Mitmenschen

Freitag, 25. Mai 2012

Eine Frage der Perspektive

Eine Freundin von Lilli meldet sich nach langer Funkstille per e-mail. Funkstille nur deshalb, weil die Freundin sehr beschäftigt ist und Lilli auch. Ein paarmal schon haben sie versucht, sich zu treffen, und keinen Termin vereinbaren können. Komischerweise ist die e-mail aber auch noch an 8 andere, Lilli teils unbekannten Damen adressiert, und geht in etwa so: " Ich habe lange nichts von mir hören lassen, was aber nicht heisst, dass ich nicht an Euch denke. Mir geht es gut und zum Glück habe ich vor ein paar Monaten erfahren, dass ich nicht das Gen trage, das bei meiner Schwester und meiner Mutter Brustkrebs verursacht hat. Trotzdem will ich die Krebsforschung finanziell unterstützen und bitte Euch, das auch zu tun, indem ihr mir einen Scheck schickt, den ich dann zur X-Veranstaltung zugunsten der Krebshilfe mitnehme."

Ja. Nun. Sehr richtig und auch wieder irgendwie falsch, Freundschaft und gute Zwecke so zu verbinden. Freundschaft sollte zweckfrei sein, andererseits sind Freunde ja aber dazu da, helfend einzuspringen, wenn Hilfe erfordert wird. Schliesslich entscheidet Lilli, dass es ihr tausendmal lieber ist, der Freundin einen Scheck zu schreiben, als ihr einen Riesenblumenstrauss ans Krankenbett zu bringen.

Dienstag, 22. Mai 2012

Lillis Filmfestival

Ein langes Wochenende fängt am besten mit einem Besuch im Videoclub an. Da Lilli in letzter Zeit viele von Männern ausgesuchte Film sehen musste, in denen die Handlung, so vorhanden, nur den Vorwand für Verfolgungsjagden, Kämpfe, Kriege und viel Geschrei liefert, gestattete sie sich einen emotionalen Dreierpack, der es in sich hatte: The Descendants (mit George Clooney, hervorragend), Extremely loud and incredibly close (mit Max von Sydow, hervorragend) und The Help (mit Jessica Chastain und Emma Stone, hervorragend). Nuancierte Gefühle, die sich durchaus widersprechen können, intelligente Leute, Kinder mit Macken und Mut - so ist Kino grosses Kino. Das auch Männern gefallen kann, doch doch.

Freitag, 20. April 2012

Mit links

Warum haben die jungen Mütter mit ihren Jogger-Kinderwagen so starke linke Handgelenke? Weil sie rechts ihr Handy halten.

Freitag, 13. April 2012

Wie bitte?

Der Herr im Anzug, der neben Lilli im Zug sitzt, hält einen Notizblock mit liniertem Papier in der Hand. Er zückt einen Kugelschreiber, zögert ein bisschen, schreibt schliesslich "Comment?" in die linke obere Ecke. In den elf Minuten, die Lilli neben ihm sitzt, malt er ein streichholzschachtelgrosses Rechteck in die Mitte des Blattes, fährt gedankenvoll an den Linien entlang, um sie noch schwärzer zu färben. Sonst schreibt er nichts.

Lilli kann ihn gut verstehen. Sie fragt sich auch manchmal "Wie denn nur?", und findet keine Antwort. Aber das Fragen an sich reicht völlig.

Montag, 9. April 2012

Lilli und die Wege des Herrn

Die Osterwache war bombastisch, was den kleinen Strolch nicht davon abgehalten hat, wieder nach der Hälfte auf Lilli einzuschlafen. Inzwischen ist er so lang, dass er dazu die halbe Kirchenbank braucht, was weiterhin keinen Aufruhr verursachte, da die Kirche eher leer war und an Bänken kein Mangel herrschte. Hinterher wurde die Gemeinde noch zu Keksen, Saft und Geplänkel mit den Dominikanermönchen eingeladen, was Lilli zum Anlass nahm, nach dem Abt zu fragen, der sie damals auf die Trauung vorbereitet hat. "Abbé C. hat uns letztes Jahr verlassen", erwidert der weisshaarige, in weisser Kutte gekleidete Mönch, der in dieser Antwort so viele Zwischentöne mitschwingen lässt, dass sich Lilli geradezu zum Nachhaken aufgefordert fühlt. "War er denn krank?" "Nein, nein, es geht ihm gut. Er lebt mit einer Frau zusammen, die er kennengelernt hat, als er an der Uni unterrichtete", erklärt der Mönch und klingt fast amüsiert. Lilli, die Geschichten mag, in denen Leute ihr Leben total umkrempeln, ist beeindruckt. Abbé C. ist 72 Jahre alt.

Samstag, 7. April 2012

Zwei Seelen wohnen ach

Nach dem Wunsch nach Einkehr und Stille keimt der nach Oberflächlichkeit auf, als gälte es, hier bloss schnell wieder ein Gleichgewicht zu schaffen. Am besten geht dies mit Tyra Banks und ihren Topmodels, die Donnerstagabends über den Bildschirm flimmern. Sogar die Strolche sind noch auf und stimmen kräftig mit ab, wer denn nun die Hässlichste ist. Der Zufall will es, dass die Saison gerade erst los geht und die Mädels von 30 auf 20, dann auf 13 ausgesiebt werden müssen. Und obwohl sie alle auf den ersten Blick hübsch sind, manche auch geradezu umwerfend, spielt man schnell das Spiel mit, schüttelt die Wahre-Schönheit-kommt-von-innen-Skrupel ab und schlüpft in die Haut der Richter, die hier einen schlabbrigen Oberarm, dort ausdruckslose Augen oder zu kräftige Wangenknochen beanstanden. Eine junge Frau hat einen Zwischenraum zwischen den Schneidezähnen, der sofort auf heftigste Kritik stösst. "Ein Abstand wie ein Scheunentor", meint der grosse Strolch, während Monsieur gar von einem "Tagesmarsch" spricht.

Hinterher, beim Zähneputzen, nimmt Lilli die Brille ab, um nicht etwa in den Spiegel blicken zu müssen.

Freitag, 30. März 2012

Lillis neues Haus

Hier ist es:
http://www.epeladeau.com/fr/nouveautes/8729157/3841_rue_le_corbusier.html#photos

Haha, humhum. Was Lilli aber trotzdem gerne wissen würde: was ist das viereckige Ding bei denen im Garten?

Montag, 26. März 2012

Lilli frönt

Lilli hat ein neues Interessengebiet. Das heisst, neu ist es nicht, nur geht sie ihm seit ein paar Wochen mit grosser Ausdauer nach. Es heisst: anderen Leuten in die Wohnung gucken. Anders ausgedrückt sucht Lilli im Internet nach einer Eigentumswohnung und findet es herrlich, dabei die Möbel, Tapeten und Grünpflanzen ihrer Mitmenschen aus nächster Nähe betrachen zu können. Was es da nicht alles gibt: lindgrüne Küchen, lila Klos mit Pfauen an der Wand, theatralische Bäder mit Mahagonibadewannen und Samtvorhängen. Monsieur nennt das "Porno für Frauen" und kann nur begrenzt nachvollziehen, warum Lilli dieses Bespitzeln so immens interessant findet. Ist es das Vergleichen mit anderen, bei dem man hofft, besser abzuschneiden? Das Entdecken anderer Lebensstile, von denen man vielleicht dazulernen könnte? Das heimliche Träumen von einem anderen Leben, in einer anderen Haut, das man vielleicht hätte haben können, wenn man an ganz bestimmten Momenten im Leben anders entschieden hätte? Was es auch sei, es treibt Lilli dazu, sich durch zahllose Fotos von Sitzgarnituren, Einbauküchen und Kinderzimmer zu klicken. Mehrere soziologische Phänomene fallen ihr dabei ins Auge:

1. Seit dem Jahr 2000 braucht der Mensch zwei Bäder.

2. Beige Polstermöbel sehen nie gut aus, haben aber trotzdem in erschreckend viele Wohnzimmer Einzug gehalten. Der Sieg des Neutralen über den Geschmack.

3. Es gibt mehr wandfüllende Regale, die von oben bis unten mit CDs bestückt sind, als Regale mit Büchern.

Und noch was: Zimmer ohne Fenster sollten bei der Polizei angezeigt werden.

Montag, 27. Februar 2012

Lilli und der Oscar

Wenn ein Film eines Filmemachers aus Québec für einen Oscar nominiert wird, ist man schon ein bisschen stolz. Wenn die zugegeben niedliche Nachbarstochter drin mitspielt, wird das alles noch viel konkreter. Und wenn sich der Film um das Thema Schule dreht, sind auch die Strolche der Meinung, mitreden zu können. Deshalb sind Lilli, Monsieur und die Strolche gestern abend ins Kino, um sich den Film anzuschauen und dadurch "seelischen Beistand" zu leisten bis nach Hollywood.

Genutzt hat es nichts, aber schön war es trotzdem. Und das erste Mal, dass die Familie komplett zusammen im Kino war.

Donnerstag, 23. Februar 2012

Was Monsieur gerade macht

"Yes! Yesyesyesyesyes! Hard! Harder!!!!"

Auflösung: Er guckt Curling im Fernsehen, was sonst.

Über Lilli

Laufen ist denken, manchmal auch überlegen, immer aber sich erneuern. Eine neue Sicht auf die Dinge erlangen, die uns bewegen. Laufen ist manchmal auch davonlaufen, für eine Weile wenigstens, bevor man wieder heimkommt zu Mann und Kindern, Wäsche und Kochtopf, zu den eigenen Macken und all den bunten Schnipseln, die ein Leben so ausmachen. Laufen ist das beste Beobachten, das es gibt.

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Zuletzt aktualisiert: 23. Mai, 03:27

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