
Wie singen sie beim Eishockey hier immer: Nanana-Na, Nanana-Na, hey hey hey, goodbye.
Lilli legt los - 7. Okt, 12:54
Die Schwester drückt einem die Papiere in die Hand und erklärt den Weg zum OP. Dann läuft man los: nur mit einem Kittel bekleidet, ohne Unterwäsche, ohne Uhr, ohne Ehering und ohne Brille. Ein nackter Wurm, den nur die Birkenstock-Hausschuhe als vage aus europäischem Raum stammend identifizieren. Unter dem Messer sind wir alle gleich, ein komplexer Inhalt aus Muskeln, Organen und Flüssigkeiten, durch Haut zusammengehalten und genauso reparierbar wie ein Schuh. "Kranksein ist nicht schön", fasst Lilli ihren 14-stündigen Aufenthalt im Krankenhaus zusammen.
Lilli legt los - 6. Okt, 17:34
Was man nicht alles findet, wenn man mit kleinen Strolchen am Computer Hausaufgaben macht! "Eine berühmte Persönlichkeit, die mich inspiriert" - und er sucht sich Beethoven aus.
Noch nie hat Lilli beim Hören der
Ode an die Freude so gelacht.
Lilli legt los - 2. Okt, 14:00
Sie haben also anscheinend alle so tolles Wetter grad in Europa. Hier aber regnet es und Lilli muss sich zwischen Hallenbad und Kuchenessen entscheiden.
Lilli legt los - 1. Okt, 16:32
"Jugendliche und ihre Beziehung zur Autorität", so hiess die Konferenz, die der Elternbeirat für die Eltern der Siebt-bis-Elftklässler anbot. Der Mann war ein Entertainer und wusste, wie man eine Zuhörerschaft für sich gewinnt: "Wieviele von Ihnen können behaupten, dass Ihr Kind seine Jacke aufhängt, wenn es von der Schule nach Hause kommt?" Zögerlich heben sich etwa fünf Prozent aller Hände. "Doch so viele!", sagt er ironisch und setzt hinzu: "Meine Damen und Herren, glauben Sie mir: Ihr Kind ist nicht normal." Befreit lachen die restlichen 95% des Publikums.
Lilli legt los - 1. Okt, 05:00
Wenn Lilli Monsieurs Schlüssel im Schloss hört, klopft ihr Herz schneller. Sieht sie sein Automodell im Strassenverkehr, dreht sie den Kopf. Fängt sie ein Lachen ein, das dem seinen gleicht (früher, als er noch so richtig lachte), sucht sie schnell die Köpfe ab, die die Menschenmenge um zehn Zentimeter überragen. Ist er in einer anderen Stadt und das Telefon klingelt, zuckt sie kurz zusammen. Kommt er aber zur Tür herein, genügt ein Blick auf seine traurigen Augen, um zu merken, dass er immer noch was durchmacht, was sie nicht verstehen kann. Dann pocht ihr Herz ein paarmal dunkel, bevor es wieder normalen Betrieb aufnimmt.
Lilli legt los - 30. Sep, 18:34
...sagte Scarlett O'Hara am Ende von "Vom Winde verweht" oder so ähnlich. Jedenfalls hat Lilli heute ein aufreibendes Projekt glücklich, pünktlich und allgemein in guter Qualität zu Ende gebracht und deshalb ihre ursprünglich auf letzte Woche angesetzte Operation auf kommenden Dienstag verschoben. Nach dem Stress im Büro und der Angst vor dem Eingriff liegt jetzt, wie ein Inselchen der Sorglosigkeit, das Wochenende. Wäre Lilli Meister im Hier-und-Jetzt, würde sie das so richtig geniessen.
Lilli legt los - 30. Sep, 18:30
"Aucune garantie sur le sexe", stand da in grossen Buchstaben an den Mäusekäfigen, in denen Männlein und Weiblein getrennt umherflitzten. Gern hätte Lilli das Schild mit nach Hause genommen und über ihr Bett gehängt, es konnte aber genausowenig käuflich erworben werden wie ein Wundermittel zur Aufpäppelung von Mäusewaisen. Von denen heute, am 9. Tag, auch die letzte in die ewigen Jagdgründe eingegangen ist.
Lilli legt los - 27. Sep, 18:09
Manchmal passiert es Lilli, dass sie besonders nett sein möchte, zum Beispiel dann, wenn sie das Gefühl hat, in letzter Zeit besonders nörgelig gewesen zu sein. Dann macht sie Crêpes zum Frühstück und vergisst jedesmal, dass sie diejenige ist, die Crêpes zum Frühstück toll findet. Die Strolche essen lieber Weissbrot mit Nutella, was Lilli dann gleich wieder nörgelig macht.
Lilli legt los - 27. Sep, 05:00
Grosser Strolch: Heute mussten wir 5 Minuten lang rennen und in zwei Wochen müssen wir 10 Minuten schaffen.
Lilli: Ach, und in welcher Zeit?
Grosser Strolch (irritiert): In 10 Minuten.
Lilli legt los - 26. Sep, 09:33
Die
Übermaus hat sich übernommen. Schon am Samstag abend war sie schwach und zittrig, wollte nicht mehr essen oder trinken und lag eher teilnahmslos über ihren Babys, die sich weiterhin blind um die Muttermilch balgten. 48 Stunden später lag sie tot vor ihrer Hütte. Was als nettes Abenteuer angefangen hatte, um dem kleinen Strolch eine Freude zu bereiten, ging nahtlos in Traurigkeit über, die, mit Entsetzen gepaart, in eine einzige Frage mündete: was macht man mit den Babys?
Nun, was macht man mit Babys, die keine Mutter mehr haben: man versucht, sie mit der Flasche grosszuziehen. Das war Lilli der Übermaus schuldig, wenn es auch genügend Kinder in Somalien gibt, die Milch nötiger haben als diese fünf gummibärchengrosse Geschöpfe. Der kleine Strolch kümmert sich mit grosser Geschicklichkeit um seine Kinder, kämpft aber mit gemischten Gefühlen, die er auf einem Abendspaziergang zwischen zwei Hüpfern erstaunlich präzise auf den Punkt brachte: "Fast wäre es mir lieber gewesen, sie wären gleichzeitig mit der Mutter gestorben. Jetzt muss ich weiter hoffen, dass sie leben, und werde dann doch nur noch mehr traurig, wenn wir sie nicht durchbringen." Hoffen und Bangen, so eng beieinander wie fünf Mäusebabys, die sich unter einer Schreibtischlampe aneinanderdrängen, um nicht zu frieren.
Lilli legt los - 22. Sep, 05:00
Lilli kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Als sie einem Kollegen bei einer Preisverleihung hilft, steht sie just an der Tür, durch die die Rollstuhlfahrer in den Saal gelangen. Und diese Rollstühle heutzutage: so lang wie ein Wohnmobil und so geräuschlos wie ein Augenaufschlag; es ist ein Wunder, wie gut die Leute damit umgehen können. Zu guter Letzt kommt noch eine blinde Frau im Rollstuhl, die genauso elegant wie alle anderen durch die enge Tür fährt und dabei ihren Blindenhund so selbstverständlich neben sich führt, als handele es sich um ihre Handtasche. Lilli denkt zum Glück daran, die Hand der Frau mit dem Programmheft zu berühren, anstatt es ihr lediglich unter die Nase zu halten, muss aber daran erinnert werden, ihr die Gewinnnummer vorzulesen: "Wissen Sie, ich bin blind", erklärt die Frau ganz freundlich, als hätte Lilli das nicht erahnen können. Lilli zieht eine Grimasse, die die Frau zum Glück nicht sehen kann.
Hinterher erfährt Lilli von ihrem Kollegen, dass alle Anwesenden im Saal Kandidaten für die Preisverleihung waren. Alle hatten am Wettbewerb teilgenommen und hofften darauf, ausgezeichnet zu werden. An einem GÄRTNERwettbewerb, wohlgemerkt. Auch die Rollstuhlfahrer. Und auch die blinde Rollstuhlfahrerin, die ihren Hund jedesmal zum Sitzen zwingen musste, wenn die Leute um sie herum zu laut klatschten.
Lilli legt los - 21. Sep, 05:00