Mittwoch, 28. Januar 2009

Tischmanieren

Beim alljährlichen Ball der XY-Gesellschaft, den Lilli jetzt schon seit hunderten von Jahren als dekoratives Anhängsel besuchen darf, saßen zum ersten Mal Leute mit an ihrem Tisch, die jünger waren als sie selbst. Abgesehen von der offensichtlichen Frische und Glätte ihrer Gesichter gab es dazu ein unfehlbares Indiz – sie zögerten lange und schauten hilflos in die Runde, bevor sie ihr Brot auf dem falschen Teller butterten...

Montag, 26. Januar 2009

Deutsch sein

Große Präsentation des kleinen Strolches in der Schule zum Thema „Vergangenheit“. Die von ihm vorgestellte Weihnachtspyramide (von Lilli brav in die Schule geschleppt, zusammengebaut und angezündet) und deren reich illustrierte Entstehungsgeschichte (tiefe Bergwerke mit Silberminen, mittelalterliche Furcht vor der Dunkelheit, Erfolgszug der billigen Paraffinkerzen, Popularisierung der ägyptischen Pyramiden durch Napoleons Feldzug) begeistern das 7-jährige Publikum rückhaltlos. Nie hätte der kleine Strolch sich träumen lassen, dass es so „yo“ ist, eine deutsche Mutter zu haben… Zum Glück haben wir noch eine Weile, bis in Geschichte dann der zweite Weltkrieg ausbricht.

Donnerstag, 22. Januar 2009

Lilli und das Hutzelweiblein

Gestern hat Lilli einem halb erfrorenen Hutzelweiblein geholfen, eine richtige Adresse in ihrer Straße ausfindig zu machen. Lilli ist ein Stück mit der Frau mitgegangen, hat den betreffenden Wohnblock identifiziert und dreimal umkreist, bevor ihr der kleine Trampelpfad aufgefallen ist, über den man überhaupt nur (mit dem ganzen Schnee) an die Haustür drankam. Danach war Lilli den ganzen Tag über seltsam beschwingt, obwohl drei Maschinen Wäsche anstanden und sie zu dem Zeitpunkt noch gar nicht wusste, dass abends die neue Staffel von „Lost“ losgehen würde. Als sie sich aber überlegte, wie sie über das Hutzelweiblein bloggen könnte, merkte sie, dass aus der Geschichte nichts rauszuholen war. Eine gute Tat ganz ohne literarisches Potential. Es war’s trotzdem wert.

Mittwoch, 21. Januar 2009

Weltenbummler

Woran merkt man, dass ein Kind nicht mehr nur Kind ist, sondern zur Schwelle in ein anderes Alter steht? Daran, dass ihm Haare an den Beinen wachsen? Oder dass seine Muskeln größer werden als die Klumpen in unserer Béchamelsauce? Beides richtig. Man merkt es aber auch an seinem Humor, der sich vom elementaren Pipi-Kacka-Furz auf ein höheres - und gar selbstreflektierendes - Niveau erhebt. So fragte Lilli heute morgen, als sich Minuten nach dem vermeintlichen Aufwecken rein gar nichts im Zimmer des großen Strolches bewegte: „He, großer Strolch, bist du wach?“ Und als Antwort kam: „So halb“. Das, liebe Lilli, ist schon ein sehr großes Kind, das du da hast... Bald schon wird er ein Tattoo wollen, ein Moped und deine Lederjacke.

Geschenkt!

Lilli, die selbsterklärte Geschenkefachfrau, ist – um dem Sprichwort „Hochmut kommt vor dem Fall“ Munition zu geben – dieses Jahr böse abgestürzt. So böse, dass ihre 15-jährige Nichte nicht umhinkommen konnte, ihr klipp und klar zu sagen, was sie von ihrem Geschenk hielt: nämlich gar nichts. Die zu teurem Geld über den Ozean geschickten Bücher waren wohl zu kindisch, zu einfach und zu nett, was in den Augen einer Teenie-Nichte einer Beleidigung ersten Grades gleichkommt. Wenn nicht 6000 km zwischen ihnen liegen würden, hätte die Nichte ihre Tante zum Duell gefordert, da ist sich Lilli ganz sicher (und weiß auch gleich, welche Waffe sie wählen würde: Sahnetorte). So aber war es nur eine schnöde E-Mail, die Lilli die schlechte Nachricht eines verschmähten Geschenks überbrachte, und Lilli schnappte erst vor Empörung nach Luft, dann lief sie rot an, dann grün. Denn insgeheim versteht sie schon, was die Nichte ihr vorwirft – nur die Form geht ihr, gelinde gesagt, gegen den Strich. Man kann nun mal nicht alles im Rahmen einer E-Mail auf die Tasten werfen, ob es sich nun um Vorwürfe oder ein „Ich liebe dich“ handelt (Valentinstag steht schließlich auch bald vor der Tür). In beiden Fällen, liebe Internetgeneration, sollte man den Mut haben, zum Telefon zu greifen.

Montag, 19. Januar 2009

Spiel und Wahrheit

Ein Spiel hielt Lilli und Compagnie über Weihnachten in Atem: Telepathie heißt es und verlangt von den Spielern, die sich in Zweierteams zusammenschließen, unabhängig voneinander zu einem Begriff oder Bild mehrere Assoziationswörter aufzuschreiben. Stimmen diese im anschließenden Vergleich überein, bekommt das Team Punkte und darf auf dem Spielbrett weiterziehen. Der Sinn des Spieles ist einfach: je besser die Spieler erraten, was der andere denkt, wenn er einen Hund sieht, umso erfolgreicher ist das Team. Nebenbei bekommt man ganz umsonst tiefe Einblicke in das Seelenleben und die Weltanschauung der Mitspieler, die sie sonst nur dem Psychiater auf der Couch preisgeben würden. Zum Begriff „Mädchen“ zum Beispiel fällt dem kleinen Strolch „Haare“ ein, „kompliziert“ und „plappern“. Seinem 17-jährigen Vetter dagegen „Fön“ und „Klamotten“. Einen Punkt für ein gemeinsames Wort bekommen sie aber doch noch, für „Mund“. Ja, ja, die alten Stereotypen gibt es immer noch. Nur „Busen“ hat sich wahrscheinlich keiner getraut zu schreiben.

(Beim Wort „lustig“ fiel dem kleinen Strolch übrigens „Papa“ ein, was Monsieur und Lilli mit einem erleichterten Augenzwinkern registriert haben.)

Freitag, 16. Januar 2009

Lebensmenü

Mancher Leser wird sich gefragt haben, was über Lilli gekommen war, gestern so einen unverdaulichen Brocken zu servieren. Nun, da er unverdaulich war, schien das Ausspucken eine vernünftige Lösung zu sein, nicht wahr… So ist dieser Blog, wie das richtige Leben überhaupt, aus vielen unterschiedlichen Geschmacksrichtungen zusammengesetzt, die alle wie auf einer Bodenseeplatte nebeneinander oder auch übereinander existieren, und meist hat man keinen Einfluss darauf, woraus der Hauptgang besteht. Nur die Häppchen und den Nachtisch darf man sich aussuchen wie an einem Buffet.

Donnerstag, 15. Januar 2009

Schizophrenie im grellroten Kleid

Am 25. Dezember saß also die versammelte Familie um den schön gedeckten Mittagstisch, als allen klar wurde, dass die große stämmige Frau mit dem Kurzhaarschnitt und den hellen Augen, die erst vor knapp einem Jahr aus der psychiatrischen Anstalt entlassen worden war, nicht allein gekommen war. Oh nein, sie hatte ihre ständige „Begleiterin“ mitgebracht, und die war in großer Fahrt. Ob wir alle schlafen würden, schrie sie uns an, denn wie könnten wir hier so ruhig sitzen, während bei ihr zuhause das Haus abbrennt. Gleich müsste hingefahren werden, sie hätten gar nicht kommen dürfen, es sei ein großer Fehler, sich heute aus dem Haus gewagt zu haben, und jetzt säße sie hier und keiner würde je den Weg zurück finden. Wenigstens all das Essen hätte sie aus dem Haus räumen müssen, damit das nicht auch noch verbrenne, aber in der Eile des Aufbruchs hätte sie nur an ihre Kuscheltiere gedacht, die schließlich ihre Freunde seien und jetzt auf dem Rücksitz des Autos in Sicherheit waren (deprimiertes Nicken ihrer 70jährigen Mutter, die bestätigte, heute nur aus dem Haus gekommen zu sein unter der Bedingung, dass eine Plastiktüte voller Kuscheltiere mitgenommen würde). Als die große stämmige Frau merkte, dass sie nur begütigende und abwiegelnde Antworten bekam, stand sie vom Tisch auf und setzte sich mit ihrem Teller in die Küche. Dort fing sie an, herzzerreißend zu schluchzen und nach ihrer Schwester zu rufen, die zu der Zeit 700 km weit weg bei ihrer Schwiegerfamilie Hackfleischpastete aß. Dann stand sie abrupt auf und begab sich ins Badezimmer, wo sie eine Serie von „Ooooos“ in die Luft schrie, die sowohl erstaunt als auch verzweifelt klangen. Die anderen Anwesenden erlaubten den Kindern, ausnahmsweise jetzt gleich vom Tisch aufstehen zu dürfen und in den Keller zu verschwinden, wo ein elektronisches Spielparadies darauf wartete, in Beschlag genommen zu werden. Dann wurde eine Abordnung an die Badezimmertür geschickt, während sich ein anderer Teil der Familie darum kümmerte, diverse Ressourcen anzurufen, um Rat einzuholen. Schwupps, ging die Badezimmertür auf und heraus marschierte die Frau, die nun ganz von ihrer Krankheit kontrolliert zu sein schien. Auf einen Zettel hatte sie ein großes Kruzifix gemalt, auf das sie zeigte, ohne weiter ein Wort sprechen zu wollen. Auf die besorgten Fragen, was sie damit meinte, sagte sie wieder „Oh“, dann verlangte sie, dass der Fernseher eingeschaltet werde, da sie bald darin sprechen würde. Schließlich könnte sie nicht alle Menschen einzeln anrufen, um sie vor dem baldigen Ende der Welt zu warnen. Das Fernsehen sei die einzige Möglichkeit, zu den Massen durchzudringen, und genau das sei ihre Pflicht, denn sie allein hatte schließlich die sechs Medikamente entdeckt, die die Menschheit retten könnten…

In der Zwischenzeit hatte die große Schwester Rat eingeholt, der allerdings an diesem 25. Dezember mager ausgefallen war. Psychiatrische Notaufnahme, hieß es von allen Seiten – sowohl von dem Wohnheim, in dem sie schon einmal betreut worden war, als auch von der Sozialarbeiterin und der Sekretärin der Psychiaterin, die ihr zweimal im Monat ihre Spritze verschrieb. Also Krankenwagen anrufen und die Polizei, die den Sanitätern beistehen würde, falls es nötig sei. Die Mutter der Kranken ließ sich jammernd auf einen Stuhl fallen.

Die Polizei traf als erstes ein, zwei schmucke junge Herren in dunkelblauer Uniform, die zuerst versuchten, mit der Frau zu reden, aber bald davon abließen, als diese ihnen erklärte, vor dem (ausgeschalteten) Fernseher sitzen bleiben zu wollen, da ihre Nachricht an die Nation ja bald käme. Dann fing sie an, eine Liste der Anwesenden aufzustellen, brachte aber die Namen durcheinander, strich durch, begann von Neuem und zählte mit den Fingern. Einfacher und genauso sinnvoll wäre es, meinte sie dann, einfach nur die Anwesenden in Eltern und Kindern einzuteilen, in VaterMutterKind, wobei alle gleichzeitig Eltern und Kinder wären, nur sie sei die Einzige, die weder Vater noch Mutter war, sondern nur Kind… Eine Funkverständigung vom Krankenwagen, der zu einem dringenderen Fall gerufen worden war und auf Weiteres unabkömmlich war. Die Ohnmacht der Polizisten, die erst eingreifen dürfen, wenn die Kranke sich selbst oder andere in Gefahr bringt… und die Ohnmacht der Familie, dieser Frau, die doch so dringend Hilfe brauchte, nicht helfen zu können. Schließlich kniete die große Schwester vor dem Fernseher nieder und zog der Frau die Stiefel an, dann hob sie sie am Arm hoch und half ihr in die Jacke. In letzter Verzweiflung wandte sich die Kranke dann noch an Lilli, die die ganze Zeit über an dem halb abgeräumten Tisch mit den Baguettekrümeln gesessen hatte. „Kennst die Anne?“, fragte sie Lilli durchdringend, als ob sie ihr eine geheime Botschaft übermitteln wolle. „Anne – nein, ich kenne niemanden, der so heißt“, sagte Lilli, da fiel ihr ihr letzter Besuch beim Kommunionsunterricht des großen Strolches ein. „Oder meinst du die Prophetin? Anne, die Prophetin?“ „Anne, Anne, Anne“, wiederholte die Frau nur, ohne auf Lillis Antwort einzugehen. Und ein letzter Aufschrei, während ihre Schwester sie zur Tür hinaus zog (ein Polizist vorne, einer hinten, stets bemüht, die Kranke unter keinen Umständen anzufassen): „Meine Familie verstößt mich, und keiner wird je den Weg finden, denn alle haben alles vergessen“, dann wurde es wieder still im Haus. Vom Keller hallten die Jubelschreie der Kinder, die mit Autorennen und anderen virtuellen Boxkämpfen beschäftigt waren, während sich die Mutter seufzend den Pelzmantel überzog, um nach Hause zu fahren und einen Koffer mit dem Nötigsten zu packen. Den aber brauchte die Kranke gar nicht, weil für die ersten Tage in der geschlossenen Anstalt sowiese Einheitsschlafanzüge vorgeschrieben sind.

Mittwoch, 14. Januar 2009

Wenn jede Sekunde zählt

Ein Tipp für berufstätige Mütter: wer sich beim Frühstückmachen dicht genug über den Toaster beugt, spart später wertvolle Minuten beim Haare fönen.

Über Lilli

Laufen ist denken, manchmal auch überlegen, immer aber sich erneuern. Eine neue Sicht auf die Dinge erlangen, die uns bewegen. Laufen ist manchmal auch davonlaufen, für eine Weile wenigstens, bevor man wieder heimkommt zu Mann und Kindern, Wäsche und Kochtopf, zu den eigenen Macken und all den bunten Schnipseln, die ein Leben so ausmachen. Laufen ist das beste Beobachten, das es gibt.

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