Strolche

Montag, 20. Dezember 2010

Abflugangst

Grosser Strolch: Nur noch fünf Tage bis zum Abflug nach Deutschland!
Lilli: Ja, toll!!

Grosser Strolch: Nur noch zwei Tage bis zum Abflug nach Deutschland!
Lilli (einen Korb voller Wäsche schleppend): Aber ja doch...

Grosser Strolch: Nur noch einen Tag bis zum Abflug nach Deutschland!
Lilli (bügelnd): Ich weiss!!

Grosser Strolch: Heute nachmittag fliegen wir nach Deutschland!
Lilli (mit einem Blick auf die Nachrichtgen): Wer weiss....

Mittwoch, 15. Dezember 2010

Ein Tag zum Im-Bett-bleiben

"Heisst dein Kopfweh vielleicht Marie-France?", fragt Lilli den kleinen Strolch, denn so heisst die allseits unbeliebte Vertretung seiner Klassenlehrerin. Der kleine Strolch zuckt mit den Schultern. Er will die lila Kopfwehtabletten, die mit dem Traubengeschmack, und nicht die orangenen.

Mittwoch, 15. Dezember 2010

Elternsein

"Wir müssen ein Weihnachtsgedicht aufsagen und werden einen Rap draus machen", erzählt der grosse Strolch und ist stolz wie ein König auf seine gute Idee. Lilli, stets darauf bedacht, ihren Kindern zu einer umfassenden Allgemeinbildung zu verhelfen (die sie ja nicht unbedingt in der Schule bekommen, weder von den Lehrern noch von den Mitschülern) und ausnahmsweise mal nicht ganz abgekoppelt von der Musikszene, hält dagegen: "Macht doch einen Slam draus." Unverständnis des grossen Strolches, woher soll er auch wissen, was das ist. Im Plattengeschäft setzt Lilli ihm die Kopfhörer auf und lädt "Grand corps malade" in die Hörstation. Sie kann nicht hören, was der grosse Strolch hört, sie kann aber in seinen Gesichtszügen lesen, wie er darauf reagiert. Sein liebes Gesicht, das zuerst neutral-erwartungsvoll stillhält, zieht sich bei den ersten Takten zusammen, die Augenbraue schnellt in die Höhe, als der Text losgeht, die Augen schauen ins Weite, suchend, tastend, bevor er sich entspannt, Lilli ansieht und lächelt. Wieder ein Türchen aufgemacht in die weite Welt der Kreativität.

Montag, 13. Dezember 2010

Zu dir oder zu mir?

Zur Zeit plagen den kleinen Strolch Alpträume. Er läuft auf der Strasse und jemand fällt ihn von hinten an. Er ist allein zu Hause und in seinem Schrank ist ein Skelett. Dann muss sich Lilli zu ihm ins Bett legen, bis er einschläft, denn wenn er in Lillis Bett einschlafen würde, könnte sie ihn anschliessend nicht in sein Zimmer tragen, dazu ist er zu gross und zu schwer. Meistens passt es Lilli nicht, sich zu ihm legen zu müssen, denn lieber will sie Nachrichten gucken oder aber selbst ins Bett gehen und lesen. Wenn sie dann aber eine Weile mit ihm und seinen siebenundzwanzig Kuscheltieren im Bett liegt und spürt, wie der kleine Strolch immer wärmer und ruhiger wird, wie er immer gleichmässiger atmet und irgendwann tatsächlich einschläft, dann ist es ihr egal, die Nachrichten verpasst zu haben. Dann muss sie sich direkt überwinden, die warme Höhle zu verlassen und in ihre eigenes kaltes Bett zu kriechen.

Freitag, 10. Dezember 2010

Füttert die Vögel, einen Zweier die Tüte

Die Strolche stehen im Park und füttern die Vögel, was selbstverständlich verboten ist. Kleine gelbe Vögel (Lilli ist ornithologisch nicht so bewandert, dass sie die Sorte benennen könnte) flattern auf ihre ausgestreckten Hände, picken sich einen Sonnenblumenkern weg, hauen schnell wieder ab. Vorsichtig, um die Vögel nicht zu vertreiben, dreht der kleine Strolch den Kopf zu Lilli und flüstert: "Ch'est une exchperienche magique!" Altklug war er schon immer (auf französisch sagt man da poetischer, dass er eine alte Seele hat), aber mit der Spange im Mund ist der Kontrast noch drolliger.

Donnerstag, 18. November 2010

Bewaffneter Überfall

In Lillis ruhiger Wohngegend wurde vor kurzem ein 13-jähriges Mädchen angegriffen. Ein Unbekannter folgte ihr im Auto, stieg aus, hielt sie an den Haaren fest und bedrohte sie mit einem Messer. Sie schrie, ein Hund bellte, ein Mann trat aus der Haustür, um nach dem Hund zu sehen, der Täter ergriff die Flucht. In Lillis Inbox trafen kurz hintereinander zwei E-Mails mit der gleichen Nachricht ein, einmal über einen Fussballvater, einmal über die Schule. Die Strolche wussten auch schon Bescheid, als sie aus der Schule nach Hause kamen. "Und warum macht der das?", will der kleine Strolch wissen. Lilli erklärt, dass bei diesen Tätern der sexuelle Drang unkontrollierbar ist, dass sie nicht anders können, als sich mit Gewalt das zu beschaffen, was zur Obsession geworden ist. Der kleine Strolch nickt. "Deshalb sind die Opfer auch immer Mädchen, weil die Männer ja mit Jungen nichts tun können", beruhigt er sich selbst.

Das ist der Moment, in dem Lilli gern ihren Job als Mutter gekündigt hätte.

Dann erklärt sie den Strolchen, dass auch Jungen Opfer werden können. Und kann direkt das Messer spüren, mit dem der Täter auch ihr, und ihrer ganzen Familie, Gewalt angetan hat.

Dienstag, 16. November 2010

Auf der Mauer, auf der Lauer...

...sitzt ne kleine Wanze, sang Lillis Vater früher immer. Bettwanzen sind seit neuestem in Nordamerika wieder eine Plage, und zwar nicht nur in Lillis Wirkungskreis, in dessen Rahmen sie mit sozial schwach gestellten Menschen zusammenkommt, sondern auch z.B. im New Yorker Waldorf Astoria und (hihi) in den Umkleidekabinen von Victoria's Secret. Neueste Schreckensmeldung: die Dinger halten sich nicht nur in Betten und Stuhlpolstern (Achtung, Kinogänger!) auf, sie krabbeln auch gerne in Vespertaschen, die die Kinder mit in die Schule nehmen, und von dort in die Tasche des Nachbars... Lilli kauft also neue, waschbare Vespertaschen für die Strolche, vom Material her einem Taucheranzug nicht unähnlich und deshalb irre cool. Im Gespräch über Bettwanzen stellt der kleine Strolch nur eine Frage: "Schaffen sie es, jemanden in einer Nacht völlig auszusaugen?" Nein, das schaffen sie nicht. "Na, dann", meint er nur lakonisch und stöpselt sich wieder seinen i-Pod ins Ohr.

Manchmal ist Lilli sehr neidisch auf ihre Kinder.

Dienstag, 9. November 2010

Was Charles Dantzig über Lilli zu sagen hat

Charles Dantzig, französischer Autor, sagt doch tatsächich neulich in der Montréaler Tageszeitung, dass die Erwachsenen, die Bücher für Jugendliche lesen, einer "Verjugendlichung" (diese Übersetzung stammt natürlich von Lilli, auf französisch sprach er von einem "phénomène «d'adolescentisation» des adultes") unterliegen, die wohl daher kommt, dass man immer später in den Ernst des Lebens gestossen wird und der Intellekt deshalb auch immer später reift bzw gar nicht so weit kommt, anspruchsvolle Literatur lesen zu können.

Ha.

An dieser Stelle möchte Lilli ganz bescheiden eine Erklärung wagen, warum manche Erwachsene zur Nachtzeit zu leichtester Lektüre greifen. Nehmen wir mal letzten Dienstag. Da wird Lilli eine halbe Stunde zu früh von einem weinenden Strolch geweckt, der Rückenweh hat. Rückenweh, wundert sich Lilli und tappst an das Kinderbett, um dort zu tasten, hier zu drücken und an der Stirn zu fühlen, ohne auch nur irgendein Indiz für den seltsamen Schmerz zu finden. Obwohl Lilli gerne noch ein wenig geschlafen hätte, fragt sie den Strolch nach Stuhlgang, ungewöhnlichen Bewegungen am Vortag (Eishockey? die Treppe runtergefallen?), schlechten Träumen und sonstigen denkbaren Ursachen aus, schleppt sich anschliessend in das Zimmer des anderen Strolches, um dort nach dem aufheizbaren Kuscheltier zu suchen, wartet schlotternd vor der Mikrowelle, geht zurück in das Zimmer des nun nur noch wimmernden Kindes und stopft ihm das Heizkissen in den Rücken. Während sie beruhigende Beschwörungsformeln murmelt, ziehen dunkle Gedanken durch ihren Kopf, die von Kinderlähmung bis Rückenmarkskrebs reichen und allesamt von einem Bild begleitet werden, auf dem der Strolch in einem Rollstuhl sitzt. Dann geht sie duschen, macht Frühstück, wirft sich in ihre Arbeitskluft, rennt zum Zug. Ruft kurz darauf zu Hause an, um sich zu erkundigen, ob der Strolch inzwischen aufstehen kann. Kann er, Gott sei dank. Und in die Schule gehen auch, na prima. Anschliessend arbeitet sie unter Zeitdruck sieben Stunden lang, scherzt mit Kollegen, steht Rede und Antwort. Fährt nach Hause, treibt die Strolche nach einer kurzen Umarmung und einem Blick auf die Uhr dazu an, doch jetzt bitte Hausaufgaben zu machen. Teilt sich auf zwischen oben (schon wieder eine Powerpoint-Präsentation) und unten (Pronomen? rechte Winkel???), macht Essen. Fährt einen Strolch und den Nachbarsjungen zum Hockey, bringt den anderen Strolch ins Bett. Sieht Nachrichten voller Katastrophenmeldungen, wartet auf das Ende des Hockeytrainings, hört sich Berichte über ungerechte Behandlungen und gloriose Tore an. Macht die Küche sauber, füllt die Trinkflaschen für den nächsten Tag, räumt Essensreste in den Kühlschrank.

Und dann, lieber Herr Dantzig, dann geht Lilli ins Bett und greift nach Percy Jackson. Nicht, weil sie intellektuell auf dem Niveau einer Vierzehnjährigen verblieben wäre, sondern weil es manchmal so unheimlich guttut, den Ernst des Lebens zusammen mit dem Intellekt für eine Viertelstunde aus dem Zimmer zu sperren. Bevor er dann in wirren Träumen wiederkommt.

Donnerstag, 21. Oktober 2010

Spieglein, Spieglein

Madame Emma, die Lehrerin des kleinen Strolches, hat es in seine Beurteilung geschrieben: er lässt sich zu leicht ablenken. Im darauffolgenden Gespräch aber bringt sie einen Punkt zur Sprache, der ihr noch viel wichtiger erscheint: er ist rechthaberisch und impulsiv, was sich dadurch äussert, dass er ungefragt mit der richtigen Antwort rausplatzt, sobald der Mitschüler, der eigentlich dran ist, zögert oder die falsche Antwort gibt. Lilli ist nur halb erstaunt, ist es doch ein typischer Charakterzug kleiner Brüder, lautstark zeigen zu müssen, dass man was im Hirn hat. Und so mancher Erwachsenen auch.... Am liebsten würde Lilli zum kleinen Strolch sagen: "Du hast eine Art und Weise, dich zu benehmen, die mir gar nicht an mir gefällt."

Mittwoch, 13. Oktober 2010

Lilli liest

Die Bücherserie scheint geradezu für den kleinen Strolch persönlich geschrieben worden zu sein: Percy Jackson, 12-jähriger Junge mit unbekanntem Vater, entdeckt plötzlich, dass er direkt von Poseidon abstammt und somit ein Halbgott ist, dem allerlei Heldentaten abverlangt werden. Geholfen wird ihm dabei von Annabeth, Tochter von Athena und einem Harvardprofessor, und seinem besten Freund, der sich als Satyr entpuppt, dessen Mission darin besteht, Percy vor all den Fabelwesen zu beschützen, die seinerzeit schon Odysseus bekämpfen musste. Der kleine Strolch, sonst kein allzu geduldiger Leser, ist glücklich, und Lilli auch. Denn seit sie es geschafft hat, ihrem Sohn den ersten Band aus den Fingern zu winden, liest sie abends Percy Jackson. Es ist so herrlich simpel und trotzdem spannend geschrieben, dass sie ihr Gehirn abschalten kann und einfach an gar nichts mehr denkt. Eine Wohltat.

Über Lilli

Laufen ist denken, manchmal auch überlegen, immer aber sich erneuern. Eine neue Sicht auf die Dinge erlangen, die uns bewegen. Laufen ist manchmal auch davonlaufen, für eine Weile wenigstens, bevor man wieder heimkommt zu Mann und Kindern, Wäsche und Kochtopf, zu den eigenen Macken und all den bunten Schnipseln, die ein Leben so ausmachen. Laufen ist das beste Beobachten, das es gibt.

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