Fischige Angelegenheit

Lilli steht im Bürofachhandel an der Kasse hinter einem glatzköpfigen jungen Mann, der sie recht nett anlächelt. Vor ihm stapeln sich drei Schachteln Kugelschreiber und 10 Rollen Duct Tape, dieses silberfarbene, stark haftende, praktisch unzerstörbare Industrieklebeband, mit dem in nordamerikanischen Haushalten vom Rohrbruch bis zum kaputten Kühlschrank so ziemlich alles zusammengehalten wird – in Filmen knebeln sie ihre Geißeln damit. Lilli kann einfach nicht widerstehen, außerdem hat sie erst vor kurzem in einem Psychopopartikel gelesen, dass nur der richtig glücklich wird im Leben, der offen auf andere Menschen zugehen kann. „Was machen Sie nur mit so viel Duct Tape?“, platzt es deshalb ungeniert aus ihr heraus. „Ich bin Erzieher in einem Kindergarten und binde die Kleinen damit auf dem Stuhl fest“, erklärt der Glatzkopf da spontan mit einem kleinen Lächeln in den zusammengekniffenen Augen, als ob er nur darauf gewartet hätte, dass ihn jemand fragt… Die richtige Antwort, die er dann nachschiebt (er hat einen Fischladen und etikettiert damit die Kisten, die ins Gefrierregal kommen, denn alle anderen Etiketten brechen in der Kälte ab), ist dann doch relativ langweilig. Die Begegnung endet ganz unspektakulär damit, dass der Fischmann zahlt, seine Rollen unter den Arm klemmt und den Laden verlässt. Nur sein Lächeln liegt noch auf dem Kassenband - Lilli schnappt es sich und klatscht es sich ins Gesicht, wo es wie durch Zauberei bis abends hängen bleibt.
Kratzbürste - 21. Apr, 09:43

*g* Ich sollte vielleicht auch öfter mal kluge Zeitschriften lesen.

Lilli legt los - 21. Apr, 09:52

Aber nicht zu kluge!

Nur die halbwissenschaftlichen machen Spass...
Thomas (Gast) - 22. Apr, 01:18

Die Lilli ist nicht neugierig, sie will nur alles wissen.

Grins..ein schönes Wortbild, das Lächeln auf dem Kassenband.
Da nehm ich mir auch glatt noch was von und trage es mal in Hessen herum.
Der Lilli sei Dank dafür.
Thomas

yonosequepasara - 22. Apr, 03:14

Ich habe mich auch bedient, am Kassenband!
Dank auch schön!
Lilli legt los - 22. Apr, 13:18

Na, das ist ja mal ein ausgiebiges Lächeln! Hat sich doch glatt dreigeteilt! Zwar noch keine biblischen Ausmasse, aber immerhin...
Nielsson - 22. Apr, 03:09

Am Montag habe ich den Kaffee des Aushilfsespressozubereiters gelobt. (Es stimmte.) Der war wahrscheinlich auch ziemlich glücklich danach.

(Übrigens ist dieses "zugehen können" im Artikel weniger ein Wollen als ein Können...)

Lilli legt los - 22. Apr, 13:21

Sach ich doch,

können muss man. Kann ich aber auch nicht immer - z.B., als eine Frau in der Umkleidekabine des Hallenbades gleich zwei Badeanzüge übereinander anzog. Interessiert hätt's mich schon, warum sie das macht - wie Thomas ganz richtig festgestellt hat...

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Über Lilli

Laufen ist denken, manchmal auch überlegen, immer aber sich erneuern. Eine neue Sicht auf die Dinge erlangen, die uns bewegen. Laufen ist manchmal auch davonlaufen, für eine Weile wenigstens, bevor man wieder heimkommt zu Mann und Kindern, Wäsche und Kochtopf, zu den eigenen Macken und all den bunten Schnipseln, die ein Leben so ausmachen. Laufen ist das beste Beobachten, das es gibt.

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