Mitmenschen

Freitag, 7. Februar 2014

Lilli und die freudige Botschaft

Lillis Lieblingsfriseuse ist schwanger. "Mist", denkt sich Lilli, bevor sie ihr gratuliert.

Montag, 3. Februar 2014

Wo du hingehst...

Beim traditionnellen Fingerfood-Festival, zu dem Monsieur eine Schar von Freunden (und dieses Jahr auch Freunde des grossen Strolchs) einlädt, um gemeinsam den Superbowl anzuschauen, setzt sich Lilli aufatmend zu einem Paar an den Tisch. Sie hatte den Grossteil des Nachmittags mit Gemüse schnippeln, Hähnchen panieren und Kekse backen zubebracht, jetzt kann sie vielleicht selbst was essen. Schnell kommt die Rede aufs Reisen und auf das Glück, das die Europäer haben, so zentral zu den unterschiedlichsten, aber gleichsam begehrenswerten Reisezielen zu wohnen. Der Mann erzählt, dass sie den Traum hegen, für ein paar Jahre nach Europa zu ziehen. "Nein, das ist nicht mehr unser Traum", fällt ihm da seine Frau ins Wort. "Wenn wir wohin ziehen, dann wahrscheinlich, weil ich versetzt werde, nicht du." Lilli schiesst durch den Kopf, dass Monsieur erzählt hat, dass der Mann vielleicht seine Stelle verliert, dass die Firma schliesst. Die Frau fährt fort, zu Lilli gewandt: "Ich könnte vielleicht nach Chicago gehen oder nach Toronto, dort haben wir Zweigstellen." Der Mann verzieht das Gesicht. "Ich gehe nicht nach Toronto", meint er, "Toronto sucks". "Dann geh ich allein und komm dich alle zwei Wochen besuchen", erwidert seine Frau. Sie lächelt dabei, aber Lilli hat nicht den Eindruck, dass sie scherzt. Hier ist ein Machtkampf zugange, und diese Unterhaltung findet nicht zum ersten Mal statt. "Dann kauf ich mir einen Hund", sagt der Mann und trinkt sein Rotweinglas leer. "Ich glaub, du hattest jetzt genug Wein", meint seine Frau. Lilli beisst verlegen in ihr Hühnchen.

Freitag, 31. Januar 2014

Katzenjammer

Manchmal findet Lilli es irre toll, eine Familie zu haben. Nehmen wir zum Beispiel den Mittwochabend, an dem Lilli den grossen Strolch samt Freund zum Hockeytraining fährt und selbst im Schwimmbad nebenan Bahnen schwimmt. Kurz nach 22 Uhr sind sie wieder zu Hause, hungrig wie die Wölfe. Lilli setzt sich vor den Fernseher und schaufelt Spinatmaultaschen in sich rein. Der kleine Strolch kommt zu ihr und erzählt ihr ausgiebig von seinem Basketballspiel und dem Tag in der Schule, um den Zeitpunkt des Ins-Bett-Gehens hinauszuschieben. Monsieur kommt nach Hause und muss seine Ladung Frust loswerden. Der grosse Strolch streicht sich ein paar Brote und kommentiert sein Hockeytraining. Der kleine Strolch, der schon längst mit Abendessen fertig ist, bekommt wieder Hunger und sucht nach Resten. Er bringt Kekse und Schokolade aus der Küche, über die alle herfallen. Dann muss der grosse Strolch seinem Vater noch zeigen, was er alles auf der Gitarre gelernt hat, seit er am Nachmittag Rocksmith installiert hat. Um halb zwölf geht Lilli als erste ins Bett und lässt die Strolche das ganze Essen wegräumen.

Lillis kinderlose Kollegin, die am selben Abend schwimmen war, meinte am nächsten Tag nur: "Als ich nach Hause kam, schlief mein Freund schon und die Katze hatte gespuckt."

Montag, 27. Januar 2014

Da ist keiner

Als Fremder im Ausland fehlt einem einfach manchmal einer, mit dem man über die gleichen Sachen lachen kann. Zum Beispiel, wenn die Kollegin was über Reparaturen erklärt und dabei die Hände hält wie Angela Merkel. Da prustet man kurz, blickt belustigt um sich und sucht nach einem Komplizen, mit dem man ein Augenzwinkern austauschen könnte, und merkt: da ist keiner.

Samstag, 18. Januar 2014

Ein Buch zum Augenöffnen

Am Flughafen hatte Lilli auf gut Glück "Die unwahrscheinliche Pilgerreise von Harold Fry" gekauft, ein Buch über einen Mann, der auszieht, um eine frühere Kollegin vor dem Krebstod zu retten, dabei aber eher mit sich selbst ins Reine kommt. Von Gefühlen ist die Rede, und zwar von denen, die auf dem Grund unserer Seele in einem Knäuel liegen und sich im Lauf der Jahre mit Erinnerungsfetzen so verheddert haben, dass man sie kaum benennen noch verdauen kann. Im Laufe seiner langen Reise kommen diese Gefühle wieder in Harold hoch, der in seiner bescheidenen Art und aufgrund seiner englischen Erziehung herzlich schlecht damit umzugehen weiss. Noch selten hat Lilli ein Buch gelesen, dass so beredt die Sprachlosigkeit und Unbeholfenheit ausdrückt, mit der man oft sich selbst gegenübersteht - und natürlich auch den Menschen, die uns umgeben. Trotzdem ist es kein deprimierendes Buch, ganz im Gegenteil. Lilli fand es so berührend, dass sie mit dem Gedanken gespielt hat, es in der Montrealer Metro auszusetzen, damit es auch anderen Leuten zugute kommt. Natürlich aber wird sie es behalten, um es später einmal wieder lesen oder einem Strolch ins Bett schmuggeln zu können.

Freitag, 17. Januar 2014

Grün, grün das Gras

"Manchmal wäre ich gerne Hausmeister", sagt Lillis Kollege. Er erzählt von Schlafstörungen, die auch nach 7 Jahren Berufserfahrung im gleichen Job auftreten, weil er nachts an seine Projekte denkt und zu regeln versucht, was am Tag auf seinem Schreibtisch liegengeblieben ist. "Als Hausmeister würde ich den Gang putzen und wenn der Gang sauber ist, Feierabend machen. Ich würde nachts nicht aufwachen und mir überlegen, ob ich die Ecke lieber so oder so hätte wischen sollen. Ich würde mir kein Stückchen Gang mit nach Hause nehmen, um es abends, wenn die Kinder im Bett sind, sauberzumachen, oder morgens früher anfangen, weil der Gang an dem Tag länger und komplizierter sein könnte als an anderen Tagen. Der Gang hätte keine eigene Meinung darüber, wie er geputzt werden sollte, und ich würde nie mit ihm streiten oder auf ihn warten müssen", erklärt der Kollege. "Aber bedanken oder dir auf die Schulter klopfen würde der Gang dir auch nicht", versucht Lilli ihn zu trösten, obwohl sie genau versteht, was er meint. "Nun, das tun hier auch nur wenige", entgegnet er und zuckt mit den Schultern.

Montag, 13. Januar 2014

Zurückkommen nach Kanada

Beim Zurückkommen gibt es so ein paar Momente, wo man das Zuhause mit kritischen Augen ansieht, die sich zwei Wochen lang an deutschen Infrastrukturen laben konnten. Da kommt einem der eigene Wäscheständer plötzlich arg wackelig vor, da ärgert man sich aufs Neue über den Parkplatz am Sportzentrum, der keinerlei sichere Wegstrecken für Fussgänger vorgesehen hat und sieht kritisch auf die Salzränder, die seit Jahren schon fleissig die Betonstufen der Eishalle zerfressen. Dann aber trudeln die anderen Eltern der Eishockeyspieler ein, wünschen ein frohes neues Jahr, nehmen einen in den Arm, fragen nach der Deutschlandreise und dem Gesundheitszustand von Lillis Eltern und erzählen selbst von Familientreffen und Silvesterfeiern. Die dadurch entstehende Wärme muss wohl den Blick etwas trüben, denn die Deutschlandbilder werden unscharf, während man gleichzeitig immer froher wird, wieder bei den Leuten zu sein, die man sich ausgesucht hat.

Samstag, 11. Januar 2014

Internationales Geschwindigkeitslimit

Wenn kurz hinter Bad Cannstatt auf der B14 plötzlich alle Leute 40 fahren, liegt das entweder daran, dass Schilder mit der Aufschrift "Luftreinhaltung" dazu auffordern oder dass die Ampeln bei 40 km/h auf Grün geschaltet sind. Ach ja, und Radarkontrollen gibt es natürlich auch. Diese Sprache verstand Monsieur dann plötzlich.

Dufte

Noch was war in Deutschland auffällig, zumindest im Haushalt von Lillis Eltern: es werden gerne Produkte mit Parfüm gekauft, wo in Nordamerika Seifen, Bodylotions u.Ä. vermehrt ohne Duftstoffe angeboten werden. Die Handwaschseife im deutschen Klo zum Beispiel roch so appetitlich nach Aprikose mit Sahne, dass Lilli sich zurückhalten musste, um sie nicht von den Fingern zu lecken.

Mittwoch, 8. Januar 2014

Lillis fährt nach Deutschland

Lilli war zwei Wochen lang in Deutschland, was mindestens fünf Tage zu lang war. Es ist nicht einfach, als Erwachsene zurück zu seinen Eltern zu kommen und dort wieder Kind sein zu müssen, das zwar nicht kochen, aber Tischdecken darf und dem man lieber die Unterwäsche wäscht, als das Spezialprogramm der Waschmaschine zu erklären. So ein Zurückkommen ist immer eine Achterbahn der Gefühle, wobei Lilli noch nie gerne Achterbahn gefahren ist und Gefühle, mit viel Gutsle und Saitenwürstchen gemischt, dick machen. Es war warm in Deutschland und trübe, was das Autofahren leichter macht als in Montréal im Moment, das Spazierengehen aber erschwert. Lilli hat neue Wörter gelernt: schranktrocken, lendenlahm und - ganz oft gesehen - barrierefrei. Wobei nicht nur Schwimmbäder neuerdings barrierefrei sind, sondern auch Museumsbesuche, womit auch gemeint sein kann, dass es eine Führung für Hörgerätträger gibt oder eine in vereinfachtem Deutsch für Einwanderer. Es gibt aber auch ganz viele englische Ausdrücke, die Lilli sauer aufstossen, da in Montréal Englisch gesetzlich verboten wird, um die französische Sprache vor dem Aussterben zu bewahren. Sale, Fashion, Beauty, Fun - muss das alles auf Englisch gesagt werden? Anscheinend ja. Andererseits fällt Lilli auch Positives auf: wie durchdacht die Deutschen den ihnen zur Verfügung stehenden Raum nutzen, was manchmal seltsame Balkon- oder Parkplatzgrundrisse gibt, immer aber den Menschen zugute kommt. Wie qualitativ hochwertig die angebotenen Nahrungsmittel sind, Brot natürlich inklusive, ohne besonders teuer zu sein. Wie hübsch sich die Dörfer in die Landschaft schmiegen, ohne von Autobahnen durchschnitten zu werden. Wie viele Cafés es in einer Stadt geben kann, in denen es ausser Muffins auch noch Zwetschgenkuchen mit Streuseln gibt, und natürlich Sahne. Der absolute Hit: wie weich und dick das deutsche Klopapier ist! Ah, der Genuss.

Letztendlich aber war es beruhigend, sich auf sein Zuhause zu freuen und festzustellen, dass es tatsächlich das Zuhause ist, so fremd es auch vor zwanzig Jahren anmutete.

Über Lilli

Laufen ist denken, manchmal auch überlegen, immer aber sich erneuern. Eine neue Sicht auf die Dinge erlangen, die uns bewegen. Laufen ist manchmal auch davonlaufen, für eine Weile wenigstens, bevor man wieder heimkommt zu Mann und Kindern, Wäsche und Kochtopf, zu den eigenen Macken und all den bunten Schnipseln, die ein Leben so ausmachen. Laufen ist das beste Beobachten, das es gibt.

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Zuletzt aktualisiert: 23. Mai, 03:27

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