Manchmal kommt Lilli sich vor wie ein Dinosaurier. Sie scheint weit und breit die Einzige zu sein, die es mit Unbehagen sieht, wenn ihre Strolche mehr als eine Stunde pro Tag am Computer zubringen. Sie findet Computerspiele fast ausschliesslich intellektuell unergiebig und sieht darin keinerlei Nutzen für ihre Kinder. Jeder andere Zeitvertreib - Lesen, Skateboardfahren, Poker spielen - kommt ihr sinnvoller vor als das wiederholte Tippen auf Tasten, um Labyrinthe zu meistern oder Zombies zu töten. Sie versteht nicht, warum Kinder in den Ferien mit dem Nachbarsjungen skypen, anstatt sich zu treffen. Sie versteht nicht, warum die Freunde des kleinen Strolches bis zwei Uhr morgens am Computer, der übrigens im Kinderzimmer wohnt, spielen dürfen. Warum deren Eltern Call of Duty kaufen. Warum diese Kinder ein iPhone haben müssen, selbst wenn sie die monatlichen Kosten (bis zu 25 $ !?!) selbst tragen - was haben denn die überhaupt für Taschengeld, wenn sie monatlich so viel Geld ausgeben können? Beim Abendessen kämpft Lilli mit allen Mitteln, um für das "richtige Leben" zu plädieren. "Richtig" Tennis spielen ist anders als Tennis auf der wii, da spürt man das Gewicht des Schlägers und muss seine Länge abschätzen können, da fühlt man den Wind, riecht den Boden und der aufspritzende Sand kitzelt in der Nase. Wer denkt, ein Computerspiel könne all das ersetzen, wird bald zum menschlichen Krüppel. Wie sollen Kinder die Mimik ihres Gegenübers einschätzen können, ironische Untertöne heraushören oder Sarkasmus erkennen können, wenn sie das Miteinander nicht von klein auf üben? Wenn sie nur noch per Computer miteinander umgehen? Der kleine Strolch lacht über die Nerds in Big Bang Theory - haha, wie unbeholfen die sind, wie lächerlich! - und ahnt nicht, dass er später mal von genau solchen Leuten umgeben sein wird. Leute, die eine Anstecknadel mit einem Smileyface am Revers tragen müssen, um darauf zeigen zu können, wenn sie einen Witz machen...
Lilli legt los - 7. Aug, 10:03
"Wäsche gewaschen, im Freibad 32 Bahnen geschwommen, gespült", zählt Lilli auf, was sie am Nachmittag so alles gemacht hat. "Wieso gespült?", fragt der kleine Strolch. "Der grosse Strolch und ich haben doch erst gestern gespült!" Lilli schaut ihn mit grossen Augen an. "Ja, da war tatsächlich schon wieder schmutziges Geschirr." "Pfff", sagt der kleine Strolch, "man könnte ja fast meinen, dass das jeden Tag aufs Neue gemacht werden muss...."
Lilli legt los - 5. Aug, 09:52
Manchmal wird Lilli gefragt, was sie denn so typisch deutsches kocht. "Maultaschen", sagt sie dann und beschreibt umständlich mit Spinat und Hackfleisch gefüllte Teigtaschen, "so ähnlich wie grosse Tortellini". Manchmal sagt sie auch generalisierend "Fleisch in Wein-Sahne-Sosse", was (zumindest bei Lillis Mutter) sowohl Gulasch als auch Putengeschnetzeltes und Rinderbraten umfasst. Nach häufig wiederkehrenden Gewürzen gefragt sagt sie "Zwiebeln und Champignons" und Spätzle beschreibt sie als kurze hausgemachte Nudeln, worunter sich keiner etwas vorstellt, was dem eigentlichen Gegenstand auch nur entfernt das Wasser reichen könnte. "Und ich dachte, die Deutschen essen Sauerkraut", sagte gestern ein Fussballvater. Das wäre Lilli spontan nicht eingefallen. Wenn Lilli Sauerkraut macht, essen die restlichen Mitglieder ihres Haushaltes Spaghetti.
Lilli legt los - 1. Aug, 18:09
Im Sommer hat man plötzlich Zeit für Dinge, die sonst zu kurz kommen. Es liegt daran, dass die Tage länger hell sind, was sich direkt auf den Energiehaushalt der menschlichen Seele auswirkt. Mehr Sonne, mehr Leben - im Sommer will man plötzlich die Tage nicht nur in ihrer ganzen Länge leben, sondern auch so viel Breite wie möglich hineinstopfen (oder herausquetschen, je nachdem). Und während sich jetzt schon die Zeichen des nahenden Herbstes mehren - gestern kam ein Paket mit neuen Schulbüchern für den grossen Strolch an, ziemlich wenig Papier für so viel Geld übrigens - hält man sich besonders gern an Kleinigkeiten auf, die ähnlich wie Gummibären bunt und süss schmecken, ohne eine richtige Mahlzeit ersetzen zu wollen. Zum Beispiel hat sich Lilli vor kurzem einen neuen Badeanzug gekauft, da ihr wieder einmal klar wurde (irgendwo zwischen der 27. und der 28. Bahn), wie gern sie schwimmt. Ausserdem löste sich ihr alter Badeanzug an mehreren entscheidenden Stellen auf, was den Kauf darüber hinaus noch schön rechtfertigte. Jetzt hat sich Lilli aber nicht nur irgendeinen banalen Schwimmanzug gekauft, sondern ein wahrhaft stromlinienförmiges Modell mit eingebauten
Feuerstreifen, die sie praktisch von allein durchs Wasser peitschen werden. Und die Kleinigkeit, für die sie nur Zeit hat, weil jetzt gerade Sommer ist und ihr der Sinn nach lustig steht? Nun, sie sucht nach einem Raumschiff-Enterprise-Logo zum Aufbügeln.
Lilli legt los - 31. Jul, 10:04
Was machen die Strolche im Moment? Nix. Dieses Jahr wollten sie nicht das kleinste bisschen Daycamp machen, sondern mal so richtig faulenzen. Sie stehen spät auf, spielen ein bisschen am Computer, frühstücken zur Mittagszeit und verschwinden nachmittags mit ihrem Skateboard zu Freunden. Lilli ist hin- und hergerissen zwischen geschäftiger Empörtheit über so viel Nichtstun ("Zeitverschwendung!") und gönnerhaftem Laissez-faire. Aus Energiespargründen entscheidet sie sich aber für Letzteres. Tage, die einfach so dahinplätschern, ohne Stundenplan und Pflichten - das gehört schliesslich zum Kindsein dazu.
Nein, das ist der wahre Kern der Kindheit, ihre simpelste Definition.
Lilli legt los - 29. Jul, 11:29
Der Lilli'sche Haushalt hat eine neue Kultserie: wenn abends gerade kein Baseballspiel ansteht, wird "Justified" geguckt, ein Gegenwartswestern, der einem viel über seelische Abgründe, unmoralische Väter und die Hobbies der Leute in Kentucky beibringt. Während der obercoolen Anfangsmusik (hören Sie sich
DAS mal an!) nicken Monsieur und die Strolche rhythmisch mit dem Kopf und schauen düster, und der kleine Strolch deklamiert am Ende "Justifaaaaaaaaaad" mit einem immer besser werdenden Südstaatenakzent. U.S. Marshal Raylan Givens hat die Situation im Griff, darüber sind sich alle einig, und Lilli legt sich schon mal seine geniale Rechtfertigung "It seemed like a good idea at the time" zurecht, sollte ihr mal wieder irgendjemand irgendetwas vorwerfen wollen. Und der fürchterliche Cowboyhut, der ihn stets begleitet? Nun, er macht die Figur ein kleines bisschen lächerlich, und gerade dadurch ach so menschlich, dass man plötzlich geneigt ist, ihm seine Pistolenschüsse (alle "gerechtfertigt", selbstverständlich!) verzeihen zu wollen. Nicht unbedingt eine Serie, die man gesehen haben muss, nach ein paar Folgen zum Eingewöhnen aber ein grosser Spass. Blutig auch, schliesslich IST es ein Western.
Lilli legt los - 26. Jul, 23:11
Auf dieser kleinen Insel im Atlantik, ganz im Osten von Kanada, ist der Boden rot...
... und die Farbe des Hauses auf keinen Fall so wie die des Nachbarn:
Hübsch war das. Ganz unerwartet hübsch und heiss.
Lilli legt los - 22. Jul, 12:02
Boston kann man wunderbar zu Fuss besichtigen, aber das neueste Ding geht so:

Lilli legt los - 19. Jul, 09:37