Donnerstag, 15. Januar 2015

Das Nudelteigexperiment

Die Schwäbin in Lilli macht immer mal wieder Maultaschen. Sie hat herausgefunden, wodurch man Brät ersetzen kann, welcher TK-Spinat funktioniert und - am schwierigsten - wo sie Nudelteig herbekommt. Denn selbstverständlich gibt es diesen hier in Montréal nicht einfach so in der Kühltheke des Supermarktes in der Endlosrolle für 2 Euro, sondern nur in der edlen Frische-Nudeln-Boutique, die sein Gewicht in Gold verlangt. In Zeiten der Sparsamkeit forscht Lilli jetzt nach Alternativen.

Sie hat einen Versand gefunden, der Online-Bestellungen entgegennimmt. Leider liefern die nur innerhalb Deutschlands, was irgendwie zu erwarten war, da es sich ja um ein gekühltes Produkt handelt... Mann, Lilli.

Wan-Tan-Blätter: Vielleicht, wenn man die Herstellungstechnik dementsprechend abändert. Aber jede Maultasche einzeln füllen- das artet ja richtig in Arbeit aus...

Nudelteig selbermachen: da gibt es diverse Geräte, von denen Lillis Kollegen ihr allesamt abraten: die handbetriebenen müssen zu zweit bedient werden und produzieren nicht unbedingt glatte Blätter ohne Löcher, die mit Motor machen Lärm, sind riesig und teuer. Dann lieber selber auswellen? In manchen Foren wird das als kinderleicht beschrieben, in anderen als Kraftakt.

Sie wird das Auswellen mal probieren. "So dünn, dass man die Maserung des Nudelbretts durchsieht". Vorsichtshalber aber nur mit einem halben Rezept...

Mittwoch, 14. Januar 2015

Der Schocker

Wenn vom warmen Abendessen Reste übrigbleiben, nimmt der grosse Strolch gerne eine Portion mit in die Schule, um sie dort - nach Gerangel um einen Platz in der Mikrowelle - zu wärmen. Manchmal richtet er seine Portion noch abends, bevor Lilli die Reste in Tupperschüsseln packt, manchmal auch erst morgens, aber immer findet er es lästig. Heute morgen war der grosse Strolch im Begriff, im Kühlschrank nach Resten zu forschen, als er auf Lillis bereits gerichtete Portion stösst. Mit der Schüssel in der Hand fragt er Lilli, ob dies vielleicht ihr Mittagessen sei. "Ja, aber du kannst es haben", sagt Lilli. "Ehrlich?", fragt der Strolch verblüfft, denn normalerweise rührt Lilli keinen Finger, um den Strolchen beim Vesperrichten zu helfen.

Es gibt nichts, was die Leute leichter aus dem Gleis bringt als unmotivierte Grosszügigkeit.

Samstag, 10. Januar 2015

Strolche sind für Überraschungen gut

Der grosse Strolch ist einfallsreicher, als Lilli angenommen hatte. Es stimmte zwar, dass keiner seiner Kumpels ihn an diesem Morgen mitnehmen konnte. Mit dem Bus konnte er auch nicht fahren. Monsieur konnte ihn nicht zur Schule bringen und Lillis Angebot hatte er ja leider verpasst. Anstatt aber ein Taxi zu rufen, tat der grosse Strolch etwas ganz und gar Aus-der-Luft-Gegriffenes.

Er rief ein Mädchen an.

Freitag, 9. Januar 2015

Hart

Obwohl der grosse Strolch versprochen hatte, heute morgen pünktlich fertig zu sein, damit Lilli ihn mitsamt seiner Skiausrüstung in die Schule fahren UND noch rechtzeitig ins Büro kommen kann, rührt er sich nicht. Er ist nicht nur nicht rechtzeitig fertig, er ist noch nicht einmal aufgestanden, als Lilli schon aus dem Haus muss. Natürlich könnte sie auf ihn warten, im Büro anrufen und ihre Besprechung absagen oder verschieben - wenn jemand krank wäre, ginge es ja auch. Der grosse Strolch ist aber nicht krank, er ist nur faul.

"Ich geh jetzt", sagt Lilli.
"Und was mach ich?", fragt der Strolch.
"Tja, was machst Du jetzt?", sagt Lilli.

Er wird zum ersten Mal in seinem Leben ein Taxi rufen. Und selbst bezahlen müssen.

Manchmal findet Lilli ihren Elternjob sehr hart.

Mittwoch, 7. Januar 2015

Guter Vorsatz

Vor der Kasse des Schwimmbads gibt es mehrere Bänke, auf die man sich setzen kann, um seine Stiefel anzuziehen (die man vor der Kasse ausziehen und dort in Regale stellen muss, sonst würde man ja das ganze Bad mit Schmeematsch und Salz verdrecken). Ein Rentner aus dem Kirchenchor erkennt Lilli und fragt, ob sie öfter ins Schwimmbad kommt. "Sagen wir mal, ich habe die ABSICHT, jetzt öfter zu kommen."

Das Jahresabo ist gekauft, jetzt gibt es kein Zurück mehr. Leichte Chlorschwaden umhüllen Lilli, als sie durch die automatische Tür in den Schneesturm schreitet. Schnell die Kapuze auf, damit die Haare nicht zusammenfrieren.

Montag, 5. Januar 2015

Ohne Strom nix los

Gestern fiel bei Lilli der Strom aus. Im ganzen Viertel war es dunkel, dazu schaurig kalt und windig. Das ist die Kombination, bei der Lilli ganz schnell ganz klein und ängstlich wird. Schon nach 3 Stunden hatte es nur noch 16 Grad im Haus, da bleibt nur noch ins Bett gehen und hoffen, dass der Schaden über Nacht repariert wird. Die Aussicht auf keine Dusche und keinen Kaffee am nächsten Morgen ist ebenfalls ausserordentlich deprimierend. Lilli würde es keine drei Tage in einem Flüchtlingslager aushalten.

Samstag, 3. Januar 2015

Mehr oder weniger

Kurz vor Weihnachten bekommt Lilli die Konsumkrise und will Weihnachten abschaffen. Keine Geschenke mehr - "der Skiurlaub ist Euer Geschenk und fertig. Was meint ihr, was so eine Wohnung kostet, und dann die Liftgebühren und die Ausrüstung noch dazu, damit kann man ja in Burundi eine ganze Schule bauen". Jedesmal, wenn sie den Ausdruck "la magie des Fêtes" hört, ballt sie die Faust, denn der Zauber des Festes stellt sich, anders als in der Werbung suggeriert, nicht durch Geschenke und schon gar nicht von selbst ein. Wenn sie nicht backt und Baum dekoriert und Geschenke kauft und einpackt und Weihnachts-CDs spielt, dann passiert hier nämlich überhaupt kein Zauber des Festes. Zauber des Festes, mon œil! Lilli hätte gerne ein Fest der Besinnlichkeit, aber die Strolche wollen ein Smartphone.

An Weihnachten singt Lilli im Kirchenchor - das ist eigentlich der schönste Moment des 24. Dezembers. Danach zwingt sie die Strolche dazu, die Passage aus der Bibel vorzulesen und einen Schluck Sekt zu trinken, was sie beides mit saurem Gesicht absolvieren. Danach gibt es Geschenke, von denen die Hälfte zu klein sind. Sogar das Smartphone des grossen Strolches ist ihm "zu klein" - es hat nur 8 gigabyte Speicherkapazität. Lilli bekommt einen Museumsbesuch von Monsieur. Zeit zu zweit, eine schöne Geste.

Am nächsten Tag wird Monsieurs Familie besucht, was durch die neue Freundin des 23jährigen Neffens und deren zwei Söhne, 3 und 7 Jahre alt, ganz amüsant ausfällt. Wetten wurden keine abgeschlossen, aber wie lange das hält, fragen sich wohl viele.

Im anschliessenden Skiurlaub stellte sich heraus: Luxus ist teuer, aber angenehm. Die Wohnung war gross, hell, neu und warm, das Schwimmbad gross, hell, neu und warm und die Lounge im Erdgeschoss mit Billardtisch, Sitzecke um den offenen Kamin und den Flügel im Eck gross, hell, neu und warm. Dafür war das Wetter kalt, aber Skifahren, Langlaufen und Spazierengehen ging trotzdem. Die Strolche waren gut gelaunt und willig, an allen Aktivitäten teilzunehmen. Was will man mehr? Nichts. Alles war gut.

Und nächstes Jahr? Lilli wird sich überlegen, wie man Weihnachten anders feiern kann. Ohne zuviel zu kaufen, zu essen und zu trinken, ohne Hetze und die daraus entstehende Ungeduld anderen gegenüber, dafür mit mehr Stille und menschlicher Wärme. Ihr einziger guter Vorsatz fürs neue Jahr heisst "mehr Grosszügigkeit". Das hat Lilli der ganzen Familie verordnet. Grosszügig über Schwächen der Anderen hinwegsehen, grosszügig mit seiner Zeit und Hilfsbereitschaft umgehen, grosszügig auf andere Ansichten eingehen und Meinungen gelten lassen. Die gemeinsamen Abendessen müssten dann eigentlich harmonischer ausfallen...

Dienstag, 23. Dezember 2014

Vater-Land

Lillis Vater hat angefangen, komische Sachen zu sagen. Nach dem Schlaganfall vor ein paar Jahren, meinte die Neurologin neulich, seien viele Hirnzellen abgestorben, sodass man sich auf eine Verschlechterung seines kognitiven Zustandes einstellen müsste. Das ist zwar nichts grundlegend Neues, aber jetzt, wo es losgeht, trifft es Lillis Mutter doch ganz hart. Denn wer weiss, wie schnell es mit ihm bergab gehen wird, wo man schon einmal auf der schiefen Ebene steht? Wie schnell er zum Pflegefall wird, wo sie doch nicht gerade die Geduldigste ist und im Moment eher unwirsch als mit Güte und Toleranz auf seine immer häufiger auftretenden Gedächtnislücken reagiert? "Das habe ich bei Ihnen immer umsonst bekommen", sagte Lillis Vater dem Uhrmacher neulich, als der eine neue Batterie in seine Uhr einsetzte. Was natürlich nicht stimmte und vom Uhrmacher auch höflich angezweifelt wurde. "Wieviel Wasser soll ich in die Kaffeemaschine tun?", fragt er Lillis Mutter, als diese mit Lilli am Telefon ist, obwohl er das genau weiss - oder bisher jedenfalls wusste, jetzt aber vergessen hat. "Wo kommen die leeren Flaschen hin", will er auch noch wissen, obwohl er immer für den Transport des Leergutes und das damit einhergehende Hin-und Herräumen der Flaschen verantwortlich war. Lilli denkt an letztes Weihnachten zurück, als sie ihren Vater zum letzten Mal gesehen hat. Und daran, wie er wohl sein wird, wenn sie ihn das nächste Mal sieht. "Man ist immer im Werden", hat sie gestern erst gelesen. Ab jetzt wird ihr Vater aber wohl immer weniger.

Über Lilli

Laufen ist denken, manchmal auch überlegen, immer aber sich erneuern. Eine neue Sicht auf die Dinge erlangen, die uns bewegen. Laufen ist manchmal auch davonlaufen, für eine Weile wenigstens, bevor man wieder heimkommt zu Mann und Kindern, Wäsche und Kochtopf, zu den eigenen Macken und all den bunten Schnipseln, die ein Leben so ausmachen. Laufen ist das beste Beobachten, das es gibt.

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Zuletzt aktualisiert: 23. Mai, 03:27

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