Mitmenschen

Donnerstag, 23. Februar 2012

Es lebe der Bankautomat

Einmal im Jahr spricht Lilli mit einem Bankmenschen. Im Februar heisst es nämlich, Geld für die Rente auf die Seite zu häufen, da in Kanada kein Mensch von der staatlichen Rente allein leben könnte und der Staat deshalb verschiedene Anreizprogramme konzipiert hat, die das Selbersparen schmackhaft machen sollen. Lilli mag keine Bankmenschen, und dieser hier ist keine Ausnahme. Er fragt Lilli, ob sie denn Zugang zum Internetbanking hat, was Lilli wahrheitsgemäss verneint. Fast unmerklich (aber nur fast!) zieht er die Augenbrauen zusammen und bietet Lilli an, ihr zu erklären, wie es geht, und dass es ganz einfach sei. Lilli erklärt ihm daraufhin, dass sie lieber zum Bankautomaten gehe, so richtig persönlich, um dort Geld abzuheben und Rechnungen zu bezahlen. Und dass sie es richtig gern habe, wenn dort ein kleiner Beleg ausgedruckt wird, den sie in ihren Geldbeutel steckt, um ihn hinterher mit ihrem Bankauszug (auf Papier! per Post!!!) zu vergleichen. Sie muss wohl einer der letzten lebenden Menschen unter 80 sein, die noch so altmodisch vorgehen.

Wahrscheinlich geht sie deshalb so gern zum Automaten. Der fragt solche Sachen nämlich nicht, und Augenbrauen hat er auch keine.

Dienstag, 14. Februar 2012

Lilli und ihr grosser Bruder

Lilli ruft ihren grossen Bruder an, um zu erfahren, ob er nicht mehr als Hoffen und Bangen kann, um den Eltern zu helfen. Ihr grosser Bruder war schon immer, mit seinen 9 Jahren mehr, jemand, der in einer anderen Phase des Lebens steckt als sie. Ein Fortgeschrittener des Lebens sozusagen, während sich Lilli wie ein Anfänger vorkommt. Als Lilli auf die Welt kam, konnte ihr Bruder schon längst lesen und schreiben. Als Lilli lesen und schreiben lernte, fuhr ihr Bruder mit dem Fahrrad weite Strecken, um seine Kumpels zu besuchen. Als Lilli ihr grosses silbernes Fahrrad bekam, wurde einer der Kumpels ihres grossen Bruders Vater. Lillis Bruder war schon vor allen anderen ein Ökofan, Kompostierer und Naturschützer, er kann kochen und waschen, Bäume schneiden und Sachen reparieren, kurz, er steht im Leben wie eine Eiche, mit Wurzeln und weit reichenden Ästen. Als Lilli ihn aber auf die Notlage der Eltern anspricht, weiss er von nichts. Lilli runzelt die Stirn. Die Eltern haben ihr was erzählt, was sie dem Bruder verschwiegen haben? Wo er sich doch so viel besser auskennt mit dem Leben als sie? Nun, dann war wohl ein offenes Ohr wichtiger als Rat und Tat, und da auch der Bruder keinerlei Anstalten macht, irgendwie einzuschreiten, belässt es Lilli beim Hoffen und Bangen und Zeit verstreichen lassen. Ein schwieriges Unterfangen, findet sie, und sehr kräftezehrend.

Freitag, 10. Februar 2012

Lilli und der Valentinstag

Eine lange, mühsame und vollgestopfte Woche neigt sich dem Ende zu, und nachdem am Donnerstag der Klempner da war und zwar das Klo repariert, aber das Bad total verschmiert hat, ist Lilli mit Putzen und Radiohören beschäftigt. Dort geht es zeitgerecht darum, was man anscheinend Frauen NICHT zum Valentinstag schenken soll: nichts zu Teures, sonst schöpfen sie Verdacht. Keine Schokolade (zu banal), keine Blumen (zu banal), kein Buch (zu unromantisch), bloss keine aufreizende Unterwäsche (weil sich die Männer in der Grösse vertun und sowas sowieso unbequem ist). "Was bleibt dann noch übrig?", fragt der Moderator, und auch Lilli ist perplex. Sie jedenfalls hat noch über keine (gute) Schokolade die Nase gerümpft.

Montag, 16. Januar 2012

Schön sein heute

Lillis Apothekerin sieht aus wie siebzehn und hat so lange Wimpern, dass es falsche sein müssen. Während sie Lillis Rezept liest, stellt Lilli sie sich mit türkisen Haaren vor, denn nur das fehlt noch zur Manga-Heldin. Besser noch: auf den falschen Wimpern klebt pro Auge ein kleines Glitzersteinchen, damit es aussieht, as ob sich eine Träne in den Wimpern verfangen hätte. Eine Perfektionistin! Lilli ist nur froh, dass sie selbst schon so alt ist, dass sie nicht mehr mit allen Mitteln schön sein will.

Dienstag, 10. Januar 2012

Lillis schönstes Geschenk

Skifahren, Mittagessen auf der Hütte. Eine Freundin schiebt Lilli ein kleines graues Säckchen mit pudrigem Inhalt über den Tisch. "Das steckst du dir in den Handschuh, das gibt bis zu 8 Stunden warm." Lilli zweifelt zwar daran, dass so ein kleines Säckchen irgendetwas daran ändern kann, dass ihr bei -20 Grad die Finger abfrieren, ist aber gleichzeit zu allem bereit, was Linderung zu schaffen verspricht. Wenn ihr jemand ein geröstetes Marshmallow angeboten hätte, hätte sie es sich wahrscheinlich auch in den Handschuh geschoben.

Ja, dank dieses Hotpacks konnte es Lilli noch zwei weitere Stunden auf der Piste aushalten. Hotpack: 1,99 $. Skifahren am Mont-Sainte-Anne mit Blick auf den Sankt-Lorenz-Strom und überzuckerte Tannenbäume: Unbezahlbar.

Wie wichtig ist die Weihnachtspost?

Lillis Schwester, die Religionslehrerin, hat es nicht geschätzt, von Lilli keine Weihnachtspost bekommen zu haben. Wo sie doch selbst einen wunderhübschen Jahresrückblick-Rundbrief geschickt hat, OBWOHL sie mindestens genauso viel wie Lilli (nein, mehr) zu tun hatte. Wo sie doch an Weihnachten zwei Familien besuchen muss und Lilli nur eine. Und Zeit zum Skifahren hatte sie auch nicht, während Lilli ganze vier Tage im Luxushotel direkt am Hang verbringen konnte. Am Telefon impft sie Lilli Schuldgefühle ein, weil Lilli zudem eine schlechte Patentante ist und das Kind ihrer Schwester schämlich vernachlässigt. "X. hat SOOO damit gerechnet, von dir einen Brief zu bekommen an Weihnachten, und jetzt ist sie SOOO enttäuscht", sagt die Schwester ins Telefon, während Lilli sich wundert, wie man nur so direkt sein kann. Hinterher ist Lilli sauer auf die Schwester, die darauf besteht, dass man auch über grosse Entfernungen hinweg eine enge Beziehung pflegen muss, und sauer auf sich selbst, da sie sich zwar zu ihrer Schreibfaulheit bekennt, die Folgen davon aber nicht so einfach wegstecken kann. Nächstes Jahr, schwört sie sich, wird sie die Weihnachtspost in den Sommerferien schreiben und am 1. Dezember in den Kasten werfen. Das kommt dann zwar auch nicht von Herzen, aber der Anschein wird gewahrt sein.

Donnerstag, 8. Dezember 2011

Lilli rit jaune

Lillis Frisör, der so hellblond ist, dass es von Weitem aussieht, als ob er eine Glatze trüge, rät ihr, sich unbedingt mal die Hitler-Parodien im Internet anzusehen. Lilli denkt, sie hat noch Shampoo im Ohr und hört nicht recht. Ja, alte Filmausschnitte mit Voice-over, "à crouler de rire", zum Totlachen. Sie sieht sich Gerhart Polt und den Leasingvertrag auf youtube an, ist gleichzeitig peinlich berührt und belustigt. Darf man sowas?

Montag, 5. Dezember 2011

Schwupps, ein Weihnachtsmärchen

Es war einmal eine Familie - Vater, Mutter, Sohn und Tochter - die hatte viele Freunde und viel zu tun. Die Schwester der Mutter hatte ebenfalls zwei Kinder, und wenn jedes Kind einzeln in den Kommunionsunterricht gegangen wäre, rechneten die zwei Frauen aus, dass sie insgesamt 10 Jahre lang mit Fahrdienst zur Kirche und zurück beschäftigt sein würden. Sie meldeten die Kinder kurzerhand gemeinsam zum Kommunionsunterricht an: eines zu alt, eines genau richtig, die zwei Jüngsten etwas zu jung. Die Oma würde sie fahren und nach drei Jahren wäre alles überstanden. Der einzige Tag der Woche, an dem alle vier Kinder und die Oma Zeit hatten, war Montag, und glücklicherweise gab es montags eine Kommunionsgruppe. Der Haken war nur, dass für diese Gruppe noch kein Leiter gefunden war, und schwupps wurde die Oma vom Chauffeur zur Kommunionslehrerin befördert. Die Schwestern halfen aus, wenn die Oma keine Zeit hatte, und sogar eine Grosstante kam und erzählte den Kindern von Weihnachten, als es noch keine Autos und keine Playstation gab. Dann wollte die Tochter im Weihnachtschor singen und schwupps wurde der Vater damit beauftragt, sie freitag abends zur Chorprobe zu fahren. Da der Chor dringend nach Männerstimmen suchte, wurde der Vater schwupps zu den Tenorstimmen gesetzt und zum Mitsingen genötigt. Was ihn dazu brachte, seine Freunde vom Fussball, vom Büro und vom Hockey anzurufen, um Verstärkung für sich und den schwach besetzten Tenor zu finden. Was Monsieur wiederum nicht abschlagen konnte, hatte er doch selbst schon den Freund zu allen möglichen Aktivitäten überredet. Woraufhin Lilli sagte: "Wenn du singst, dann sing ich mit", und so kommt es, dass Lilli dieses Jahr an Heiligabend im Kirchenchor Weihnachtslieder singen wird. Klack, klack, klack, Sie kennen doch diese Reihen von Dominosteinen, die nacheinander umkippen, wenn man den ersten anstösst? Genau.

Donnerstag, 24. November 2011

Frau Gminggmanggs ungeworfenes Stöckchen

Hier hat Lilli ein Stöckchen aufgehoben. Ihre Autobiografie könnte wahrscheinlich (ist ja noch ein bissel früh, um sich so hundertprozentig festzulegen) einen der folgenden Titel tragen:

Ein Mann und zwei Strolche - Mein Leben unter Wilden

Der Winter, der ein Sommer war, oder warum man nie Urlaub in Québec machen sollte

Ich backe, also bin ich (auch wenn sonst keiner mitisst)

Das Teilzeitsyndrom oder warum Mütter immer die Doofen sind

Lilli legt los, schafft es aber nur zweimal ums Viereck

Alle lieben Lilli: eine Frau verbessert laufend die Welt

Maultasche trifft Ahornsirup - ein Kochbuch für Mischehen

Ein Leben ohne Quark: machbar oder nicht?

Und der beste zum Schluss: Mäuse sind auch nur Menschen!

Mittwoch, 23. November 2011

Lilli beim Frisör

Wenn Männer zum Frisör gehen, wollen sie wieder sauber und ordentlich aussehen. Wenn Frauen zum Frisör gehen, wollen sie nicht nur einen neuen Kopf, sondern gleich ein neues Gehirn oder aber wenigstens ein neues Leben. Beides kann, so hat Lilli wieder feststellen müssen, auch der beste Frisör nicht leisten.

N.B.: Er kann lockige Haare glatt ziehen, aber auch das bringt nach dem ersten Staunen keine spürbare Besserung. Den Strolchen jedenfalls hat es nicht gefallen.

Über Lilli

Laufen ist denken, manchmal auch überlegen, immer aber sich erneuern. Eine neue Sicht auf die Dinge erlangen, die uns bewegen. Laufen ist manchmal auch davonlaufen, für eine Weile wenigstens, bevor man wieder heimkommt zu Mann und Kindern, Wäsche und Kochtopf, zu den eigenen Macken und all den bunten Schnipseln, die ein Leben so ausmachen. Laufen ist das beste Beobachten, das es gibt.

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

Status

Online seit 6222 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 23. Mai, 03:27

Credits

Web Counter-Modul


Laufen
Lillis Positiv-Pakt
Mitmenschen
Reise in den Abgrund
Selbständig arbeiten
Strolche
Zeitmanagement
Zonstiges
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren
Blog Top Liste - by TopBlogs.de Blog Verzeichnis Bloggeramt.de