Dienstag, 3. Februar 2009

Superbowl-Schock

Wenn man denkt, jemanden nach fast 15-jähriger Ehe ziemlich gut zu kennen, liegt man falsch – wahrscheinlich bleiben Menschen füreinander ewig unergründbar, und vielleicht liegt es gerade daran, dass manche Partnerschaften so lange halten: man kriegt immer mal wieder eine Überraschung vor die Füße gekickt, die man nicht hat kommen sehen… So steht Lilli auch dieses Jahr wieder das Superbowlwochenende mehr schlecht als recht durch: da muss Fingerfood für eine unbestimmte Menge an hungrigen Männern vorbereitet werden, deren Zahl zwischen 6 und 15 schwankt und die unkompliziert und vor dem Fernseher essen wollen. Da muss das Layout des Wohnzimmers so gestaltet werden, dass man von jedem Stuhl und Sessel aus den Bildschirm sehen kann UND gleichzeitig guten Zugriff auf die Chipsschüsseln hat. Da muss ein Couchtisch improvisiert werden, da Lilli und Monsieur (sehr zum Leidwesen von Lillis Mutter übrigens) noch nie einen solchen besessen haben und am Superbowlwochenende plötzlich merken, dass es gute Gründe gibt, so ein Möbelstück sein eigen zu nennen. Da müssen die Strolche schon am Samstag zu den Hausaufgaben gezwungen werden, da am Sonntag nicht mit irgendeiner Art von Konzentration zu rechnen ist. Da kommt einer der Männer plötzlich mit Frau und Baby, das drei Stunden lang vor dem Fernseher liegen muss und deshalb Babyspielsachen braucht, die Lilli schon längst irgendwo im Keller verloren verstaut hat. Da müssen beide Augen zugedrückt werden, wenn Gummibärchen und Salzmandeln durch die Luft fliegen, weil die Männer für unterschiedliche Mannschaften grölen und sich gegenseitig beschießen. Und zu allem Übel ist da noch der Superbowl selbst: ein mehrstündiges Spiel, dessen Regeln Lilli schnurzegal sind und bei dem das wilde Gerenne, kaum dass es angefangen hat, auch schon wieder wegen mangelnder Koordination auf dem Spielfeld aufhört (oder warum rennen die sonst alle ineinander rein, anstatt sich auszuweichen?). Schließlich und endlich ist dann noch das Chaos, das übrigbleibt, wenn alle Gäste sich verzogen haben. Dann räumt Lilli auf, während Monsieur sich „nur noch schnell“ die Sportnachrichten ansieht, um sicherzugehen, auch nicht das kleinste Fumble verpasst zu haben.

Dieses Jahr aber hat Lilli nicht aufgeräumt. Dieses Jahr war sie zu müde und hat sich mit einem guten Buch ins Bett verzogen mit dem Vorsatz, den ganzen Dreck einfach erst am nächsten Tag wegzuputzen. Und was passiert? Am nächsten Tag ist alles blitzblanksauber. Monsieur hat sich Besen und Wischmopp geschnappt, hat die Gläser gespült, die Flaschen runtergetragen, die Salsaflecken vom Sofa gewischt. Einfach so. Völlig überraschend und „out of character“, wie man beim Film sagen würde. Lilli ist platt.

Über Lilli

Laufen ist denken, manchmal auch überlegen, immer aber sich erneuern. Eine neue Sicht auf die Dinge erlangen, die uns bewegen. Laufen ist manchmal auch davonlaufen, für eine Weile wenigstens, bevor man wieder heimkommt zu Mann und Kindern, Wäsche und Kochtopf, zu den eigenen Macken und all den bunten Schnipseln, die ein Leben so ausmachen. Laufen ist das beste Beobachten, das es gibt.

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Zuletzt aktualisiert: 23. Mai, 03:27

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