Fischige Angelegenheit
Lilli steht im Bürofachhandel an der Kasse hinter einem glatzköpfigen jungen Mann, der sie recht nett anlächelt. Vor ihm stapeln sich drei Schachteln Kugelschreiber und 10 Rollen Duct Tape, dieses silberfarbene, stark haftende, praktisch unzerstörbare Industrieklebeband, mit dem in nordamerikanischen Haushalten vom Rohrbruch bis zum kaputten Kühlschrank so ziemlich alles zusammengehalten wird – in Filmen knebeln sie ihre Geißeln damit. Lilli kann einfach nicht widerstehen, außerdem hat sie erst vor kurzem in einem Psychopopartikel gelesen, dass nur der richtig glücklich wird im Leben, der offen auf andere Menschen zugehen kann. „Was machen Sie nur mit so viel Duct Tape?“, platzt es deshalb ungeniert aus ihr heraus. „Ich bin Erzieher in einem Kindergarten und binde die Kleinen damit auf dem Stuhl fest“, erklärt der Glatzkopf da spontan mit einem kleinen Lächeln in den zusammengekniffenen Augen, als ob er nur darauf gewartet hätte, dass ihn jemand fragt… Die richtige Antwort, die er dann nachschiebt (er hat einen Fischladen und etikettiert damit die Kisten, die ins Gefrierregal kommen, denn alle anderen Etiketten brechen in der Kälte ab), ist dann doch relativ langweilig. Die Begegnung endet ganz unspektakulär damit, dass der Fischmann zahlt, seine Rollen unter den Arm klemmt und den Laden verlässt. Nur sein Lächeln liegt noch auf dem Kassenband - Lilli schnappt es sich und klatscht es sich ins Gesicht, wo es wie durch Zauberei bis abends hängen bleibt.
Lilli legt los - 21. Apr, 09:28