Montag, 27. Juni 2011

Lilli und der Sommerzauber

Die Sommerferien haben angefangen, und da kein Mensch hier in Kanada 10 Wochen Urlaub hat, gehen die Kinder mindestens ein paar Wochen in sogenannte Camps. Camps sind Aktivitäten, die von der Stadt oder Vereinen organisiert werden und alles anbieten, was man sich nur vorstellen kann: Reiten, Fechten, Golf spielen, Kochen, Kanu fahren.... und natürlich gibt es auch Camps ausserhalb der Stadt, in denen die Kinder gleich eine ganze Woche lang übernachten.

Lilli hatte keine grossen Probleme, ein Camp für den grossen Strolch zu finden. Der kleine Strolch aber lehnte alles, was sie vorschlug, mit hochgezogener Nase ab. "Basketball? Zirkus? Mangas zeichnen? Tennis?", wollte Lilli wissen, aber der kleine Strolch schüttelte nur mit dem Kopf. "Scrapbooking? Hip Hop? Cheerleading?", aber auch das fand keine Gnade. "Ich warne dich, wenn ich nichts finde, landest du im Camp hier im Park", drohte Lilli im April.

Heute morgen machte Lilli ihre Drohung war und buchte eine Woche Camp im Park: basteln, spielen, singen, Freibad gehen. Nicht gerade die Wucht für einen kleinen Strolch, das war Lilli schon klar.

Kleiner Strolch: "Wie heisst das Camp?"
Lilli: "Magie estivale."
Kleiner Strolch (hoffnungsvoll): "Ein Zaubercamp?"
Lilli: "Nein, mit Zaubern hat es nichts zu tun."
Kleiner Strolch: "Was ist es denn dann?"
Monsieur (hinter dem Bildschirm hervorrufend): "Ein Kinderparkplatz!"

Oh ja, das hilft. Das Messer in der Wunde rumdrehen, das Lilli sich schon selbst in die Brust gestossen hat...

Samstag, 25. Juni 2011

Lilli und die Wehmut

Jetzt ist der grosse Strolch mit der Grundschule (Klasse 1 bis 6) fertig. Lang schon hat er auf diesen Tag hingefiebert, denn im Gegensatz zu seiner Mutter findet der grosse Strolch Veränderungen toll und empfängt alles Neue mit ausgebreiteten Armen. Als am letzten Schultag aber die allerletzte Hand geschüttelt (Lehrer, Direktorin, Kernzeitbetreuer, Trainer der Schulmannschaft, Hausmeister), der letzte Freund und sogar alle Klassenkameradinnen umarmt waren - mit Ausnahme von J., versteht sich, denn J. kann der grosse Strolch noch nicht wieder in die Augen sehen -, da wollte der grosse Strolch gar nicht so recht nach Hause. Lilli, die die ganze Zeit über ungeschickt mit den Tränen kämpfte, konnte ihn gut verstehen. Das Bekannte, Bequeme hat auch seinen Reiz, und niemand kann es besser in Worte fassen als Mörike, was sich da auf einem Montrealer Schulhof für knapp 30 Jungs und Mädels abgespielt hat:

Bei jeder Wendung Deiner Lebensbahn,
auch wenn sie glückverheißend sich erweitert
und Du verlierst, um Größeres zu gewinnen.
Betroffen stehst Du plötzlich still, den Blick
gedankenvoll auf das Vergangne heftend.
Die Wehmut lehnt an Deine Schulter sich
und wiederholt in Deine Seele Dir,
wie lieblich alles war, und dass es nun
damit vorbei auf immer sei, auf immer!

Mittwoch, 22. Juni 2011

Lilli ist estomaquiert

Seit Samstag abend überlegt Lilli, welches deutsche Adjektiv dem französischen "estomaqué" auch nur annähernd das Wasser reichen kann. Denn wie einen Faustschlag in den Bauch empfand sie die Demonstration eines Freundes, der ja sooooo stolz auf seinen Ipad war und den Strolchen zeigen wollte, was für tolle Bücher es da völlig kostenlos zum Runterladen gibt. Zum Beispiel "Toy Story" von Disney: es sieht aus wie ein richtiges Buch, hat Seiten zum virtuellen Umblättern, aber die Bilder bewegen sich und der TEXT KANN VON EINER FREUNDLICHEN STIMME VORGELESEN WERDEN! So gross kann Lilli gar nicht schreiben, wie sie diese Erfindung grässlich findet. Denn es gibt ja drei Kategorien von Eltern:

Erstens, und das sind die besten: die Eltern, die ihren Kindern gerne vorlesen. Die es gemütlich und wichtig finden, mit einem sabbernden Kind zusammengeklebt auf dem Sofa zu sitzen, gemeinsam die Nase in ein Buch zu stecken und lange darin rumzulesen. Bilder anzusehen, Sachen zu finden und zu benennen, Fragen zu stellen, Farben zu erkennen, Buchstaben nachzufahren, Grössen einzuordnen, über Ängste und Träume zu sprechen und was man nicht noch alles Schönes mit ordinären Bilderbüchern anstellen kann.

Zweitens: die Eltern, die ihren Kindern nicht gerne vorlesen, es aber trotzdem tun, weil sie wissen, wie wichtig es für ihre intellektuelle Entwicklung blablabla.

Drittens: die Eltern, die Bücher und Filme in die gleiche Kategorie tun und gottfroh sind, wenn ihr Sprössling eine halbe Stunde Ruhe gibt. Geschichten für Kinder? Her damit, dann haben wir ein gutes Gewissen, das Kind kommt mit Literatur in Berührung und wir brauchen uns nicht weiter zu kümmern.

Natürlich ist es die zweite Kategorie, die sich vom Ipad einwickeln lassen und das Lesen mit den Kindern nach und nach aufgeben wird. Die erste Kategorie wird das elektronische Bilderbuch schulterzuckend abtun, weiss sie doch, dass Zeit mit den Eltern, Körperwärme und Raum für Diskussionen durch nichts in der Welt zu ersetzen sind. Die dritte Kategorie ist von vornherein verloren und hat schon vor Jahren damit angefangen, das Kind vor Baby Einstein zu setzen, dort kann sich im Prinzip auch durch den Ipad nichts mehr verschlechern. Die zweite Kategorie aber, die Verführbaren, die Schwachen, werden eine Weile hin- und hergerissen sein und sich dann mit ausgestreckten Armen in den Rachen des Löwen stürzen. "Ist doch das Gleiche, ob ich es ihm vorlese oder der Ipad", denken sie sich nach ein paar Wochen des Zögerns erleichtert, legen dem Kind das Ding in den Schoss, stehen vom Sofa auf und fangen an, Wäsche zu falten oder E-Mails zu lesen. Natürlich sind auch das die Eltern, die dem Kind ein Kuscheltier unter den Schoppen legen, damit man es nicht im Arm halten muss... Für diese Kinder der zweiten Kategorie läutet der Ipad ein dunkles Zeitalter ein, ganz egal, wie bewegt und bunt die Bilder auch sein mögen.

Montag, 20. Juni 2011

Lilli und der Kammerjäger

Lilli hat Ameisen. Nicht zum ersten Mal, aber erstmalig krabbeln sie emsig senkrecht die Hauswand hoch, um sich unter Lillis erzürntem Blick im Dach ein Nest zu bauen. Und da es in letzter Zeit ein bisschen viel war, im Büro und überhaupt, hat Lilli die Geduld verloren und den A1-Exterminator-Service angerufen. Prompt stand heute morgen ein diskret nur mit A1 bezeichneter Kleinbus vor der Tür, aus dem ein als Marsmensch verkleideter Kammerjäger mit Gasmaske und Spritzpistole stieg. "Yessssss!", dachte sich Lilli und fühlte sich selbst wie Terminatrix, die jetzt den bösen Monstern mit der chemischen Keule auf die Pelle rückt. Eine halbe Stunde später ist das Haus mit Gift vollgespritzt, woraufhin der Marsmensch seine Gasmaske auszieht und Lilli rät, für die nächsten paar Stunden irgendwo einen Kaffee trinken zu gehen. Lilli, die schon die ganze Zeit versucht, sich an den Titel des Films zu erinnern, in dem ein Schriftsteller sich Insektenmittel spritzt und den seltsamsten Trip erlebt ("I'm on bugpowder, yeahhhh"), spürt daraufhin sofort ein Kratzen im Hals. Schnell tippt sie ihren Blogeintrag fertig und hüstel hüstel hüstel....

Freitag, 17. Juni 2011

Eine Woche Liebesglück

Der grosse Strolch hat Bauchgrimmen und Liebeskummer. Oder Bauchgrimmen aus Liebeskummer? Jedenfalls hat J. gestern mit ihm Schluss gemacht, und heute will er nicht in die Schule.

Naja, heute hätten sie sowieso nichts Rechtes mehr gemacht, es sind nur noch vier Tage bis zu den Sommerferien. Also liegt der grosse Strolch auf dem Sofa und liest sich mit Artemis Fowl weg aus dieser Welt.

Donnerstag, 16. Juni 2011

Das Los der Mutter

Heute musste Lilli schon um 8 Uhr antreten, und da die Konferenz am anderen Ende von Montréal stattfand, tauchte ihre Mitfahrgelegenheit sage und schreibe um 6 Uhr 30 vor Lillis Haustür auf. Kurz nach 20 Uhr war Lilli dann tatsächlich wieder zu Hause und nicht mehr zu gebrauchen. Aber nein, sie musste noch mal los und Milch kaufen, denn die drei im Haushalt ebenfalls anwesenden Männer waren nicht vom Fernseher wegzukriegen. Zwei davon klebten vor dem Fernseher ("Das siebte Spiel Vancouver-Boston! Mann Lilli!!! Boston führt 1 zu Null!"), der dritte hockte vor dem Computer und wollte wissen, wie man es macht, dass mehr Leute auf seinen Blog kommen...

Mittwoch, 15. Juni 2011

Lilli auf dem Sofa

Wenn Lilli freitag abends erst mal auf dem Sofa sitzt, kann kein Strolch sie da so leicht wieder davon hochscheuchen. Und wenn dann der grosse Strolch noch mal runterkommt, während Lilli "ihren" Film guckt, kann es passieren, dass Lilli zu faul ist, um ihn wieder hochzuschicken, und ihn auf dem Sofa duldet, solange er nicht zu laut mit dem Schokoladenpapier raschelt ("Herrgott, die Milka geht an der SCHMALEN Seite auf, ein Rutsch und fertig!!!"). So kam der grosse Strolch in den Genuss von "Juno", und obwohl Lilli den Film auf Englisch guckte, hat er doch einiges davon mitbekommen. Was eigentlich gar nicht so schlecht ist und seinen Kurs neulich über die Pubertät irgendwie ganz gut ergänzt...

"Parenting through laziness" - Lilli wusste ja schon immer, dass sie im Grunde ein Trendsetter ist...

Montag, 13. Juni 2011

Eins nach dem andern

Dass Lilli nach anfänglichen Schwierigkeiten in ihrem Job Fuss gefasst hat, merkt sie daran, dass sie inzwischen nicht mehr drei Tage vor einer wichtigen Besprechung, einer Präsentation oder sonstwie einer wichtigen Begegnung mit anderen Leuten in Echtzeit von Bauchgrimmen, Schlaflosigkeit und Kündigungsphantasien heimgesucht wird. Jetzt hat sie so viele Termine, dass sie es sich nicht mehr leisten kann, schon Tage vorher deshalb nervös zu werden. EIN Tag vorher reicht völlig.

Über Lilli

Laufen ist denken, manchmal auch überlegen, immer aber sich erneuern. Eine neue Sicht auf die Dinge erlangen, die uns bewegen. Laufen ist manchmal auch davonlaufen, für eine Weile wenigstens, bevor man wieder heimkommt zu Mann und Kindern, Wäsche und Kochtopf, zu den eigenen Macken und all den bunten Schnipseln, die ein Leben so ausmachen. Laufen ist das beste Beobachten, das es gibt.

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

Status

Online seit 6314 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 23. Mai, 03:27

Credits

Web Counter-Modul


Laufen
Lillis Positiv-Pakt
Mitmenschen
Reise in den Abgrund
Selbständig arbeiten
Strolche
Zeitmanagement
Zonstiges
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren
Blog Top Liste - by TopBlogs.de Blog Verzeichnis Bloggeramt.de