Zonstiges

Dienstag, 28. September 2010

Herbst in Kanada

Mit grossem Geschrei sammeln sich die Wildgänse am Himmel, um nach Süden zu fliegen. Es ist Zeit, denn die Blätter fallen schon von den Bäumen und nachts kann es mächtig kalt werden. Die Wildgänse ziehen davon, in Dreiecken oder schönen geraden Linien, und keiner weiss, ob ihr Krächzen nun ein Abschiedsgruss oder aber schallendes Gelächter ist. Die Menschen am Boden bleiben zurück, nun ganz allein mit den Eichhörnchen und Feldhasen, und fragen sich: warum eigentlich? Warum tut man sich den Winter an? Dann fällt ihnen das Skifahren ein und sie atmen tief durch, bevor sie den Kragen hochschlagen und die Hände in die Taschen stecken. Wer in den Mantelkragen atmet, dem beschlägt die Brille.

Lilli im Horrorkabinett

Da die Stadtverwaltung beschlossen hat, ein neues Sportzentrum zu bauen, und im Sommer schon mal forsch daran ging, das alte abzureissen, bevor überhaupt ein Bauherr für das neue Projekt gefunden ist, sucht Lillis Hausfrauengymnastik nach einer neuen Bleibe. In den letzten zwei Wochen war es Lilli deshalb beschieden, die Gemeindesäle verschiedener Kirchen zu betreten (was Lilli in ihrem vorigen Leben nur selten passiert war) und mit Erstaunen zur Kenntnis zu nehmen, dass diese allesamt in schlechtem Zustand und mit fraglichem Geschmack dekoriert sind. So hüpfen also die Damen stattlichen Alters und die drei Mädels aus Lillis Generation, wahlweise mit Schlabber-Jogginghosen und ausrangiertem T-Shirt oder enganliegenden Yogaklamotten ausgestattet, neben Plakaten, auf denen "Jeder Tag ist ein Tag in Gottes Anwesenheit" und "Blühe dort, wo Deine Wurzeln sind" steht, zum Rhythmus der Schlager der 80er Jahre, in denen Lillis Lehrerin zum ersten Mal verliebt war. Lilli sehnt sich nach der alten Sporthalle zurück, in der zwar auch der Putz von den Wänden blätterte, die aber immerhin gar nicht dekoriert war und keines der drei Übel aufwies, die Lilli als die schlimmsten Makel der neuen Ersatzturnhallen definiert hat:

1. der Geruch nach scharfen Putzmitteln, kaltem Kaffee und alten Tupperschüsseln, der dort wabert, wo Kirchengemeinderatsmitglieder und Krabbelgruppen tagen, turnen und Kekse essen.

2. der Geruch nach alten Klamotten und noch älteren Büchern, die wohltätige Vereinsmitglieder in einem fensterlosen Verschlag hinter der Bühne horten, um sie am Bazar vor Weihnachten für einen guten Zweck zu verscherbeln.

3. Spiegelwände.

Nr. 3 - OGOTTOGOTTOGOTT! - tauchte heute Morgen ganz unerwartet in einem Saal auf, der ansonsten (mit seinen grossen Fenstern und dem hübsch grün-rot kariertem Linoleumfussboden) gar nicht schlecht wäre. Eine ganze Wand, von oben bis unten mit Spiegeln beklebt, die Lilli mit einem Bild beworfen haben, auf das sie gerne verzichtet hätte. Vielleicht, wenn man die Spiegel grossflächig mit besinnlichen Plakaten überdecken könnte... denn obwohl Lilli gerne dort blühen möchte, wo ihre Wurzeln sind, ist das Zusehen dabei die reinste Folter.

Montag, 20. September 2010

Lilli im Schatten des Windes

Lilli ist ratlos. Da liest sie ein hochgelobtes, preisgekröntes Buch und findet weder die Handlung einleuchtend noch den Stil so richtig fesselnd. So wie damals bei Amélie Poulain, als alle "Meisterstück" schrien und Lilli nur die Stirn runzelte. Beim "Schatten des Windes" ist es aber schlimmer: obwohl Lilli die Geschehnisse des Buchs (verkorkster Schriftsteller, dem im entscheidenden Moment seines Lebens der Mut fehlte, will seine Bücher verbrennen, trifft aber auf sein alter ego und schöpft Hoffnung, durch ihn irgendwie erlöst zu werden) und auch die subtilen Anspielungen auf Schicksale, die sich wiederholen, und Väter, die keine sind (Daniel Sempere "sans père") versteht, schlägt sie am Ende das Buch zu, ohne sich einen Reim darauf machen zu können, was auf den letzten Seiten denn nun wirklich passiert ist. Deshalb: kann jemand sich erbarmen und Lilli erklären, wie der Schatten des Windes endet? Aber gaaaanz langsam, bitte.

Mittwoch, 11. August 2010

Lilli trinkt

Lilli hat keinen Durst. Nie. Dafür hatte Lilli im Juli mitten in der Hitzewelle mal wieder einen Schwindelanfall, und die Dame am Telefon meinte, es wäre ganz hilfreich, für ausreichende Flüssigkeitszufuhr zu sorgen. Deshalb trinkt Lilli jetzt sechs grosse Gläser Wasser pro Tag - wenn sie sich dazu bringen kann, das Zeug runterzuschlucken, denn angenehm findet sie es nicht. Und stellt ganz prosaisch fest: was oben reinkommt, muss unten wieder raus... Äusserst lästig.

Jetzt wartet sie darauf, dass die Ingenieure von Volkswagen was Nettes erfinden, um dieses Problem zu umgehen.

Freitag, 21. Mai 2010

Der sechste Band der Trilogie

Lilli liest "And another thing" von Eoin Colfer: dieser irische Autor, allseits für seinen Artemis Fowl bekannt, durfte zu den bereits erschienenen Bänden der "Per Anhalter durch die Galaxie"-Reihe noch einen draufsetzen, nachdem Douglas Adams überraschend gestorben ist, bevor er sein Werk selbst vollenden konnte. Lilli erinnert sich daran, wie sie die Bände glucksend vor Lachen verschlang und nichts Witziger finden konnte als den unglückseligen Arthur Dent, der nach der Zerstörung der Erde ziellos durchs Weltall segelt. Die Antwort "42" auf die Frage nach dem Sinn des Lebens fand sie genial, die Sache mit den Delphinen auch, und dass man im Restaurant am Ende der Galaxie einen Tisch buchen konnte, brachte sie fast um vor Neid.

Jetzt, kaum hat sie die Nase in das Buch gesteckt, geht ihr der wortreiche Quatsch schon nach ein paar Seiten auf die Nerven. Was wiederum nicht heisst, dass es ein schlechtes Buch ist: nur ihr Geschmack hat sich in den vergangenen, hm, 26? Jahren, ein bissel geändert. Mit anderen Worten: Lilli ist auf ein anderes Raumschiff umgestiegen...

Mittwoch, 5. Mai 2010

Silberstreif

Vormittags geht Lilli zum Geschäftsessen in eine schicke Agentur und hält aus dem Stegreif eine kurze Präsentation über ihr Aufgabengebiet, für die sie ihre Chefin hinterher lobt. Nachmittags hastet Lilli nach Hause, holt die Strolche aus der Schule ab, schiebt sich ein paar Kekse in den Mund, fährt den grossen Strolch zum Fussballtraining und kauft einen neuen Wäscheständer. Und diese Mischung fühlt sich komischerweise gar nicht seltsam an. Man kann also auch mit 40 noch weiter wachsen...

Donnerstag, 8. April 2010

Crunch, crunch, crunch

Lilli wühlt sich durch ihre Steuererklärung durch. Addieren, multiplizieren, prozentieren, und wundert sich dabei, warum es wohl kein deutsches Gegenstück zum englischen Ausdruck „crunching numbers“ gibt. Dabei kommt sie sich wirklich vor wie das Krümelmonster, das einen Keks nach dem anderen in sich hineinstopft…. mit dem kleinen Unterschied vielleicht, dass das Krümelmonster daran Gefallen fand und sie nicht.

Mittwoch, 7. April 2010

Heisser Osterhase

Das kanadische Osterwetter war völlig aus dem Häuschen, da ein Tiefausläufer mexikanische Hitze vor sich her und doch tatsächlich bis nach Montreal geschoben hatte. Selbst in Québec, wo Lilli samt Familie übers Wochenende zu Besuch war, hatte es unglaubliche 29 Grad. Auf den Plaines d'Abraham, einem weitauslaufenden Park mit Blick auf den Sankt-Lorenz-Strom, suhlten sich Hunderte von wärmesüchtigen Leuten im noch braunen Gras. Die jungen Männer hatten ihre T-Shirts ausgezogen und liefen mit grossen Hunden und Frisbees um die Wette, die Mädels liessen die T-Shirts an. Der grosse Strolch und Lilli fuhren Rollschuh und mussten ein ums andere Mal über Schneefelder hoppeln, die trotz der Hitze nicht schmelzen wollten. Das seltsame Wetter - garantiert ein besorgniserregendes Warnzeichen der globalen Klimaerwärmung - fühlte sich an wie Schuleschwänzen: man weiss, dass es nicht in Ordnung ist, geniessst es aber trotzdem.

Donnerstag, 18. März 2010

Das Gute an schlechten Nachrichten

Bis vor kurzem hatte Lilli den Eindruck, dass die bevorstehende Messe so ziemlich nicht zu überleben sei, da sie viel zu viel beunruhigendes Unvorhergesehenes mit sich bringen würde, für das Lilli die volle Verantwortung trägt. Jetzt aber, seit sie mit Monsieur dieses unglückselige Gespräch hatte führen und gleichzeitig so tiefsinnig über die Dimensionen ihrer Kaffeekanne hatte nachdenken müssen, ist die Messe in ihrer Prioritätenliste weiter nach unten gerutscht. Wie man nun die Technik vor Ort regelt, ob man nun genügend Fahnen hat und ob wohl das Personal auf der Höhe sein wird - Lilli winkt jetzt achselzuckend ab. Das wird sich morgen alles klären, vor Ort ergeben und überhaupt von alleine regeln, mit ein wenig Glück und gesundem Menschenverstand.

Als ob das menschliche Hirn nur in der Lage wäre, ein Problem nach dem anderen, nicht aber gleichzeitig ernst zu nehmen. Oder als ob es die Probleme ständig neu ordnet und ihnen je nach Risikopotential der Neuankömmlinge neue Punktzahlen zuweist, die sie in der Rangordnung nach oben oder unten rutschen lassen.

Komisch, schon wieder Mathematik...

Mittwoch, 10. März 2010

Euphemismus

Lilli googelt „Kreislaufstörungen“ aus gegebenen Anlass. Schließlich ist es ihr nun zum zweiten Mal innerhalb von drei Tagen aus heiterem Himmel so schwindlig geworden, dass sie sich hinlegen musste und sich anschließend nur schleppend durch den Tag bringen konnte. Die damit verbundene Übelkeit, die Schweißausbrüche und die Angst, dass ihr das ja nicht nur zuhause, sondern auch auf der Straße oder im Büro passieren könnte, sind ausgesprochen unangenehm… Erste Recherchen ergeben außer der Diagnose „niedrigem Blutdruck“ nicht viel. Immerhin sei dieser auf die Dauer „nicht schädlich“, und nur, wenn man sich dadurch „stark eingeschränkt fühlt“, sollte man den Arzt aufsuchen. Mal sehen: fühlt sich Lilli durch die Tatsache, alles stehen und liegen lassen zu müssen, um sich schweißnass und zitternd aufs Sofa zu legen, stark eingeschränkt? Könnte man so sagen…

Über Lilli

Laufen ist denken, manchmal auch überlegen, immer aber sich erneuern. Eine neue Sicht auf die Dinge erlangen, die uns bewegen. Laufen ist manchmal auch davonlaufen, für eine Weile wenigstens, bevor man wieder heimkommt zu Mann und Kindern, Wäsche und Kochtopf, zu den eigenen Macken und all den bunten Schnipseln, die ein Leben so ausmachen. Laufen ist das beste Beobachten, das es gibt.

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