Donnerstag, 4. August 2011

Ist die Katze aus dem Haus...

Monsieur muss für den Tag ausser Haus. Kaum ist Lilli auf den Beinen, schaltet sie die Klimaanlage aus (Monsieur arbeitet normalerweise unterm Dach und findet es dort heiiiiiiiiiiiisssss) und reisst die Fenster auf. "Luft, aaahhhh", denkt sie theatralisch und füllt ihre Lungen mit dem feuchten Etwas, was Montreal so im Sommer zu bieten hat. Endlich atmen, eine Wonne.

Dann hält sie inne und überlegt, ob das jetzt metaphorisch zu sehen ist.

Dienstag, 2. August 2011

Lillis Ferienimpressionen (II)

Auch mal nett: in einem "Saint-Hubert", einer Brathähnchenkette, hinter dem Tresen der Abräumdamen im Müll wühlen, weil der kleine Strolch seine Zahnspange in eine Papierserviette eingewickelt und dann auf dem Tablett vergessen hat. Es ist nicht zu glauben, wieviel Freude es macht, ein knallgelbes drahtiges Ding in einem Haufen sossenverschmierter Hähnchenknochen wieder zu finden. Die Abräumdamen stehen derweil daneben und schauen entgeistert.

Später im Auto wirft Lilli dem kleinen Strolch seine blaue Spangendose in den Schoss. "Das hier ist deine neue beste Freundin. Ich will dich nie wieder ohne sie sehen, ist das klar?" Der kleine Strolch nickt und wünscht sich weit, weit weg.

Montag, 1. August 2011

Kein Anschluss unter dieser Nummer

Lillis Ferienimpressionen (I):

"Wer ist da?", faucht die Grauhaarige und leuchtet den Strand mit einer Taschenlampe ab. Ein Strolch taucht im Lichtkreis auf und duckt sich, da er gerade ein Feuerchen anzuzünden versucht. "Du da! Mach hier kein Feuer!", faucht sie weiter. "Kein Feuer! Hier bin immer noch ich die Besitzerin. Hier wird kein Feuer am Strand gemacht, das ist gefährlich." Die Grauhaarige schwenkt noch ein paar Mal die Taschenlampe über den steinigen Grund, dann knipst sie sie wieder aus. Sie brummelt weiter vor sich hin, als ob das Schimpfen wichtiger wäre als das Gehörtwerden. Vom Zauber der Sommernacht bleibt sie unberührt. Schade, denkt Lilli, dass ihre Schwiegermutter so gar keinen Draht zu ihren Enkeln hat. Oder zu Menschen überhaupt.

Montag, 25. Juli 2011

Lilli als Meerjungfrau

Seit drei Wochen ist es ununterbrochen heiss hier in Montreal. Heiss genug, um das unbeheizte Freibad auf freundliche 28 Grad aufzuheizen. Lilli schwimmt fast jeden Tag. 40 Bahnen schafft sie inzwischen, und das Zählen des Hin und Hers wird zur Meditation, sobald sie über die ersten zwei mühsamen Bahnen hinaus ist und die Bewegungen gleichmässig durch das Wasser pflügen. Hier ist Lilli in ihrem Element, obwohl sie den Hals starr über dem Wasser hält, um kein Wasser in ihr rechtes Ohr zu lassen. Obwohl sie nasse Haare nicht leiden kann. Obwohl kleine Blätter und (schlimmer) grosse Viecher im Wasser schwimmen und die Kinder im Nichtschwimmer nebenan spritzen. Das Schlimmste aber sind die Männer, die in der Bahn neben Lilli (der "schnellen" Bahn) kraulen und einen so miserablen Beinschlag haben, dass jedesmal ein Sturzbach auf Lilli niederregnet, wenn sie an ihr vorbeipreschen. Sehr brutal das, diese schiere, schlecht eingesetzte männliche Kraft, dieses Kämpfen gegen die Materie, fast ein Zweikampf zwischen Mann und Natur. Lilli hingegen will eins werden mit dem Wasser, spurenlos hindurchgleiten, als hätte sie einen Fischschwanz oder Schwimmhäute zwischen den Zehen...

Lilli hat keinen Fischschwanz, aber Lilli hat Beobachtungsgabe. Um 18 Uhr leert sich das Becken, denn dann geht der Kanadier abendessen. Und erst um 19 Uhr kommen die, die nach dem Essen noch eine Runde schwimmen, ins Bad. Deshalb schwimmt Lilli jetzt zwischen sechs und sieben relativ unbehelligt. Und meditiert.

Mittwoch, 20. Juli 2011

Lilli und die Phänomene der Natur

Nach fünf Jahren Birnbaum-Anschauen ist es Lilli endlich gegönnt, auf selbigem Baum auch tatsächlich Birnen wachsen zu sehen. Sie stellt zu ihrem Erstaunen fest, dass Birnen unmittelbar nach ihrer Geburt steil gen Himmel zeigen. Dann neigen sie sich langsam, als würden sie der Schwerkraft nur ungern nachgeben wollen, Tag für Tag etwas weiter nach unten. Inzwischen stehen Lillis Birnen auf 90 Grad und Lilli fragt sich, ob das wohl überall auf der Welt so ist? In Australien fliesst das Wasser doch auch andersrum in den Abfluss...

Dienstag, 19. Juli 2011

Das ist Kanada

Lilli hat die Wahl zwischen einem richtigen Passbüro in der Innenstadt oder einer Aussenstelle ganz in ihrer Nähe. Da es um den neuen Pass des kleinen Strolches geht, der zur Beantragung anwesend sein muss, und der Verkehr in die Innenstadt durch die Stilllegung gleich zweier Brücken zur Hölle auf Rädern geworden ist, wählt sie die geografische Nähe und Bequemlichkeit. Dort wird sie mit freundlichem Lächeln informiert, dass der neue Pass ihr spätestens in fünf Wochen zugeschickt wird. "Fünf Wochen", wiederholt Lilli entsetzt, die eher auf zwei Wochen Bearbeitungszeit eingestellt war. "Ja, das Passbüro in der Innenstadt garantiert den Pass in zwei Wochen, aber bei uns dauert es länger", sagt die Frau und lächelt noch einmal sehr freundlich. "Und wenn sie den Pass in fünf Wochen noch nicht haben, können Sie hier anrufen", und hält ihr ein Merkblatt mit einer Telefonnummer hin.

Vier Tage später erhält Lilli den neuen Pass per Einschreiben. Denn so ist Kanada: meistens funktioniert es wunderbar, nur versprechen will es keiner.

Montag, 18. Juli 2011

Lilli an der Karrierekreuzung

Der Kameramann gibt Lilli Anweisungen: "Du gehst ganz normal den Gang entlang auf mich zu. Du klopfst an der Tür, und wenn sie aufgeht, fragst Du, ob alles in Ordnung ist. Frau X bestätigt, dass es ihr gut geht. Du bist erleichtert, verabschiedest Dich und gehst wieder." Das erste Mal schreitet Lilli ganz gekonnt den Gang entlang und schafft es, neutral in mittlere Distanz zu schauen, bevor sie an die himmelblaue Tür klopft. Der Kameramann ist begeistert. Dann will er den ganzen Take noch einmal wiederholen, zur Sicherheit. Lilli geht zurück auf ihre Ausgangsposition, läuft los, bricht nach drei Schritten in grundloses Lachen aus. Der Kameramann schaut von der Linse hoch, rollt mit den Augen. Es ist Freitag nachmittag und er hat keine Lust, noch länger in einem brütendheissen Gang auszuharren. Er wird den ersten Take nehmen und Schluss. Lilli streicht "Filmschauspielerin" von ihrer mentalen Karriereliste.

Samstag, 16. Juli 2011

B-4, C-1, A-5...

Die letzten zwei Tage hat Lilli im Altersheim gegessen. Erst Tomatensuppe, Lachspastete (nun ja, Kartoffelpastete mit bisschen Lachs) mit Brokkoli, Rührkuchen mit Karamellsosse, dann Nudelsalat, Schweinebraten (an einem Freitag?), Kartoffel-und Karottenbrei, Karamellpudding. "Wenn ich jeden Tag so viel zum Mittagessen hätte, würde ich glatt zunehmen", stöhnt Lilli. "Das tun hier viele", erwidert der Koch stolz. Trotzdem sieht Lilli hauptsächlich schlanke Frauen um sich. Das viele Bingospielen scheint doch anstrengend zu sein.

Über Lilli

Laufen ist denken, manchmal auch überlegen, immer aber sich erneuern. Eine neue Sicht auf die Dinge erlangen, die uns bewegen. Laufen ist manchmal auch davonlaufen, für eine Weile wenigstens, bevor man wieder heimkommt zu Mann und Kindern, Wäsche und Kochtopf, zu den eigenen Macken und all den bunten Schnipseln, die ein Leben so ausmachen. Laufen ist das beste Beobachten, das es gibt.

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Zuletzt aktualisiert: 23. Mai, 03:27

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