Mittwoch, 25. November 2015

Hören Sie nie auf Ihren grossen Bruder

Gestern lag Schnee, und trotzdem fuhr der kleine Strolch mit dem Rad zur Schule. Wahrscheinlich hat er Angst, in den falschen Bus einzusteigen, aber das ist eine andere Geschichte. Jedenfalls hält ihn weder Regen noch Kälte vom Fahrradfahren ab. Gestern abend stellte Lilli deshalb eine neue Regel auf: "Wenn Schnee, dann kein Fahrrad". "Es lag aber nur ganz wenig Schnee und ich bin auch nur einmal ausgerutscht", meinte der kleine Strolch zu seiner Verteidigung. "Und abends auf dem Rückweg war der Schnee auch schon wieder weggetaut", kam ihm der grosse Strolch zu Hilfe. "Egal", erwiderte Lilli. "Die Regel gilt, sobald morgens Schnee liegt, aus, fertig."

Das gefiel dem kleinen Strolch nicht. "Pass auf", sagte der grosse Strolch im Ton der Verschwörung. "Wenn morgens Schnee liegt, fährst Du mit dem Bus, und wenn abends keiner mehr liegt, fährst Du mit dem Rad nach Hause." Sich über den kleinen Bruder lustig machen, das ist zur Zeit seine Lieblingsbeschäftigung.

Montag, 23. November 2015

Die Stimme im Kopf

Monsieur ist aus dem Malkurs ausgestiegen. Er sei nicht gut genug, meinte er. Lilli ist auch nicht gut, und lange nicht "gut genug", aber ihr macht es Spass, sich jedesmal der Herausforderung des leeren Blattes zu stellen und dieses pinsel- oder-kreideschwingend (so gut es geht) zu bedecken. Die Farben erfüllen sie, das Malen leert den Kopf und nach drei Stunden taucht man aus dem Kurs auf wie frisch geduscht.

Monsieur nicht. Dabei ist er begabter als Lilli, was das Zeichnen angeht - nicht aber, was das Glücklichsein angeht. Da ist sie ihm Längen voraus.

Samstag, 21. November 2015

Unnötig

Diesen Sommer hatte Lilli eine gute Idee. Fand sie jedenfalls. Es ist ja so, dass Lilli und ihre Familie vor den Toren von Montréal wohnen und das Einzugsgebiet der Strolche sich bisher auf das Vieleck Haus-Schule-Eishalle-Freunde beschränkte, das mit dem Fahrrad abgedeckt werden konnte. Montreal selbst, d.h. die Insel von Montreal mit ihrem öffentlichen Verkehrsnetz, kannten die Strolche nur von gelegentlichen Ausflügen ins Theater oder ins Museum. Die gute Idee von Lilli bestand darin, den Strolchen diesen Sommer eine Wochenkarte zu kaufen und sie auf eine Schnitzeljagd durch die Stadt zu schicken. Jeden Tag mussten bestimmte Punkte der Stadt aufgesucht und fotografiert werden. Dabei plante Lilli grosszügig Freibadbesuche, Eisdielen und Crêpebuden mit ein, und jeden Tag sollten die Strolche weiter weggeschickt bzw. kompliziertere Bus- und Metroverbindungen ausfindig gemacht werden. "Wie heissen die drei überdimensionalen Freilichtskulpturen auf dem Gelände des neuen Krankenhauses?" lautete eine Frage, und "Wessen Statue steht direkt vor dem Eingang des Eishockeyzentrums?" eine andere.

Die Strolche brachten wenig Begeisterung auf. So wenig, dass Lilli die Schatzsuche abblies, noch bevor sie ganz geplant war, und die Strolche undankbare Langweiler schimpfte. Sollten sie doch sehen, wie sie alleine in der Stadt zurecht kommen, wenn sie dann mal plötzlich irgendwo hin müssen!

Nun, jetzt ist es soweit. Diese Woche war der grosse Strolch mit seinen Freunden in der Stadt, um diverse Sportartikel und Klamotten zu kaufen. Ganz ohne mütterliche Betreuung haben sie es geschafft, den Metroplan zu lesen und selbständig von A nach B und wieder zurück nach A zu kommen.

Natürlich hat Lilli den grossen Strolch gelobt, aber gleichzeitig war sie traurig. Die Kinder machen jetzt ihre eigenen Erfahrungen ganz ohne Lilli. Es war ihr schon klar gewesen, dass sie die Strolche bei der Schatzsuche nicht begleiten hätte können, aber wenigstens wollte sie den Lernprozess dirigieren und formatieren. "Nicht nötig", lacht das Schicksal Lilli ins Gesicht und weist sie an, sich schleunigst andere Betätigungsgebiete zu suchen. Vielleicht brauchen ja die Syrier, die demnächst hier ankommen sollen, jemanden, der sie an die Hand nimmt?

Samstag, 14. November 2015

Lilli und Jean-Michel Basquiat

Lilli ist erstaunt. In ihrem Malkurs stellt sie fest, dass sie schwarz ist. Als die Lehrerin den Schülern vorschlägt, Acrylfarben und Ölpastellkreide zu verwenden, wie es zum Beispiel Jean-Michel Basquiat zu tun pflegte, ist sie zuerst skeptisch. Immer diese Mischerei, wo man doch am besten eins nach dem anderen lernt.... Dann aber sieht sie sich seine Werke an und bekommt grosse Lust, es ihm nachzutun. Ein roter Tiger auf schwarzem Grund hat es ihr angetan und wow, macht das Spass, mit den Kreiden im Graffitistil zu malen. Den ganzen Tag über hält die Begeisterung an und nur schwer kann sie sich zurückhalten, abends im Hockeystadium an die Wand zu kritzeln.

Mittwoch, 11. November 2015

Zeit-Vertreib

Eigentlich weiss man das alles ja, was man bei so einer Fortbildung zum Thema Zeitmanagement gesagt bekommt: planen, Prioritäten setzen, Unvorhergesehenes einplanen, Unterbrechungen ausschalten, Rollen klar verteilen, delegieren, usw. Eine Analogie fand Lilli dann aber doch neu und treffend (auch wenn sie ein bisschen hinkt, wie das Analogien oft an sich haben):

Stellen Sie sich vor, Sie bekämen jeden Morgen 32400 Dollar zugeteilt. Was würden Sie damit machen, wenn Sie wüssten, dass am Abend das Geld, das nicht ausgegeben ist, verfällt? Und am nächsten Tag das gleiche wieder von vorne anfängt?

Als Lilli den Strolchen die Frage stellte, war der Reflex des grossen Strolches, das Geld auf die Bank zu bringen. "Nein, geht nicht", sagt Lilli. Man kann es nicht ansammeln, nur jeden Tag ausgeben. Da wussten sie nicht so recht weiter - der kleine Strolch würde ein Auto kaufen und eine PS4, danach hatte er keine Wünsche mehr offen.

Die vom Fortbildungsleiter gewünschte Antwort war, dass man sich gut überlegen würde, wie man das Geld ausgibt und es dann auch bis zum letzten Dollar verbraucht, damit es nicht einfach so verfällt. "Und jetzt stellen Sie sich vor, sie bekommen nicht 32400 Dollar, sondern 32400 Sekunden jeden Morgen. Das entspricht der freien Zeit neben Arbeit und Schlafen, die Ihnen jeden Tag zur Verfügung steht. Wie gehen Sie damit um?"

Ja, wie geht Lilli damit um? Sie denkt an all die Abende, die sie systematisch vor dem Fernseher verbringt, an all die "nicht ausgegebenen" Sekunden, die sie verstreichen lässt, ohne sie sinnvoll zu investieren. Das heisst nicht, dass Fernsehen generell sinnlos ist. Wenn sie mit den Strolchen auf dem Sofa kuschelt und gemeinsam eine fesselnde, unterhaltsame Serie sieht, ist das gut investierte Zeit mit viel Spass- und Zusammengehörigkeitsfaktor. Wenn sie aber automatisch zur Fernbedienung greift, ohne sich zu überlegen, ob sie nicht eigentlich lieber malen oder lesen oder stricken würde, und irgendeine Schrottsendung an sich vorbeiziehen lässt, bis es Zeit für die Nachrichten ist... ja, dann ist das grobe Verschwendung.

Mit Geld geht sie jedenfalls nicht so um.

Samstag, 7. November 2015

Lilli und die Zombies

Die Hockey- und Fussballmutter mit den österreichischen Wurzeln, die noch grösser und ungeschminkter als Lilli ist und auch ansonsten sehr sympathisch, hat Lilli The Walking Dead wärmstens empfohlen. Jetzt, da Lilli mit Broadchurch fertig ist (leider, LEIDER, denn Broadchurch gehört mit zum Besten, was Lilli je fernzusehen gegönnt war), braucht Lilli neues Fernsehfutter. "Das ist weniger eine Horrorserie als eine soziologische Studie der Menschen in extremen Krisenzeiten. Wie sie reagieren, was plötzlich wichtig wird, wie sie ihre Prioritäten setzen, wie sich Beziehungen aus Bedürfnissen heraus entwickeln und so", meinte die Freundin.

Jaha. Grausig sind die Zombies aber allemal, und leider besteht die Kamera darauf, auf den unerträglich geschminkten Gesichtern und den glasigen Augen so lange zu verweilen, dass sich Lilli hinter vorgehaltener Hand verstecken muss. Noch jetzt beim Schreiben wird ihr schlecht davon. Liebe Freundin, diese DVD kommt schleunigst wieder aus dem Haus.

Dienstag, 3. November 2015

Sonntag bei der Grippeimpfung

Das Wartezimmer ist voller Leute in grauen Herbstjacken, die Luft ist zum Schneiden, draussen wird es, kaum vier Uhr, schon dunkel. Ein junges Elternpaar versucht, die einjährige Tochter in Gummistiefel und Anorak zu stopfen. Ihr Gesicht ist gerötet, die Haare verschwitzt.

"Noooooooooooon, nooooooooooooooon, nooooooooooooooon", sagt sie tief und langgezogen, während die Eltern an ihr hantieren. Die Gummistiefel scheinen drei Grössen zu klein zu sein, jedenfalls passen die Füsse nicht rein.

Dann ist der Anorak dran. "Non! Non! Non!", sagt die Kleine jetzt schon deutlich lauter und deutlich höher. Als auch das nichts hilft, geht sie über zu noch lauterem "Ne-ne-ne-ne-ne! Non! Neeeeeeeeeeeeeeeee! Nuuu..."

Und da behaupten Leute, Babys könnten nicht sprechen. Der ganze Wartesaal hat die Kleine verstanden und mit ihr mitgelitten.

Sonntag, 1. November 2015

Kingston ist ja so hip

Reisen bildet: Wer hätte gedacht, dass eine kanadische Rockband aus so einer verschlafenen Stadt wie Kingston kommen kann?

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Lilli wettet, dass selbst Monsieur die Band nicht kennt. Und dass sie ihm gefallen wird.

Über Lilli

Laufen ist denken, manchmal auch überlegen, immer aber sich erneuern. Eine neue Sicht auf die Dinge erlangen, die uns bewegen. Laufen ist manchmal auch davonlaufen, für eine Weile wenigstens, bevor man wieder heimkommt zu Mann und Kindern, Wäsche und Kochtopf, zu den eigenen Macken und all den bunten Schnipseln, die ein Leben so ausmachen. Laufen ist das beste Beobachten, das es gibt.

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Zuletzt aktualisiert: 23. Mai, 03:27

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