Mittwoch, 8. Januar 2014

Lillis fährt nach Deutschland

Lilli war zwei Wochen lang in Deutschland, was mindestens fünf Tage zu lang war. Es ist nicht einfach, als Erwachsene zurück zu seinen Eltern zu kommen und dort wieder Kind sein zu müssen, das zwar nicht kochen, aber Tischdecken darf und dem man lieber die Unterwäsche wäscht, als das Spezialprogramm der Waschmaschine zu erklären. So ein Zurückkommen ist immer eine Achterbahn der Gefühle, wobei Lilli noch nie gerne Achterbahn gefahren ist und Gefühle, mit viel Gutsle und Saitenwürstchen gemischt, dick machen. Es war warm in Deutschland und trübe, was das Autofahren leichter macht als in Montréal im Moment, das Spazierengehen aber erschwert. Lilli hat neue Wörter gelernt: schranktrocken, lendenlahm und - ganz oft gesehen - barrierefrei. Wobei nicht nur Schwimmbäder neuerdings barrierefrei sind, sondern auch Museumsbesuche, womit auch gemeint sein kann, dass es eine Führung für Hörgerätträger gibt oder eine in vereinfachtem Deutsch für Einwanderer. Es gibt aber auch ganz viele englische Ausdrücke, die Lilli sauer aufstossen, da in Montréal Englisch gesetzlich verboten wird, um die französische Sprache vor dem Aussterben zu bewahren. Sale, Fashion, Beauty, Fun - muss das alles auf Englisch gesagt werden? Anscheinend ja. Andererseits fällt Lilli auch Positives auf: wie durchdacht die Deutschen den ihnen zur Verfügung stehenden Raum nutzen, was manchmal seltsame Balkon- oder Parkplatzgrundrisse gibt, immer aber den Menschen zugute kommt. Wie qualitativ hochwertig die angebotenen Nahrungsmittel sind, Brot natürlich inklusive, ohne besonders teuer zu sein. Wie hübsch sich die Dörfer in die Landschaft schmiegen, ohne von Autobahnen durchschnitten zu werden. Wie viele Cafés es in einer Stadt geben kann, in denen es ausser Muffins auch noch Zwetschgenkuchen mit Streuseln gibt, und natürlich Sahne. Der absolute Hit: wie weich und dick das deutsche Klopapier ist! Ah, der Genuss.

Letztendlich aber war es beruhigend, sich auf sein Zuhause zu freuen und festzustellen, dass es tatsächlich das Zuhause ist, so fremd es auch vor zwanzig Jahren anmutete.

Über Lilli

Laufen ist denken, manchmal auch überlegen, immer aber sich erneuern. Eine neue Sicht auf die Dinge erlangen, die uns bewegen. Laufen ist manchmal auch davonlaufen, für eine Weile wenigstens, bevor man wieder heimkommt zu Mann und Kindern, Wäsche und Kochtopf, zu den eigenen Macken und all den bunten Schnipseln, die ein Leben so ausmachen. Laufen ist das beste Beobachten, das es gibt.

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Zuletzt aktualisiert: 23. Mai, 03:27

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