Donnerstag, 9. Oktober 2008

Kinder jammern, Mütter irren, Tiere wimmern unter Trümmern

Es gibt Tage, an denen möchte man nicht fühlen müssen. Da sitzt einem soviel Traurigkeit im Bauch, dass man sein Inneres nach außen stülpen möchte wie einen nassen Handschuh, zum Trocknen. Man zählt die Stunden bis zum Schlafengehen und hat nur das Ziel, bis dahin zu überleben, ohne dem Schreien und Wimmern im Innern allzu viel Beachtung zu schenken. Abends dann liegt man im Bett und hofft darauf, dass der Schlaf die Wunden leckt, verwischt, abheilt. In Filmen werden solche Szenen mit Musik unterlegt, aber im richtigen LeidenLeben bleiben die Wände stumm.

Mittwoch, 8. Oktober 2008

Punk is not dead

Der kleine Strolch hat manchmal sehr kreative Momente, vor allem dann, wenn der große Strolch nicht greifbar ist. So hat er am Wochenende eine Reihe von Comics produziert, in denen ein Punkkind und eine Punkmutter mit gepiercten Lippen miteinander kommunizieren – „auf die einfachste Art“, wie in jedem Titel extra angegeben war. Hier seine Tipps, die trotz ihrer Knappheit (oder gerade dadurch) einen vielsagenden Einblick in seine zarte Kinderseele geben.

„Wie man seinem Kind am einfachsten sagt, dass es mit dem Videospiel aufhören soll“ (Punkkind sitzt vor dem Bildschirm, auf dem ein Totenkopf zu sehen ist, Punkmutter steht daneben):
Punkmutter: Hör mit dem Videospiel auf.
Punkkind: OK, Mam.

„Wie man seinem Kind am einfachsten sagt, was es zum Essen gibt“ (Punkkind und Punkmutter sitzen gemeinsam am gedeckten Tisch):
Punkkind: Was gibt es zum Essen?
Punkmutter: Hackfleischauflauf.

„Wie man seinem Kind am einfachsten sagt, dass es essen soll“ (Punkkind sitzt vor dem vollen Teller, Punkmutter steht daneben):
Punkkind: Ich mag das nicht.
Punkmutter: Iss.

So was hebe ich natürlich auf, um ihm später mal eins damit auszuwischen. An seiner Hochzeit vielleicht, oder bei der Feier nach der Oscar-Verleihung. Aber einem Psychologen zeige ich das lieber nicht.

Dienstag, 7. Oktober 2008

Börse auf Tiefflug

Seit einiger Zeit – ach, seit allzu lange – kommt Monsieur geknickt nach Hause und murmelt als Begrüßung eine Zahl. „735“, „800“ und gestern sogar „1000“. Lilli weiß, dass es umso schlechter steht, umso höher die Zahl ist, denn sie zeigt die Punkte an, die die Börse im Lauf des Tages runtergerutscht ist. Trotzdem wäre ihr ein „Hallo“, ein Lächeln und gar ein Kuss zur Begrüßung lieber als die neueste Bilanz des börsischen Absturzes. So unterschiedlich können Menschen sein, sogar Menschen, die sich lieben. Die einen lassen sich von ganz speziellen Details runterziehen, die alles andere Gute in ihrem Leben (Gesundheit, Kinder, Freunde, ein liebevoller Partner, Käsekuchen) in den Schatten stellen, während die anderen es sich nicht erlauben, das, wofür sie dankbar sind, zu vergessen, weil ein Aspekt ihres Lebens bergab geht. Gestern also artete dieser Unterschied in einen bösen Streit aus, einen mit Tränen und schweren Vorwürfen.

Das ist es wohl, was man einen Börsenkrach nennt.

Montag, 6. Oktober 2008

Que sera, sera

Der kleine Strolch stellt manchmal große Fragen: ob er wohl mal in der Zeitung stehen wird? Wen er später heiraten wird? Und ob sein Name wohl jemals in den Petit Larousse illustré aufgenommen werden wird, da, wo die Könige und die Künstler alle stehen? Und ich hatte mir kürzlich noch vorgenommen, ihn zum Augenarzt zu schleppen, um seine Sehschärfe kontrollieren zu lassen. Mit seiner Weitsicht scheint er jedenfalls keine Probleme zu haben.

Freitag, 3. Oktober 2008

Deutsch und deutsch

Immer wieder erhält Lilli Mails, die ungefähr so lauten: „XY ist eine Deutsche, die vor kurzem in Montréal angekommen ist, vielleicht kannst du sie ja mal anrufen, wäre doch nett für euch beide.“ Die wohlmeinenden Leute, die Lilli so ansprechen, denken immer genau nach den gleichen Strukturen. Sie denken:

1. Leute mit gleicher Nationalität müssen automatisch eine Verbundenheit verspüren, vor allem im Ausland.
2. Neuankömmlinge brauchen immer Hilfe.

Soso. Und obwohl Lilli keine überschäumend herzliche Person ist, die auf Fremde mit offenen Armen zugeht, überwindet sie das dämliche Gefühl, das sie jedes Mal dabei hat, und ruft die „Neue“ tatsächlich an – auch, um demjenigen, der sie darum gebeten hat, einen Gefallen zu tun, aber hauptsächlich, weil sie weiß, wie man sich fühlt, wenn man irgendwo fremd ist. Da sucht man nach Informationen über Impfungen und Sportvereine, aber auch nach ein bisschen Trost und Zuspruch, dass alles schon irgendwie werden wird. Dieses „Gefühl der Verbundenheit“ aber, von dem irgendwie aufgrund der gleichen Nationalität ausgegangen wird, ist eine Utopie, denn die gewisse Chemie, die zwischen Freunden herrscht, muss sich auch im Ausland einstellen, sonst fühlt man sich dem Deutschen am anderen Ende der Leitung genau so verbunden wie einem Marsmenschen mit Schwanz und Antenne.

Gestern also ruft Lilli eine gewisse Uschi an, die vor kurzem in Montréal gelandet ist, und bietet ungeschickt ihre Hilfe an – nur um zu hören, dass Uschi 30 Jahre lang in Frankreich gelebt und deshalb keinerlei Sprachprobleme hat, hier auf Familienmitglieder zählen kann, schon ein paar Mal in Montréal zu Besuch war und insgesamt überhaupt auf niemanden angewiesen ist. Als Lilli anbietet, doch mal zum Kaffee vorbeizukommen (eine Einladung, die sie hier nur selten ausspricht, da der Durchschnittskanadier bei einer derartigen Aktivität weder weiß, wann sie anfängt oder aufhört, noch, was er dabei wohl zu essen erwarten kann), nimmt Uschi diese nur zögernd an und in einem Ton, der zu verstehen gibt, dass sie damit Lilli einen Gefallen tut und nicht umgekehrt.

Es gibt also Deutsche und Deutsche – sagen wir mal die Ungelenkigen, die im Ausland erst einmal aufgeschmissen sind, weil sie nur das Leben in Deutschland kennen, und die Weltgewandten, die zwar einen deutschen Pass, aber die Seele eines Weltenbummlers haben. Dann gibt es sympathische Deutsche und solche, mit denen man nichts zu tun haben möchte, auch wenn sie die einzigen Deutschen auf 1000 km Entfernung wären. Je länger man darüber nachdenkt, umso schwieriger fällt einem eine Definition des Begriffs „Nationalität“. Ist Lilli denn noch deutsch, wenn sie keinerlei Drang verspürt, irgendwann einmal wieder in Deutschland zu leben? Wenn sie anfängt, nach Wörtern zu suchen, die ihr nur auf Französisch einfallen? Für Lilli steht nur eines fest: wer das Prinzip des Nachmittagskaffees kennt und aktiv unterstützt, darf sich dazuzählen. Und wer weiss, was Brezeln sind.

Donnerstag, 2. Oktober 2008

Wunsch und Wirklichkeit

Früher bezogen meine Eltern ihren Tee immer über einen Versand, der allerlei exotische Leckereien anbot und dessen Name mir partout nicht einfallen will (Eltern anrufen und fragen? Lieber nicht, denn die Erklärung „Ich brauch das für meinen Blog“ würde doch nur auf Unverständnis stoßen). Im Katalog, der unweigerlich mit jeder neuen Lieferung mitgeschickt und von meinen Eltern hartnäckig ignoriert wurde, gab es Dinge, von deren Existenz ich keine Ahnung hatte, unter anderem auch Baumkuchen in verschiedenen Höhen (immer mit einer Serviette zur Dekoration drin, deren Spitzen oben wie Hasenohren rausstanden) und sogar schokolierte Baumkuchenspitzen. Ach, Baumkuchen, mit seinen seltsamen ringförmigen Ausbuchtungen und dem dunklen Schokoladenüberzug, wie gerne hätte ich damals einen gehabt. Aber jetzt, wo mir keine auf überflüssige Ausgaben bedachte Eltern mehr im Weg stehen, lasse ich trotzdem lieber die Finger davon: ich bin mir ziemlich sicher, dass meine Vorstellung eines Baumkuchens das wahre Geschmackserlebnis eines dieser trockenen Backwerke bei weitem übertrifft.

Manchmal ist einfach der Wunsch schöner als seine Erfüllung. Nur meistens weiß man das nicht vorher…

Mittwoch, 1. Oktober 2008

Elternabend, immer wieder aufschlussreich

In der Klasse des großen Strolchs gibt es eine Neue, die drei Wochen vor Schulbeginn aus Algerien angekommen ist. Mit einem nur schlecht verhüllten Anflug von Ärger fragt die Mutter die Lehrerin beim Elternabend, ob der Lehrstoff demnächst vielleicht etwas anspruchsvoller werden würde, denn ihre Tochter langweilt sich in der Klasse zu Tode. „Das Programm der vierten Klasse hier scheint höchstens dem der dritten Klasse der französischen Schule in Algerien zu entsprechen“, behauptet sie vorwurfsvoll. In Lilli kriecht Unwohlsein hoch: am Elternabend ein Einzelschicksal zu diskutieren, das dann alle Anwesenden anhören müssen, ist immer unangebracht. Außerdem ist es anmaßend, zu verlangen, dass sich das kanadische Schulprogramm am französischen orientiert – wir sind hier nun mal nicht in Frankreich! Ein Fehler, den Einwanderer immer wieder machen. Was Lilli aber ganz besonders stört, ist diese Arroganz, mit der ein Neuankömmling fordert, dass sich die Gesellschaft an ihn anpasst – sollte das nicht genau andersrum geschehen? Lilli jedenfalls kam mit einer etwas bescheideneren Haltung hier an damals, was wahrscheinlich genau der Grund ist, warum sie hier auf viele offene Herzen gestoßen ist.

Andererseits hat sie natürlich Recht, die Gute: was den Kindern hier in Klasse 1 bis 3 an Wissen vermittelt wird, ist ein Klacks…

Dienstag, 30. September 2008

Kleiner Strolch mit grossem Kopf

Es ist soweit: Lilli feiert heute den tausendsten Besucher ihres Blogs, was ihr trotz fehlenden Morgenlaufs ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Damit auch die werten Leser was zum Lächeln haben, kommt hier wie versprochen das lustigste (oder das am besten missratene) Bild des Sommers:

Kleiner-Strolch-mit-grossem-Kopf

Vielen Dank für's Mitlesen und Kommentieren - ich freue mich schon auf die nächsten Tausend!

Über Lilli

Laufen ist denken, manchmal auch überlegen, immer aber sich erneuern. Eine neue Sicht auf die Dinge erlangen, die uns bewegen. Laufen ist manchmal auch davonlaufen, für eine Weile wenigstens, bevor man wieder heimkommt zu Mann und Kindern, Wäsche und Kochtopf, zu den eigenen Macken und all den bunten Schnipseln, die ein Leben so ausmachen. Laufen ist das beste Beobachten, das es gibt.

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