trotzdem - einfach in das sprichwörtliche "Dach überm Kopf" ein Loch reinschneiden? Und hoffen, dass die das wieder so gut isolieren, dass es nicht reinregnet? Das schaffen doch nur deutsche Handwerker...

Samstag, 30. April 2016

Kloss im Hals

Die Malbücher stehen gleich neben dem Eingang des Geschäfts für Künstlerbedarf, zusammen mit Filz- und Buntstiften aus Deutschland. Die Motive zum Ausmalen reichen von türkischen Fliesen über Zirkusmotive bis hin zu japanischen Landschaften, auch Astérix- und Star Wars-Freunde finden hier etwas nach ihrem Geschmack. Ausmalen ist ja ganz modern, das ist Arttherapie und hilft, sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren, ist deshalb gut gegen Stress und meditativ. Allerdings sind die meisten Motive so detailliert, dass sie nach geschickten Händen verlangen, die die Feinmotorik so gut drauf haben, dass nicht über die Linien hinausgemalt wird. Früher hatte Lilli Malbücher geliebt, obwohl sie nur selten welche haben durfte - ihre Eltern fanden Anmalen nicht kreativ genug.

Lilli wählt schliesslich das einzige Motiv, das grossflächiger und weniger detailreich ist - Wiesenblumen aus aller Welt. Vielleicht wird ihr dementer Vater daran Freude haben. Früher hat er mit ihr gemalt, nächste Woche, wenn sie nach Deutschland fliegt, wird sie mit ihm malen.

Dienstag, 29. März 2016

Weltum-spannend

Gestern gelernt: kommt Besuch, der die Landessprache nicht beherrscht, wird die Unterhaltung am Abendbrottisch mühsam. Entdeckt man dann, dass man die gleichen Spiele kennt - zum Beispiel Carcassonne oder Enigma, die ganz ohne Wörter auskommen - kann trotzdem noch ein lustiger Abend daraus werden.

Freitag, 18. März 2016

Ist das nicht faszinierend?

Der kanadische staatliche Radiosender bringt unglaublich gute Reportagen von Leuten mit unglaublich guter Aussprache. Neulich hörte Lilli gebannt einer Traumforscherin zu, die über den Wirklichkeitsgrad von Träumen sprach. Ein Kollege, der Traumtagebücher analysiert, hatte ihr erzählt, dass Leute von allem träumen, was man sich nur vorstellen kann - nur nicht davon, dass man das Licht ein-oder ausschaltet. Anscheinend kann das menschliche Gehirn plötzliche Unterschiede in den Lichtverhältnissen während des Träumens nicht darstellen. Seither, so die Forscherin, sucht sie in ihren Träumen nach Lichtschaltern, hat aber noch keinen gefunden.

Lilli hat heute nacht im Traum einen Lichtschalter gefunden. Sie hat sich an die Reportage erinnert und ihn mehrere Male nach unten und oben schnallen lassen.

Er hat nicht funktioniert.

For Dummies

Nach sechseinhalb Jahren mit einem Flipflop hat Lilli nun ein intelligentes Telefon. Sie gibt zu, keine Ahnung zu haben, wie so ein Android-Interface funktioniert. "Probieren Sie einfach alles aus, spielen Sie damit", ermutigt sie der Verkäufer. "Es gibt keine Autodestroy-Taste, es kann also eigentlich nichts schiefgehen."

Auch wenn Lilli weiss, dass dieser Satz wahrscheinlich aus dem Handbuch "Smartphones für Idioten", stammt - sie findet ihn unglaublich beruhigend.

Donnerstag, 18. Februar 2016

Kein Spass, nur Sport

Am Wochenende fährt Lilli mit der Hockeymannschaft des grossen Strolchs zu einem Turnier, diesmal sogar mit Übernachten. Beim Elternabend kommt sie aus dem Staunen nicht heraus: die Eltern sprechen sich geballt nicht nur gegen Alkohol aus, sondern sind darüber hinaus auch mit dem Moteleigentümer einverstanden (was heisst einverstanden, sie lieben ihn dafür), dass in jedem Zimmer ein Erwachsener schlafen muss, als Aufsichtsperson. Es sind also für 16 Jungs 14 Erwachsene dabei, zwei Jungs werden mit einem Freund und dessen Mutter oder Vater ein Zimmer teilen müssen.

Wie alt sind diese Kinder nochmal? 16/17. Mehrere haben schon den Führerschein.... aber, wie es hiess beim Elternabend, "wir fahren zum Turnier, um zu gewinnen, nicht um Spass zu haben."

Dienstag, 16. Februar 2016

Eltern?

Lilli hat eine neue Lieblingsbeschäftigung im Zug. Dort fährt nämlich öfters eine Kleinfamilie mit, die von ihrer negativen Dynamik her absolut faszinierend ist. Was sofort auffällt: der etwa zweijährigen Tochter, die den Schnuller nur zum Schreien aus dem Mund nimmt, werden viele Fragen gestellt. ALLES wird als Frage präsentiert, die Antwort jedoch wird ignoriert. Kein Wunder, das das Kind quengelt ohne Ende.

Mutter: Willst Du Dich zu mir auf den Schoss setzen?
Kind: Schüttelt den Kopf, will stehen bleiben.
Mutter: zieht das Kind auf den Schoss: Doch, Du kommst jetzt zu mir.
Kind: Brüllt.

Vater: Putzen wir Dir mal die Nase?
Kind: Schüttelt den Kopf, dreht sich weg.
Vater: dreht das Kind zu sich: Doch, jetzt komm mal her, ich putz Dir die Nase.
Kind: Brüllt.

Kind: will die Schmusedecke aus der mitgebrachten Plastiktüte.
Vater: Nein, die kriegst Du nicht. Die wird hier im Zug nur schmutzig.
Kind: will die Schmusedecke.
Vater: Na gut, aber pass auf, ja?
Kind: fasst die Schmusedecke an einem Eck an, der Rest fällt in den Schneematsch auf dem Boden des Zugabteils.
Vater: Ich hab Dir doch gesagt, dass das keine gute Idee ist! Nimmt dem Kind die Schmusedecke weg.
Kind: brüllt.

Alle drei tun Lilli leid.

Montag, 11. Januar 2016

No Pants Montreal

Gestern waren die Leute ohne Hosen in der Montréaler Metro unterwegs. Yep, die Hosen wurden ausgezogen (schliesslich ist es unter der Erde warm genug, wenn es drüber auch die Daunenjacke braucht). Wer ein paar Fotos sehen will, klickt hier. Nicht, dass Lilli das jetzt gnadenlos witzig findet. Aber manchmal muss man sich den Alltag ein wenig bunt anmalen, wenn er ansonsten eher farblos daherkommt.

Nach dem, was Lilli zur Zeit aus Köln und Hamburg hört, ist sie auch sehr froh, dass so eine Aktion ohne Übergriffe ausgehen kann.

Mittwoch, 23. Dezember 2015

Warum der Einzelhandel stirbt (2)

Lilli braucht ein Hemd für den kleinen Strolch. Und weil der "auf den Rahmen einer Katze aufgezogen" ist, wie ein Kollege von Monsieur immer sagte, hätte sie gern eines von den eng geschnittenen, extra langen Modellen, wie es sie bei Herrenhemden ja gibt (ganz im Gegensatz zu Damenblusen, aber das ist eine andere Geschichte). Im Fachgeschäft türmen sich die Hemden, zusammengelegt und mit 47 Stecknadeln zusammengehalten, in Fächern, die vom Boden bis zur Decke reichen.

- Ach, Entschuldigung, ich suche ein Hemd, Kragenweite soundso, eng und lang geschnitten.
- Ja, haben wir. Da müssen Sie nach dem Etikett suchen, auf dem "eng" und "lang" steht.
- Und wo finde ich diese Modelle?
- Ja, wie gesagt, da müssen Sie nach dem Etikett suchen. Wir haben die Hemden hier nach Preisen sortiert, nicht nach Modellen.

Und damit wird Lilli allein gelassen, denn das Personal ist damit beschäftigt, die anprobierten Hemden wieder fein säuberlich zusammenzulegen und zuzustecken. Wenn sie nur die Leute besser beraten würden, würden die Kunden auch nicht so viele Hemden auf gut Gluck anprobieren, oder? Dann müssten die Verkäufer weniger Hemden wieder zusammenlegen und hätten mehr Zeit, die Leute besser zu beraten, usw.

Mit leeren Händen verlässt Lilli das Geschäft. Ob es wohl Hemden auch auf Amazon gibt?

Warum der Einzelhandel stirbt (1)

Der kleine Strolch will einen Boom. Einen Bluetooth-Lautsprecher, wie seine Freunde auch einen haben, aber möglichst in grün und die erste Generation, die billiger ist. Im Laden haben sie nur blaue und schwarze Boom 2. Der schwarze würde dem kleinen Strolch eventuell auch gefallen, aber Lilli und Monsieur wüssten schon gern, ob es sich lohnt, für die 2. Version 100$ mehr zu zahlen. Es ist drei Tage vor Weihnachten und das Personal - lauter junge Männer in blitzblauen Polohemden - werden von Kunden umlagert, als teilten sie Manna aus. Endlich gelingt es Monsieur, einen im Vorbeigehen anzusprechen.

- Entschuldigung, können Sie uns zu diesem Produkt Auskunft geben?
- Ähhhh... (kurzes Zögern von Seiten des Jünglings)... das ist ein Lautsprecher?
- Ja, aber können Sie uns sagen, worin der Unterschied zwischen Boom 1 und 2 besteht?
- (Sehr sicher) Boom 2 ist die zweite Generation.
- Ach. Und worin besteht der Unterschied?
- Da müsste ich erst mal im Internet schauen...

Weniger wird man bei Amazon auch nicht beraten. Und die haben wenigstens alle Modelle in allen Farben.

Über Lilli

Laufen ist denken, manchmal auch überlegen, immer aber sich erneuern. Eine neue Sicht auf die Dinge erlangen, die uns bewegen. Laufen ist manchmal auch davonlaufen, für eine Weile wenigstens, bevor man wieder heimkommt zu Mann und Kindern, Wäsche und Kochtopf, zu den eigenen Macken und all den bunten Schnipseln, die ein Leben so ausmachen. Laufen ist das beste Beobachten, das es gibt.

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

Status

Online seit 5837 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 23. Mai, 03:27

Credits

Web Counter-Modul


Laufen
Lillis Positiv-Pakt
Mitmenschen
Reise in den Abgrund
Selbständig arbeiten
Strolche
Zeitmanagement
Zonstiges
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren
Blog Top Liste - by TopBlogs.de Blog Verzeichnis Bloggeramt.de