In manchen Jahren spuckt einem das Wetter nicht nur vor die Füße, sondern geradewegs ins Gesicht. Nehmen wir zum Beispiel den Sommer 2008 – der war nicht nur verregnet, sondern hat jetzt zudem auch noch mehlige Pfirsiche produziert. Die Marmelade jedenfalls, die ich gestern abend vor mich hin schimpfend eingekocht habe, ist, um einen Ausspruch meiner Eltern zu gebrauchen, „für die Katz“. Oder vielleicht für die Lehrer der Strolche zu Weihnachten, mal sehen.
Lilli legt los - 29. Sep, 10:48
Lilli hat eine Übersetzungsagentur ausfindig gemacht, die deutsche Muttersprachler in Kanada sucht – was ja höchst selten vorkommt. Frohgemut bietet sie ihre Dienste an und ist sich wohl gewahr, dass Agenturen, die als Mittelmänner fungieren, niedrigere Tarife zahlen werden als ein Direktkunde. Dass sie aber nur wenig mehr als ein Drittel ihres normalen Honorars angeboten bekommt, ist dann doch ein Schock.
Da fühlt man einerseits die Freude über potentielle neue Aufträge, die ohne weiteres Bemühen ins Haus flattern, auch den Stolz, von einer Agentur ausgewählt zu werden, was als Bestätigung der Qualität der eigenen Arbeit angesehen wird – und andererseits Frust und Erniedrigung darüber, nur so wenig geboten zu bekommen. Grenzt das nicht schon an Ausbeutung? Soll man das nun akzeptieren, weil man immer mal wieder ein paar Stunden zur Verfügung hat, in denen schlecht bezahlte Arbeit besser als gar keine Arbeit ist, oder ablehnen, weil man dadurch dazu beiträgt, solche Hungerhonorare am Leben zu erhalten? Schwierige Frage. Im Moment hoffe ich, sie durch den abgelegten Test so beeindruckt zu haben, dass noch ein bisschen verhandelt werden kann… sonst wäre es nämlich einträglicher, sich morgens mit selbstgebackenen Muffins an die Ampel zu stellen! Von der Zufriedenheit, etwas mit den eigenen Händen geschaffen zu haben, mal ganz abgesehen...
Lilli legt los - 26. Sep, 10:50
Geschätzte Leser: hier wird demnächst der 1000. Besucher vorbeigucken – wie soll Lilli das feiern? Vielleicht mit einem Foto ihrer Schreibtischschublade? Einem Gedicht? Schwäbischen Maultaschen? Nein, noch besser: sobald hier die 1000ermarke erreicht ist, zeigt sie Euch das lustigste Foto, das sie diesen Sommer gemacht hat. Also – nur noch ein paar Tage Geduld…
Lilli legt los - 25. Sep, 09:20
Im September blüht hier ein Wildkraut mit dem hübschen Namen Ambrosia, auf das viele Menschen allergisch reagieren, Lilli sogar mit Asthma-Anfällen. Laufen wird deshalb im Moment zum bewusstseinserweiternden Erlebnis: je länger Lilli läuft, um so bewusster wird ihr, dass sie zwischen Nase, Ohren, Luftröhre und Lunge aus einem komplizierten Geflecht von Röhren und Schläuchen besteht, in die sie mal leichter, mal schwieriger ein- und ausatmet und die manchmal so verstopft sind, dass sie am liebsten wie ein Klempner mit dem Ausgussreiniger drangehen würde.
Auf chemischer Ebene gibt es da so manches, was getan werden kann: Nasensprays (mit Kortison, lecker), Inhaliersprays mit sofortiger Wirkung, andere zur Entzündungshemmung, Antihistaminika in Tablettenform. Da stellt sich die Frage: ist es dann noch gesund, zu laufen, wenn genau dieses Laufen einen höheren Bedarf an Medikamenten auslöst? Vielleicht sollte ich meine sportliche Tätigkeit vorübergehend ins Fitnessstudio verlagern und dort auf geschlossene Fenster bestehen? Die werden sich freuen.
Lilli legt los - 24. Sep, 07:50
An einem Tag Ende Juni, in einem Ferienhaus am Ufer des Sankt-Lorenz-Stroms, haben die Strolche fünfmal gebadet, sind nur mit Badehose und Crocs (einmal orange, einmal grasgrün) bekleidet auf großen schroffen Steinen herumgeklettert, haben zu zweit ein kleines Fischchen gefangen, Erdbeeren gegessen, ein Feuer gemacht, darin herumgestochert, Würstchen gegrillt und mit Monsieur Gitarre gespielt. Abends sind sie auf einem Liegestuhl in eine Decke gewickelt unter dem Sternenhimmel eingeschlafen. Gestritten haben sie kein einziges Mal, noch nicht einmal darum, wer das Fischchen mit den bloßen Händen anfassen und wieder freilassen durfte. Und Lilli hat sich vorgenommen, nicht zu vergessen, diesen Tag später unter „bester Tag des Sommers 2008“ abzulegen.
So. Ist hiermit geschehen.
Lilli legt los - 23. Sep, 09:49
Meine Damen und Herren: die Heckenschneider sind wieder los. Ich weiß ja nicht, wie oft im Jahr hier die Thuja-Hecken (alias des biederen Hausbesitzers hässlichstes Statussymbol) geschnitten werden müssen, aber es kommt mir zu oft vor. Da fallen dann die professionellen Heckenfriseure schon morgens um 8 Uhr ein und lassen ihre Stihlsägen (jawohl, auch hier gibt es das schwäbische Präzisionsinstrument) dröhnen, bis es um 12 Uhr Zeit wird, zu McDonald’s zu fahren. Nach der Mittagspause geht es munter weiter mit dem Gedröhne, als ob riesige Hummeln um eine Schale Erdbeermarmelade kämpfen würden. Der Freelancer aber, der von zuhause arbeitet und normalerweise an klosterähnliche Stille gewöhnt ist, läuft deswegen selbst zur Hornisse auf, klatscht die Fenster zu und ringt die Hände. Es bleibt schließlich nur eine Lösung: Zuflucht suchen bei Starbucks, wo man statt Motorsägengebrumm mit Berieselung durch Jack Johnson und Schulmädchengekicher Vorlieb nehmen muss. Anders geht es nun mal nicht an solchen Tagen.
Eines würde ich aber doch mal gerne wissen: was ist so toll an Thuja-Hecken, die bis zu 8 Meter hoch in den Himmel wachsen und die Gärten meiner Nachbarn grün ummauern? Baden die alle nackt in ihren Swimming-Pools? Nein, das stelle ich mir jetzt lieber nicht vor.
Lilli legt los - 22. Sep, 11:08
Es war ein Mal ein kleiner Junge, der Schiffe liebte. Keine kleinen Segelboote oder Motorjachten, sondern große Schiffe, Frachter, Tanker, Schleppschiffe und all so was. Seine Sommer verbrachte er am Ufer eines großen Flusses, an dem er Tag für Tag die großen Schiffe beobachtete, die dort vorbeizogen. Bald kannte er sie alle mit Namen, er konnte sie an ihren Schornsteinen und Kränen auseinanderhalten und vorhersagen, ob sie leer oder aber mit Koks, Benzin, Salz oder Weizen beladen waren. Mit Hilfe seiner großen Schwestern nähte er sich bunte Fahnen, die den Fahnen der verschiedenen Reedereien glichen, und schwenkte sie als Gruß. Manchmal hupte das Schiff dann, um ihn zurück zu grüßen, und das war für den kleinen Jungen wie ein Geschenk. Als er 13 Jahre alt war, machte er einen Schulausflug in eine große Stadt, in der eine seiner Lieblingsreedereien ihre Büros hatte. Er schaffte es, die Reederei ausfindig zu machen, stellte sich an der Rezeption vor und bat mit schlotternden Knien und einem Kratzen im Hals um eine Fahne. Und oh Wunder, jemand ließ sich von dem kleinen Jungen beeindrucken und schenkte ihm eine echte Schiffsfahne, genau so eine, wie die Schiffe der Reederei sie am Masten trugen. Sie maß 2 x 3 m und lag während der ganzen Rückfahrt im Bus ordentlich gefaltet auf seinen Knien. Viele Jahre später – der Junge hatte inzwischen nicht ohne Kummer die Idee aufgegeben, Kapitän zu werden, war in die große Stadt gezogen und arbeitete dort in einer Branche, die am Rande ein ganz klein wenig mit Schiffen zu tun hatte – erfuhr er, dass die Reederei jemanden mit seinen Qualifikationen suchte. Also genau mit seinen Qualifikationen, als sei die Stelle nur für ihn ausgeschrieben worden. Mit pochendem Herzen schickte er seine Bewerbung los und wurde tatsächlich zwei Wochen später zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Seine Handflächen wurden nass. Er kaufte sich einen neuen Anzug, ein neues Hemd, neue Schuhe, neue Socken und zwei neue Krawatten. Er überstand das Vorstellungsgespräch und hatte anschließend ein gutes Gefühl. Fünf Tage später kam die Absage. Und da saß dann der erwachsene Mann bei Lilli am Abendbrottisch und weinte still vor sich hin. Bei genauerem Hinsehen konnte man einen 13-jährigen Jungen erkennen, dem jemand die Fahne weggenommen hatte, um darauf herumzutrampeln.
Lilli legt los - 19. Sep, 08:58
Er: „Werden wir immer in dieser Unsicherheit leben?“
Sie: „Ich weiß es nicht…“
Lilli legt los - 18. Sep, 09:29