Mittwoch, 25. Mai 2011

Lillis Vespertaschenkrieg

Bei Lilli ist grad Nervenkrieg. Denn Lilli macht Pausenbrote für die Strolche nur dann, wenn die dazugehörige Tasche nach Schulende an den ihr zugeteilten Haken gehängt und der Inhalt aus- und aufgeräumt wird. Also: nicht gegessene Joghurts bitte in den Kühlschrank, Plastikschüsseln in die Spülmaschine, Kühlpack (wie heissen die Dinger auf deutsch noch mal?) in den Gefrierschrank - nichts besonders kompliziertes oder sadistisches, lediglich ein paar Handgriffe, die die Strolche dazu erziehen, dass Schulbrote nicht auf Bäumen wachsen und Teamarbeit geleistet werden muss, damit so ein Haushalt läuft. Wenn die Taschen morgens noch neben der Haustür rumlümmeln, wo die Strolche sie am Tag vorher haben fallen lassen, streikt Lilli. Hat sie jedenfalls vor zwei Wochen entschieden, und seither testen Lilli und die Strolche, wer die längeren Nerven hat.

Lilli hatte ja geglaubt, dass der Schock so gross sein würde, dass die Strolche schon nach dem ersten Tag ihre Lektion gelernt hätten. Schliesslich müssen die armen Kinder morgens mehr Zeit einplanen, um sich selbst Brote zu schmieren und Äpfel zu waschen. Aber nein: auch nach dem dritten und vierten Tag Streik vergessen die Strolche nach wie vor, ihre Tasche aufzuräumen. Der grosse Strolch stöhnt zwar jeden Morgen, wenn Lilli ihn dran erinnert, dass er sein Essen selbst richten muss, aber ändern tut er sein Verhalten nicht. Und der kleine Strolch hat entdeckt, dass das selbständige Zusammenstellen einer Vespertasche durchaus seine Vorteile hat: er läd sie voll mit Keksen, Saft und Käse, schmiert sich ein Brot mit Senf, und Lilli kann kaum an sich halten.

Jetzt überlegt Lilli, ob sie nach einer Strategie suchen soll, um das Vesperrichten wieder an sich zu reissen, ohne dabei das Gesicht zu verlieren. Oder ob sie dem Tun einfach freien Lauf lässt, bis sie sich vor dem Schuldirektor für frevelhafte Mangelernährung ihres Sohnes rechtfertigen muss. Denn sehen wir es mal so: seit sie streikt, kann sie morgens eine Viertelstunde länger Zeitung lesen...

Donnerstag, 19. Mai 2011

I love different

In Ottawa steht eine wunderbare Skulptur von Louise Bourgeois. Eine riesige Spinne IMG_21691, in deren gewölbtem Bauch man zahllose Eier aus Marmor sehen kann, wenn man direkt unter ihr steht (wer den Mut dazu aufbringt). Die Skulptur heisst "Maman" und wurde im Englischunterricht des kleinen Strolches durchgenommen. Bei der Ausstellung der Arbeiten gefällt Lilli ein Kommentar besonders gut:

"I love this sculpture because I never see art like this before. It is different I love different." Lilli auch.

Mittwoch, 18. Mai 2011

Augen zu und durch

"Du liest ein Buch über Adolf Hitler?", fragt der kleine Strolch ungläubig, als er aus Lillis Schlafzimmer kommt, in dem der neue Michel Folco auf dem Nachttisch liegt. Dem kleinen Strolch zufolge ist es am besten, alles Unangenehme zu meiden - traurige Filme, Sauerkraut, Hausaufgaben und alles, was mit Krieg und Gewalt zu tun hat. Glücklichsein durch Verdrängung, bestimmt schreibt er mal selbst ein Buch darüber. Lilli erklärt ihm, dass man sich manch Unangenehmem stellen muss, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen. "Und, wie ist das Buch?", will er wissen. "Ich hatte noch keine Lust, es anzufangen", gibt Lilli kleinlaut zu.

Montag, 16. Mai 2011

Einerseits und andererseits

An einem verregneten Wochenende kann man ganz schön viel erledigen, wozu man an Sonnentagen keine Lust hat: Klamotten kaufen, putzen, in die Stadtbücherei gehen, Keller aufräumen, all so was.

Der Nachteil ist nur, dass man dann am Montag ganz erledigt ist.

Freitag, 13. Mai 2011

Lilli erschrickt

Hinter Lilli spricht ein Mann wütend in ein Handy: "...und voller Fehler noch dazu, wenn sie kein anständiges Französisch schreiben kann, soll sie dahin zurückgehen, wo sie hergekommen ist..." Angst durchzuckt Lilli eine Sekunde lang in Zickzackform, und sie schaut sich den Mann tatsächlich näher an, ob es sich wohl um einen Kollegen handelt, der über sie spricht. Jetzt lebt Lilli seit 18 Jahren in Kanada, aber den Einwandererkomplex hat sie immer noch.

Donnerstag, 12. Mai 2011

Lillis Fünf-Uhr-Problem

Es ist ja nun so, dass Lilli um 16 h 30 den Stift hinknallt und mit dem Zug nach Hause zu den Strolchen fährt. Wenn sie dann eine halbe Stunde später dort ankommt, hat sie oft solchen Hunger, dass sie die Haustür anknabbern könnte. Die Strolche aber haben schon Kaffee getrunken (klar, die kommen ja um vier Uhr aus der Schule) und keinen Hunger auf ein frühes Abendessen. Zum Kuchenessen ist es Lilli aber irgendwie zu spät, zumal sie meist schon im Büro eine Tasse Kaffee getrunken hat und jetzt keine zweite hinterherkippen möchte. Was isst man also um 5 Uhr, was einem warmen Essen um 7 Uhr nicht im Weg steht? In manchen Ländern TRINKT man zu der Zeit etwas... Und kommen Sie mir nicht mit einem Müsliriegel im Büro oder gar im Zug, denn das ist höchstens ERNÄHRUNG, keinesfalls aber ESSEN.

Mittwoch, 11. Mai 2011

Aufgetaucht

Der kleine Adam ist gefunden worden. Ein Stück weiter flussabwärts von der Stelle, an der er zuletzt gespielt hatte, hat ihn ein Radfahrer im Wasser treiben sehen. Jetzt können die gebeutelten Eltern einen Schlussstrich unter ihre Verzweiflung setzen. Einen schwarzen.

Stehenbleiben!

Heute ging Lilli nach dem Mittagessen eine Weile in Montreals Altstadt spazieren. Die Sonne hatte sich herausgeputzt und ein helles, makelloses Kleid angezogen, das locker 20 Grad vorgaukelte, obwohl es dem Thermometer zufolge höchstens 16-einhalb waren. Männer trugen Anzüge, Frauen Röcke und Blazer, Lieferanten blaue Antons. Auf der gegenüberliegenden Strassenseite beobachtete Lilli eine Frau, die mit cirka 10 Hunden unterschiedlichster Grösse und Rasse unterwegs war. Auf Lillis Höhe blieb sie stehen, um einen Hundehaufen aufzuklauben und diesen elegant in einer dafür eigens mitgebrachten Plastiktüte verschwinden zu lassen. Brav setzten sich die Hunde solange auf die Hinterpfoten, nur ein paar ganz Neugierige stiegen über die spinnennetzartig verknoteten Leinen, um ihr Tun aus der Nähe zu betrachen. Danach hatte die Dogwalkerin einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten, bevor alle Hunde entwirrt waren, alle Pfoten über Leinen hinweg oder unter Leinen hindurchgeschoben worden waren und der Hundeknäuel sich wieder in Bewegung setzen konnte.

Lilli hatte dem Spektakel zugesehen, ohne sich vom Fleck zu rühren. Warum das ein unfehlbarer Beweis für Frühling ist? Nun, im Winter bleibt in Montreal niemand stehen, aus Angst, an Ort und Stelle festzufrieren.

Montag, 9. Mai 2011

Alle lieben Lilli

Wer einen schönen Muttertag erleben will, muss rechtzeitig bekannt geben, wie dieser emotional hochbeladene Tag abzulaufen hat, denn Gedanken lesen können weder der Ehemann noch die Kinder.

Monsieur: Was soll ich dir aus New York mitbringen?
Lilli: Eine knallbunte Uhr. Nichts teures. Was für den Sommer. In grün oder orange, keinesfalls aber in gelb.

Der grosse Strolch: Was wünschst Du Dir zum Muttertag?
Lilli: Crêpes zum Frühstück.

Und so war's dann auch. Lilli weiss, dass Monsieur hauptsächlich erleichtert ist, sich durch den Kauf einer Swatch anständig seiner Pflichten entledigt zu haben. Sie weiss, dass es ein grosser Liebesbeweis des grossen Strolchs war, an einem Sonntagmorgen vor allen anderen aufzustehen, um Pfannkuchen zu backen. Und sie weiss, dass die in letzter Minute hingesudelte Karte des kleinen Strolches nicht heisst, dass er sie NICHT liebt.

Lilli ist so weise, dass sie sich demnächst einen Bart wachsen lässt.

Über Lilli

Laufen ist denken, manchmal auch überlegen, immer aber sich erneuern. Eine neue Sicht auf die Dinge erlangen, die uns bewegen. Laufen ist manchmal auch davonlaufen, für eine Weile wenigstens, bevor man wieder heimkommt zu Mann und Kindern, Wäsche und Kochtopf, zu den eigenen Macken und all den bunten Schnipseln, die ein Leben so ausmachen. Laufen ist das beste Beobachten, das es gibt.

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Zuletzt aktualisiert: 23. Mai, 03:27

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