Freitag, 22. Juli 2016

Red Velvet

Der kleine Strolch will einen Kuchen backen. "Einen Red Velvet", sagt er, und als Lilli bei verlässlichen Quellen nach einem Rezept schauen will, "Ich hab schon ein Rezept, auf Youtube." Lilli versteht den Subtext des kleinen Strolches und lässt ihn alleine werkeln.

Als sie wiederkommt, ist der kleine Strolch geknickt. Er hat teaspoon und tablespoon verwechselt und deshalb doppelt so viel Salz, Essig und Backpulver verwendet als im Rezept angegeben. Der Kuchen ist nicht ganz so rot, wie er es sich erhofft hatte, und beim Aus-der-Form-Nehmen ziemlich vollständig auseinandergebröselt. So sehr, dass er nicht wusste, wie er - trotz gut gelungener Glasur aus Frischkäse und Sahne - daraus jemals eine zweistöckige Torte bauen sollte.

Lilli probiert die Brösel, die zwar auf den ersten Eindruck hin eigenartig schmecken (ach ja, er hat auch Olivenöl anstatt dem zum Backen gedachten Sonnenblumenkernöl genommen), insgesamt aber, vor allem mit Glasur, angenehm locker und feucht auf der Zunge zergehen. Gemeinsam schaufeln sie die Brösel in eine Schüssel und lagern Glasur dazwischen wie bei Tiramisu, und nach ein paar Stunden im Kühlschrank schmeckt das Ganze so gut, dass der Strolch bereit ist, nächste Woche einen zweiten Versuch zu starten.

Wer weiss, vielleicht wird ja doch noch ein grosser Bäckermeister aus ihm. Monsieur jedenfalls macht schon mal ein Photo von den Bröseln, um später mal dokumentieren zu können, wie die Laufbahn anfing.

Dienstag, 12. Juli 2016

High expectations

Bevor der grosse Strolch allein in die Ferien geflogen ist, hat sie ihm noch ein Buch zugesteckt. "The Hitchhiker's Guide to the Galaxy", alle vier Bände der Trilogie. Sehr symbolhaft, denn die Hauptperson des Buches tritt gleich zu Beginn der Handlung ebenfalls eine abenteuerreiche, alles über den Haufen werfende Reise an. Sie erinnert sich noch, damals beim Lesen lauthals gelacht zu haben über den absurden Humor, die Ironie und die Perspektive, dass die Erde und ihre Mitbewohner eine ziemlich primitive Lebensform darstellen - im Vergleich zum Rest des Weltalls jedenfalls, von den Delfinen mal ganz abgesehen. Sie hofft, dass der Strolch Gefallen am Reisen und Entdecken finden wird, dass er ein mutiger und weltoffener Tourist sein wird, der müde und glücklich über die Begegnungen mit anderen Menschen und Kulturen wieder nach Hause kommen wird, für immer vom Virus des Weggehens (und Wiederkommens) infiziert.

Ausserdem hätte sie gerne, dass er endlich mal eine SMS schreibt und von sich hören lässt - und ein Dankeschön für das Buch wäre auch nicht schlecht.

Ausgeflogen

Der grosse Strolch ist nun fort. Fünf Wochen lang wird er nicht zuhause sein, keine Cheerios unter den Tisch streuen, keine Socken liegenlassen, nicht abends um 11 noch lautstark Gitarre spielen, nicht nicht beim Tischdecken helfen. Den ersten strolchlosen Abend findet Monsieur unerträglich. "Das ging alles viel zu schnell", sagt er, den Tränen nahe. "Plötzlich interessiert er sich für Mädchen, macht Fahrstunde und verbringt auch noch die Ferien ohne uns. Ich hatte gar keine Zeit, die Zeit mit ihm richtig auszunutzen." Lilli denkt "Selber schuld" - nicht hartherzig, sondern traurig, denn dass Monsieur die Arbeit oft wichtiger fand als die Zeit mit den Strolchen, hat sie ihm vor Jahren oft genug gesagt und auch das Bedauern, das er jetzt empfindet, prophezeit. Sie braucht es jetzt nicht zu wiederholen, denn Monsieur weiss es selbst. Deshalb weint er ja auch.

Dienstag, 5. Juli 2016

Orange is nich

Als Lilli "Orange is the new black" in den Kleinanzeigen sucht (Staffel 2 aufwärts), kriegt sie als Treffer einen Rasenmäher, ein Mountainbike und eine orangene Badehose angeboten. Sie ist mal wieder dem Geschmack ihrer Zeitgenossen voraus...

Vom Hörensagen

Heute hat jemand Lilli ausgeschimpft, weil sie auf Facebook auf einen Zeitungsartikel verlinkt hat, in dem ein Service angekündigt wurde, der jetzt - wie sich herausstellt- doch nicht so zustande kommt, wie es der im Artikel zitierte Anbieter versprochen hat. "Wenn Sie das auf Facebook schreiben, muss es auch stimmen", meinte der Anrufer empört, ohne zu verstehen, dass es doch ein Link zu einer externen Informationsquelle war und weder die Zeitung noch der zitierte Anbieter mit Lilli in Verbindung stehen. Lilli ist erstaunt und auch wieder nicht. Die neuen Medien sind für viele Leute ein Wirrwar, in dem man schnell den Überblick darüber verlieren kann, wie glaubwürdig Inhalte sind, wer ihre Urheber sind und wer für die Richtigkeit der Angaben haftet. Sobald der Anschein eines falschen Versprechens vorliegt, ist der Schaden schon geschehen.

Sonntag, 12. Juni 2016

Das hat was

So wird hier das Ende der 11. Klasse und somit der Schulpflicht gefeiert:

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Wenn Lilli da an ihre eigene Abifeier in der Turnhalle mit Neonbeleuchtung zurückdenkt... dann wird sie direkt neidisch. Klar ist das für Aussenstehende sehr amerikanisch und an der Grenze zum Kitsch, aber wenn das eigene Kind blau gewandet auf der Bühne steht - nach all den Powerpoint-Präsentationen und Mathehausaufgaben, die man mit ihnen durchgestanden hat - ist man für den Sinn des Rituals empfänglich.

Donnerstag, 9. Juni 2016

Na, hörn Se mal.

"Wir legen uns da einfach auf den Tisch zu den Kühen dazu."

...

Sowas kann man auch nur in einer Rahmenwerkstatt zu Ohren bekommen. Monsieur und Lilli haben nämlich kurzerhand ein Bild ersteigert, das ihnen gerollt geliefert wurde. Die Rahmenfrau dirigierte sie mit der 2 Meter langen Leinwandrolle nach hinten ins Atelier, wo schon... ja, das kam Lilli bekannt vor, so kreuzen sich die Wege... Kühe von Eloïse Brodeur lagen.

Mittwoch, 8. Juni 2016

Dachschaden

So sahen sie also aus, die Leute, die Löcher in Lillis Dach geschnitten haben. Da es ein Holzdach ist (Kanada halt...), passt der Holzfällerbart perfekt dazu.

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Danach wurde aussen gerahmt, isoliert, geklebt und getackert.

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"Warum nehmt Ihr denn keine anständigen Dachziegel?", wollte Lillis Mutter wissen. Nun, siehe oben: das Haus ist aus Holz, das würde das Gewicht deutscher Ziegel gar nicht aushalten. Die Alternative besteht aus "Pappe mit Granulat", so jedenfalls sieht es für Lilli aus, und soll angeblich 20 Jahre halten. Die Vorgänger haben es gerade mal 17 Jahre geschafft...

Donnerstag, 2. Juni 2016

Lilli wird zum Chauvi

Monsieur bekommt Dachfenster. Schliesslich hat er sein Büro direkt darunter und in dem relativ grossen Raum nur ein Fenster, das man nicht öffnen kann. Im Sommer also grosse Hitze ohne Möglichkeit des Durchzuges, im Winter grosse Dunkelheit, die depressiv macht.

Lilli weiss, dass es in Deutschland in mindestens jedem zweiten Haus Dachfenster hat. Trotzdem - einfach in das sprichwörtliche "Dach überm Kopf" ein Loch reinschneiden? Und hoffen, dass die das wieder so gut isolieren, dass es nicht reinregnet? Das schaffen doch nur deutsche Handwerker...

Mittwoch, 1. Juni 2016

Weniger ist Meer

Die Urlaubsplanung mit Monsieur ist schwierig. Er will nicht so sehr lange wegfahren, für Lilli dagegen fängt es erst an, Urlaub zu heissen, wenn es mindestens zwei Wochen sind. Bei ihm fängt es an zu kribbeln, wenn die Abwesenheit vom Schreibtisch länger als eine Woche dauert. Da macht die Entspannung einer gewissen Unruhe Platz, die zunehmend grösser wird, je länger die Trennung von der Arbeitsstelle hinausgezögert wird. Der Durchschnittskanadier hat auch nur wenig Urlaub, zwei Wochen nach dem ersten Arbeitsjahr und wenn er Glück hat, eine zusätzliche Woche nach fünf Jahren. Lilli hat Glück und diesen Sommer drei Wochen Urlaub. Das ist schon mal das erste Problem.

Das zweite besteht aus der Autofahrt. Die kann Monsieur lange aushalten, wenn es sein muss. "Fahren wir doch auf die Magdaleneninseln, da wollte ich schon immer mal hin", sagt er so, als es um Urlaubsziele geht. 1200 km Fahrt von Montréal nach Souris auf der Prinz-Edward-Insel, danach mit dem Schiff 5 Stunden lang übersetzen auf die winzige Inselgruppe der Magdalenen, die zugegeben mit ihren Stränden und Klippen wildromantisch aussieht. Diese 12 Stunden würde Monsieur in einem Rutsch durchfahren, vielleicht ab und an mal zum Pinkeln halten, aus anderen Gründen nicht. Bei dem Gedanken an 12 Stunden Autofahrt am Stück will Lilli sterben und schlägt deshalb vor, die Strecke zu stückeln, vielleicht zweimal unterwegs zu übernachten und dabei die Schönheit von New-Brunswick erkunden, wenn man schon mal in der Gegend ist. Was wiederum die Dauer des Urlaubs in die Länge ziehen würde - siehe Problem eins.

Deshalb hat Lilli heute einen Flug gebucht, wodurch sich die im Transportmittel gesessene Zeit von 12 auf zweieinhalb reduziert. Die 5 Stunden Überfahrt auf dem Schiff kommen trotzdem noch dazu, aber, hey, auf einem Schiff, das ist schliesslich kein Vergleich.

Herrlich. Aber teuer. Aber kurz. Also hat doch Monsieur gewonnen, so man denn die eheliche Urlaubsplanung als einen Kampf ansehen will. Vielleicht sollte sich Lilli mit dem Gedanken anfreunden, nach dem Urlaub mit Monsieur noch allein in einen Zweiturlaub zu starten. Damit sie ihre drei Wochen voll auskosten kann und sich im Vergleich zu all den Deutschen nicht gar zu jämmerlich vorkommt.

Über Lilli

Laufen ist denken, manchmal auch überlegen, immer aber sich erneuern. Eine neue Sicht auf die Dinge erlangen, die uns bewegen. Laufen ist manchmal auch davonlaufen, für eine Weile wenigstens, bevor man wieder heimkommt zu Mann und Kindern, Wäsche und Kochtopf, zu den eigenen Macken und all den bunten Schnipseln, die ein Leben so ausmachen. Laufen ist das beste Beobachten, das es gibt.

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