Büffets sind toll, wenn es bedeutet, dass man sich soviel Brötchen und Butter nehmen kann, wie man will, anstatt davon ungenügsame Mengen, womöglich abgepackt, zugeteilt zu bekommen. Büffets sind auch in Ordnung, wenn man dadurch zwischen zwei Salaten oder Gerichten oder Nachtischen die Wahl hat, wo man sonst den Griesspudding mit Rosinen essen müsste.
Am Wochenende aber stand Lilli an einem Büffet, das an Auswahl und Erlesenheit so bombastisch daherkam, dass sie:
1. viel zu viele verschiedene Sachen gegessen hat;
2. mehr gegessen hat, als medizinisch empfohlen ist;
3. viel zu viel Räucherfisch, -fleisch und Käse ohne Brot in sich hineingestopft hat aus Angst, sich durch Brot den Appetit zu verderben;
4. mit Bedauern den Kindertisch, auf dem es interessante Pizzahappen und Kekse gab, links liegen lassen musste, um sich auf die edleren Dinge wie Ente und Avocado-Ravioli zu konzentrieren;
5. trotz grösster Anstrengung nicht alle Nachtische probieren konnte und so lustige Sachen wie grüne und lila Mandelmakronen, aber auch Gläser mit Wackelpuddingwürfel und Eistüten voller Schokomousse schmähen musste;
6. am Rande der Überkeilt mit dem Gefühl vom Tisch aufstand, doch nicht die besten Entscheidungen getroffen und so manche interessante Terrine, die frisch nach Geschmack zubereiteten Omelettes und, wie gesagt, den Kindertisch, verpasst zu haben.
Und das für den satten Preis von 47 $ pro Person. Traurig, traurig.
Lilli legt los - 3. Jun, 11:01
Die schottisch anmutende Englischlehrerin des grossen Strolches ist ja sowas von begeistert von ihren Kobos. "Die können die Schüler überall hin mitnehmen, da können sie in der Pause drin lesen, im Bus, zu Hause, it's sooo practical!" Manchmal aber gibt sie die Kobos den Schülern nicht mit, weil sie sie für eine andere Klasse braucht. Was auch nicht weiter schlimm ist, denn "die Schüler haben heute ja alle ein iPhone oder iPad, don't they, da können sie direkt drauf weiterlesen".
Der grosse Strolch hat aber kein iDing, wie wär's deshalb mit einem Buch aus Papier? Auch das kann man schliesslich wunderbar überall hin mitnehmen, und es funktioniert sogar ohne Batterie. Aber Lilli schlägt es nicht vor. Nicht aus Feigheit oder aus Angst, als Dinosaurier zu gelten. Sie weiss, dass der grosse Strolch in der Schule ab September einen Dell Lattitude 10 bekommen wird. Darauf ist er schon ganz scharf. Dann kann die Englischlehrerin ihre Kobos wieder einstecken.
Lilli legt los - 31. Mai, 18:04
Liebe Eltern von zwei Kindern,
Manchmal scheinen Sie bei all den Aktivitäten, die Ihre Kinder Ihnen aufhalsen, eine kleine Offensichtlichkeit zu verdrängen: sie haben ZWEI Kinder. Nun sagen Sie vielleicht, "Wie kann ich das verdrängen, schliesslich habe ich sie ständig UM MICH HERUM", aber genau da schnappt die Falle zu: Sie sind so mit Ihren Kindern und dem Feuerwerk an Terminen beschäftigt, dass Sie nur mit dem Strom schwimmen, um nicht unterzugehen, sich aber nirgends festklammern, um kurz zu verschnaufen und sich zu überlegen, was eigentlich hier vor sich geht. Da muss der Grosse zum Football, der Kleine zum Zahnarzt, Sie selbst müssen zum Friseur (vergessen Sie's). Der Grosse hat noch Hausaufgaben, der Kleine ein Gruppenprojekt und ein Gespräch in der Schule (oups?), der Grosse hat Kummer mit dem Freund und der Kleine liest nur Comics. Zwischendrin versuchen Sie, den Kindern verschiedene Handlangerdienste abzuwringen, da muss die Spülmaschine ausgeräumt und schmutzige Socken von der Treppe gekratzt und gewaschen werden. Vor zwei Jahren haben Sie dem Grossen aufgenötigt, den Rasen zu mähen, und wenigstens das klappt einigermassen. Und genau HIER setzt mein Ratschlag (na endlich) an: haben Sie vergessen, dass Sie ein zweites Kind haben, das jetzt genauso alt ist wie der Grosse, als der damals mit Rasenmähen anfangen musste? HA! Geben Sie es zu, Sie haben ihn vergessen. Der Kleine muss immer weniger machen als der Grosse - Sie ziehen ihn so mit, ohne ihn genauso an Verantwortung zu gewöhnen wie den Grossen. "Er ist doch erst 12", sagen Sie sich, obwohl Sie beim Grossen damals gesagt haben: "Du bist jetzt schon 12". Ja, ja. Sie schlimme Eltern, Sie.
Kurz, Lilli hat gestern dem kleinen Strolch den Rasenmäher in die Hand gedrückt und ihn seine Bahnen ziehen lassen. Er tappste los, in Schlangenlinien zwar und unsicher, ob es positiv zu bewerten sei, plötzlich wie ein Grosser behandelt zu werden, aber auch stolz, jetzt wie ein Mann mit gefährlichen Maschinen umzugehen. Um den Baum herum liess er etwa 20 cm Gras stehen, aber das kann er das nächste Mal besser machen.
Lilli legt los - 29. Mai, 10:37

Seit der kleine Strolch Baseball spielt, kommt sich Lilli vor wie in einem amerikanischen Film. Jede Sekunde rechnet sie damit, dass sich Clint Eastwood neben sie setzt und so kernige Sachen sagt wie: "See the ball, hit the ball" oder "Three strikes and your out, kiddo". Ach nein, das letztere war aus Calvin & Hobbes. Trotzdem, ein ganz neues Vokabular tut sich ihr auf. Ausserdem: im Gegensatz zum Eishockey, dessen Finessen sie inzwischen kennt, gibt es beim Baseball keine durchgehende Action auf dem Spielfeld. Lange Minuten verstreichen, ohne dass das Spiel so recht vorangeht, während der Ball geworfen, aber nicht geschlagen wird. Die Versuchung, die Nase in ein Buch zu stecken, ist riesig, doch kaum hat Lilli eine halbe Seite gelesen, macht es auch schon "Plock" und ein aufgeregtes Raunen geht durch die Zuschauer. Lilli schaut hektisch auf, klemmt die Augen zusammen, um den winzigen Ball so schnell wie möglich auszumachen, verschiedene Spieler rennen gleichzeitig in alle Himmelsrichtungen und ohne, dass Lilli den Grund ausmachen könnte, seufzen am Ende alle enttäuscht auf oder jubeln Beifall. "HomeRUN!", schreit ihr Monsieur ins Ohr, und es scheint etwas Positives zu sein, zumindest, wenn es der richtigen Mannschaft passiert. Lilli nimmt den Finger aus dem Buch, um applaudieren zu können.
Lilli legt los - 22. Mai, 10:51
Lillis Küchenradio, das sie zu Weihnachten geschenkt bekommen hat, zeigt "Good Bye" an, wenn sie es ausschaltet. Zuerst fand sie das ausgesprochen nett und höflich - eine Maschine, die gute Manieren hat, das ist doch toll! Bis ihr auffiel, dass es nicht auch "Hello" anzeigt, wenn sie es einschaltet. Das nimmt sie der Maschine jetzt übel, diese halbe Höflichkeit, diese halbherzige Art, dieses Sich-nicht-zu-sehr-anstrengen-Wollen. JA, WO SIND WIR DENN HIER? Warum nur um alles in der Welt gibt sich ein Programmierer die Mühe und programmiert EINE EINZIGE Höflichkeitsfloskel??? Es gibt Tage, da nimmt Lilli das der Maschine wirklich krumm.
Lilli legt los - 19. Mai, 12:33
Heute hat Lilli ein Murmeltier gesehen, eine Iris, den Mann von Calder und den Leuchtturm des Kosmos. Und das alles vor 8 h 30 morgens! Seit sie entdeckt hat, dass sie mit dem Fahrrad ins Büro fahren kann, ist ihr Weg zur Arbeit unglaublich bunt geworden.
Wie wäre es, das mal zu fotografieren? So als Stöckchen? Lilli hat noch nie eins geworfen, aber jetzt hätte sie Lust dazu...
Lilli legt los - 17. Mai, 18:27
Warnung: Anthroposophen bekommen in diesem Badezimmer Alpträume.

Jetzt muss Lilli nur noch rechteckiges Duschgel finden.
Lilli legt los - 16. Mai, 17:37
Monsieur hat sich angestrengt und mit den Strolchen zusammen Muttertag vorbereitet. Es gab Blumen, eine Karte und ein Buch, Frühstück in einer leicht schmuddeligen Imbissbude, die nicht grösser als ein Kleinbus, dafür aber wie eine Sauna beheizt war, hinterher etwas Zeit für Lilli, die sie doch, beknackt wie sie manchmal sein kann, zum Badputzen genutzt hat, und zum krönenden Abschluss einen langen Spaziergang im Wald. Für den sich Lilli jetzt ein Jahresabo (32 $) gekauft hat mit dem guten Vorsatz, jeden Monat mindestens einmal dort zu laufen. Abends sassen sie zu viert auf dem Sofa, die acht langen Beine nebeneinander auf dem Wohnzimmertisch aufgestützt, und sahen sich auf Youtube an, wie ein Otter Basketball spielt.
Lilli war rundum zufrieden.
Lilli legt los - 13. Mai, 11:30