Seelen sind im Schwäbischen käuflich erhältlich und dem französischen Baguette, wenn auch mit grobem Salz und Kümmel bestreut, nicht unähnlich. Neulich ist Lilli über ein Rezept für Seelen (sprich: Säälen) gestolpert, das sie aus einem Anfall von Nostalgie heraus auch sofort ausprobieren musste. Nun, richtige Seelen sind es nicht geworden, was vielleicht daran lag, dass Lilli die Hälfte Weissmehl durch Vollkornmehl ersetzte, irgendwie sehr viel mehr Wasser brauchte als angegeben und Salz und Kümmel gleich weggelassen hat. Auch las sie hinterher auf Wikipedia, dass Seelen einen Anteil an Dinkelmehl brauchen, um die richtige Dichte zu bekommen... Aber es wurde ein mehr als essbares, schön knuspriges und innen feuchtes Stangenbrot, das tatsächlich aus nichts anderem als Mehl, Salz, Hefe und Wasser besteht.
Von jetzt an, verspricht sich Lilli, wird ihr Alltag seeliger werden. Ganz ohne chemische Zusätze...
Lilli legt los - 8. Apr, 05:00
Nach dem Wunsch nach Einkehr und Stille keimt der nach Oberflächlichkeit auf, als gälte es, hier bloss schnell wieder ein Gleichgewicht zu schaffen. Am besten geht dies mit Tyra Banks und ihren Topmodels, die Donnerstagabends über den Bildschirm flimmern. Sogar die Strolche sind noch auf und stimmen kräftig mit ab, wer denn nun die Hässlichste ist. Der Zufall will es, dass die Saison gerade erst los geht und die Mädels von 30 auf 20, dann auf 13 ausgesiebt werden müssen. Und obwohl sie alle auf den ersten Blick hübsch sind, manche auch geradezu umwerfend, spielt man schnell das Spiel mit, schüttelt die Wahre-Schönheit-kommt-von-innen-Skrupel ab und schlüpft in die Haut der Richter, die hier einen schlabbrigen Oberarm, dort ausdruckslose Augen oder zu kräftige Wangenknochen beanstanden. Eine junge Frau hat einen Zwischenraum zwischen den Schneidezähnen, der sofort auf heftigste Kritik stösst. "Ein Abstand wie ein Scheunentor", meint der grosse Strolch, während Monsieur gar von einem "Tagesmarsch" spricht.
Hinterher, beim Zähneputzen, nimmt Lilli die Brille ab, um nicht etwa in den Spiegel blicken zu müssen.
Lilli legt los - 7. Apr, 05:00
Rituale sind wichtig, sie geben Halt und Orientierung, und wenn die Kinder sie auch nach aussen hin langweilig finden, säen sie doch in angeschlagenen Seelen eine gewisse Wohltat, die womöglich allein daher rührt, dass Wiederholungen durch ihre Vorhersehbarkeit beruhigen. Anders ausgedrückt: es ist Zeit für die Osterwache. Lilli schleppt schon seit Jahren die zwei Strolche am Ostersamstagabend mit in die Benediktinerkirche, in der die Mönche alles aufbieten, was das Zeremoniell an Zeremoniellem zu bieten hat. Als nähmen sie an einer Fernsehsendung teil, für die alles "visuell" zu gestalten ist, ziehen die Mönche mit ihrer Kutte ein, bespritzen die versammelten Schafe ordentlich mit Weihwasser, beweihräuchern und zünden Kerzen an. Für die Ohren gibt es gregorianische Gesänge und hypnotisch anmutende Anrufungen aller Heiligen, eine langwierige Litanei, bei der dem kleinen Strolch letztes Jahr die Augen zugefallen sind. Für die evangelische Lilli ist diese Messe fremd und unter normalen Umständen weit von ihrem eigenen Glauben, eher nüchtern und schmucklos, wie sich das im Schwäbischen gehört, entfernt. Trotzdem findet sie in all diesem Zauber den Weg zu Einkehr und innerer Stille, der sich ihr im Alltag und das ganze Jahr über eher nicht offenbahrt.
Hinterher ist man froh, das Ganze ohne Asthmaattacke überstanden zu haben, und am nächsten Tag ist Ostern. Frühling, Neuanfang, Wärme, Draussensein, Barfusslaufen und Fahrradfahren, all das Schöne im Leben kommt wieder, wie es das jedes Jahr zu tun pflegt. Nur, dass man es in den dunklen Momenten des Winters fast vergessen hätte.
Lilli legt los - 6. Apr, 10:00