Freitag, 30. September 2016

Lilli im Krankenhaus

Heute morgen hat Lilli Monsieur ins Krankenhaus begleitet. Für einen ambulanten Eingriff, so sagt man auf deutsch wohl, auf französisch sagt man hier "chirurgie d'un jour" - denn egal, um welchen Eingriff es sich auch handelt: sagen wir mal, grauer Star oder Polypen in der Nase, es dauert immer den ganzen Tag, auch wenn der Eingriff an sich nur 15 Minuten in Anspruch nimmt. Monsieur war z.B. auf 10 Uhr bestellt, aber bevor er offiziell von einer Krankenschwester "aufgenommen" wurde, musste er schon einmal eine Stunde nur mit Hängerchen bekleidet im Wartezimmer warten. Die Operation an sich findet dann um 13 h 38 (???) statt, danach kommt das Aufwachen und Zusichkommen, danach kann Lilli ihn dann gegen 17 Uhr wieder abholen. Das Krankenhaus war, wie sich das für Kanada gehört, sauber-aber-ohne-Schnickschnack, um nicht zu sagen so minimal ausgestattet, dass ein Hürdenlaufen zwischen leeren und vollen Betten, Säcken mit Schmutzwäsche und Containern für gebrauchte Spritzen für Personal und Patienten zur Tagesordnung gehört. Aber "wenn man erst mal drin ist, läuft alles wie am Schnürchen", da sind die Leute freundlich und tüchtig, da kann man sich nicht beklagen.

Was Lilli allerdings seltsam anmutete, war die Ausdrucksweise der Krankenschwester:
"Haben wir Fieber?"
"Sind wir auch wirklich nüchtern?"
"Sind wir allergisch?"
Spätestens bei "Wieviel wiegen wir denn?" wäre Lilli am liebsten eingeschritten, um "Wie, beide gemeinsam?" zu fragen. Hört sich die Krankenschwester selbst gar nicht zu? Wie kindisch das klingt? Oder - schlimmer - wird ihnen das vielleicht so beigebracht, um den Patienten irgendwie zu trösten?

Dann, zu Lilli gewandt: "Ich brauche dann noch Deinen Namen, meine Hübsche".

Geht's noch, oder was? Was ist daran falsch, erwachsene Leute jeden Alters zu siezen? Lilli siezt doch auch den Automechaniker, das Mädel in der Eisdiele, den Busfahrer wie auch die Krankenschwester, den Arzt und den Pfarrer??? Gut, die Krankenschwester wird Monsieur demnächst auch ohne Hängerchen sehen, vielleicht nimmt sie sich deshalb schon mal einen kumpelhaften Ton raus - Lilli wäre aber aus genau diesem Grund das Gegenteil lieber. Und "meine Hübsche" (ma belle)? Wie in USA, wo jeder "honey" und "sweetie" sagt...

Es ist gut, gelegentlich Sphären des Alltags zu frequentieren, die einem normalerweise verschlossen bleiben. Man kann sich über ganz neue Sachen aufregen.

Über Lilli

Laufen ist denken, manchmal auch überlegen, immer aber sich erneuern. Eine neue Sicht auf die Dinge erlangen, die uns bewegen. Laufen ist manchmal auch davonlaufen, für eine Weile wenigstens, bevor man wieder heimkommt zu Mann und Kindern, Wäsche und Kochtopf, zu den eigenen Macken und all den bunten Schnipseln, die ein Leben so ausmachen. Laufen ist das beste Beobachten, das es gibt.

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Zuletzt aktualisiert: 23. Mai, 03:27

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