Mitmenschen

Donnerstag, 11. Oktober 2012

Was man alles so machen muss...

... wenn ein Bad renoviert werden soll. Zum Beispiel in aller Öffentlichkeit in Badewannen probeliegen. Die ersten fünf Mal kommt man sich dabei seltsam vor, wie wenn man sich inmitten von Menschen splitternackt ausgezogen hätte. Beim sechsten Mal lässt das seltsame Gefühl nach und man ertappt sich dabei, in der Badewanne sitzend beim Verkaufspersonal ein Glas Sekt bestellen zu wollen.

Dienstag, 9. Oktober 2012

Lillis Aha-Moment

In dieser Jahreszeit passiert es immer wieder: Lilli sieht Leute im Zug, die die neue Herbstjacke zum ersten (oder zum zweiten, oder zum dritten...) Mal anhaben und immer noch das Etikett "Reine Schurwolle" auf dem Ärmel tragen. Warum wissen die nicht, dass das lediglich Werbezwecken dient, als Verkaufshilfe? Und welcher gnädige Mensch klärt sie schliesslich darüber auf, dass das abgetrennt gehört? Lilli jedenfalls hat ihren Aufnäher heute morgen abgemacht, bevor sie in die neue Jacke geschlüpft ist - Rauhreif überall, da musste schon was Wärmeres her.

Im Zug dann lächelt sie eine Mitfahrerin an: "Wissen Sie, die Falte im Rücken, die so locker zugenäht ist - die sollten Sie gelegentlich auftrennen. Ansonsten ist Ihre Jacke sehr schön."

So funktioniert das also mit dem Aufklären.

Freitag, 28. September 2012

Jetzt sofort

Die Graffitikünstler werden auch immer direkter. Love-me-0011

Freitag, 31. August 2012

Lilli und Mrs. Walker

Vor ein paar Monaten fing es an. Da klingelte Lillis Handy plötzlich ganz anders, als es sonst so klingelt, und schwupps erhielt Lilli ihr erstes Texto - SMS sagt man wohl auf deutsch. Lilli wusste bis dahin gar nicht, wie das geht und dass sie so etwas auch bekommen kann. Der Text allerdings war seltsam: Hello, Mrs. Walker, how are u? Auch die Nummer des Absenders sagte ihr nichts. Sie tat es als Verwechslung ab, bis das nächste Texto eintrudelte: Hello, Mrs. Walker, hope u'll have a fine day. Wäre ja nett, wenn ihr jemand solch guten Wünsche schickte, also wenn das tatsächlich für sie bestimmt wäre... jemand, der sie manchmal Laufen sieht... sich nicht traut, sie anzusprechen... noch nicht mal ihren Namen kennt... Dann, eines Sonntags, sie hatte gerade das grosse Rollo im Wohnzimmer hochgezogen und noch etwas schläfrig die Strasse entlanggeschaut, klingelte das Handy wieder. Hi, Mrs. Walker, up already? Da fühlte sich Lilli plötzlich beobachtet und bekam ein mulmiges Gefühl in der Bauchgegend. Sie googelte die Nummer - ein Sportgeschäft in Ottawa - und nahm sich vor, beim nächsten Mal dort anzurufen.

Seither ist Funkstille, schon seit mehreren Wochen. Schade eigentlich.

Donnerstag, 16. August 2012

Am Strand in Florida

Es ist immer interessant, auf Reisen auf deutsche Familien zu stossen. Die wähnen sich im Ausland und sprechen deshalb ungehemmt laut, ohne zu ahnen, dass die französischsprechende Lilli neben ihnen jedes Wort versteht. Während Monsieur sich in den winzigen Schatten des Sonnenschirms quetscht, lehnt sich Lilli etwas vor, um dem Monolog des Familienvaters drei Liegestühle weiter folgen zu können. Der Wind weht ihr allerdings nur Fetzen zu:

"...und das hier vor allen Leuten!" Anscheinend ärgert er sich über seinen Sohn, der etwa vierzehnjährig, schlaksig und sehr unlustig vor ihm steht.

"...hier am tollen Meer und der geht nicht mal ins Wasser!" Der Sohn läuft in Richtung Wasser, spaziert dort unschlüssig parallel zum Golf von Mexiko hin und her, setzt sich dann zu seinen kleinen Geschwistern, die brav eine Sandburg bauen.

"Das ist das letzte Mal, das ich mit Euch in Urlaub gefahren bin. Nächstes Jahr könnt ihr hingehn, wo ihr wollt, aber ohne mich." Dies ward allerdings in die Luft gesprochen, nicht direkt zur Gattin, die vorsichtshalber die Nase nicht aus der Zeitschrift nimmt. Antwort bekommt er keine.

Mittwoch, 4. Juli 2012

Geschenkt

Zum Geburtstag bekommt Lilli von ihrer grossen Schwester, der Lehrerin, ein Unterkleid geschickt. Sie bedankt sich per Mail dafür mit der Anmerkung, dass sie es gerne ausprobieren wird, wenn sie sich mal ein Kleid kauft, bei dem man so was braucht. Postwendend bekommt Lilli den Vorschlag zurück, es doch mal unter dem blauen Kleid zu tragen, das sie anhatte, als sie sich zum letzten Mal gesehen haben.

Pif, paf. Jetzt fühlt sich Lilli um einiges mieser, als wenn sie gar nichts geschenkt bekommen hätte.

Dienstag, 3. Juli 2012

Deutschland rutscht nach Italien

Lilli fällt auf, dass es immer mehr Strassencafés gibt in Deutschland. Entweder, weil es wärmer geworden ist und sich so eine Terrasse inzwischen monatelang betreiben lässt, oder weil die Leute Gefallen daran gefunden haben, auswärts Kuchen zu essen. Aber bitte nicht im eigenen Dorf oder Stadtteil - nein, ins Café geht man in den Nachbarort oder lieber gleich richtig in die Stadt. Denn von Leuten, die man kennt, beim zur Schau gestellten Nichtstun ertappt zu werden - das will man dann doch nicht. Dazu ist man einfach immer noch "helingen (heimlich) reich", zumindest im arbeitsamen Süden.

Montag, 2. Juli 2012

Lillis Pflichtprogramm

In Deutschland stehen für Lilli mehrere Pflichtbesuche an, am liebsten bitte gleich zu Anfang, um zu sagen, dass sie jetzt angekommen ist, und dann nochmal vor dem Abflug, um sich zu verabschieden. Dieses Jahr fällt ihr auf, dass sich der Gegenstand der dabei geführten Unterhaltung ganz stark gewandelt hat: nicht mehr Lillis Wohlergehen in der Fremde ("Was arbeitest du noch mal? Und wie geht es den Kindern?") steht im Mittelpunkt, sondern das Leben der Besuchten. Fotos von früher werden herausgekramt, von Häusern und Leuten, die Lilli nicht kennt, und Krankheiten beschrieben und vorgeführt. "Fass mal hier an, an der Wirbelsäule, da ist ein richtiger Klumpen." Wenn Lilli sich weigert, Klumpen an Wirbelsäulen und anderen Körperstellen anzufassen, reagieren die Tanten mit Unverständnis. Dann erzählen sie weiter von Krankengymnastik, Computertomographie und ähnlichen Zeitvertreiben. Am Ende drücken sie Lilli einen Umschlag mit Geld in die Hand und ein Glas Honig, eine Flasche Apfelsaft oder eine Prinzenrolle.

In den fast zwanzig Jahren, die Lilli nun schon in Kanada wohnt, sind die Tanten von 65 auf 85 Jahre gealtert. Irgendwann in letzter Zeit haben sie aufgehört, sich für andere zu interessieren, und sich wie eine Schnecke zurückgezogen in die eigene, nur für eine Person Platz lassende Welt. Genau dann, wenn sich dieses Sich-von-der-Welt-Abwenden vollzieht, kann man die Grenze ziehen zwischen Jung und Alt. Bei manchen geschieht dies früher, bei anderen später, bei ganz wenigen Auserlesenen gar nicht. Es soll Lilli eine Lehre sein...

Donnerstag, 28. Juni 2012

Im Flugzeug

Lilli sass am Gang, um sie herum stopften Leute ihre Rucksäcke in die Overheadbins, nur die vier Plätze der Mittelreihe waren noch leer. "Wenn sie beim Starten immer noch leer sind, leg ich mich da quer", dachte sich Lilli schon, da sah sie sie den Gang entlang kommen. Eine schwergewichtige Muslimin in meterweise Stoff, mit Handtasche, Windeltasche und einem einjährigen Mädel beladen, hinter ihr drei weitere Mädels mit Zöpfchen, Röckchen und Kniestrümpfchen, ein Traum in Rosa und alle nicht älter als sieben Jahre. "Wie bin ich froh, ich zu sein", dachte sich Lilli und nahm sich fest vor, helfend einzugreifen, wo sie gerade gebraucht werden könnte. Zu ihrem grossen Erstaunen aber waren die kleinen Mädchen Profis im Fliegen und kamen sowohl mit dem Gurt, als auch mit dem anschliessenden Apfelbrei ("Apfelbrei im Flugzeug!!!"), dem Rest des bei Air France immer noch üppigen Essens und dem mittels Tastbildschirm zu bedienenden Bordprogramm ohne das Einschreiten irgendwelcher Erwachsenen zu Rande. Auch die Mutter stülpte sich, kaum war das Baby auf ihr eingeschlafen, die Kopfhörer über, sodass von der gesamten Familie die nächsten sechs Stunden kein Pieps zu hören war. "Alle Achtung", mimte Lilli beim Aussteigen und lächelte der Frau anerkennend zu. Die lächelte zurück, stolz auf ihre Mädels und stolz auf sich selbst.

Sonntag, 3. Juni 2012

Lillis Auszeit

Morgen fliegt Lilli nach Deutschland. Allein. Monsieur und die Strolche bleiben zuhause und werden aufeinander aufpassen und sich alleine bekochen müssen. Eine Woche lang wird Lilli ihre Vergangenheit besuchen, hoffentlich nicht wie in einem Museum darin herumwandern, sondern neu anknüpfen mit Menschen, die zwar zu ihr gehören, aber nicht zu ihrem Leben hier. Sie wird Rhabarberkuchen essen, in Wäldern ohne Schnaken spazierengehen, auf Schritt und Tritt Schwäbisch hören und ansonsten die Augen offenhalten für alles, was dort, wo sie aufgewachsen ist, jetzt fremd für sie ist. Eine Reise zwischen zwei Welten, auf die sich Lilli bis tief in ihre Bauchgrube freut. Die Kollegen vom Büro wollen Fotos und Schokolade. Und eine Flasche Trollinger, unter dem sie sich nichts vorstellen können.

Über Lilli

Laufen ist denken, manchmal auch überlegen, immer aber sich erneuern. Eine neue Sicht auf die Dinge erlangen, die uns bewegen. Laufen ist manchmal auch davonlaufen, für eine Weile wenigstens, bevor man wieder heimkommt zu Mann und Kindern, Wäsche und Kochtopf, zu den eigenen Macken und all den bunten Schnipseln, die ein Leben so ausmachen. Laufen ist das beste Beobachten, das es gibt.

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