Hundebesitzer sind ja schon meist ganz nette Menschen, zumindest werden sich genauso viele nette Menschen darunter befinden wie unter all den anderen Leuten, die keine Hunde haben. Trotzdem kann man nicht gut mit ihnen reden, wenn sie sich ganz verbotenerweise mit ihrem Hund in einem Park aufhalten, in dem Kinder spielen. Dabei stört mich ja gar nicht so sehr die Tatsache, dass ihr Aufenthalt in diesen Parks verboten ist, also es stört mich nicht der Verstoß an sich. Es stört mich ja auch nicht der Schwarzfahrer in der Metro, und selbst die meisten Graffitisprüher lassen mich kalt. Vielmehr stört mich die Weigerung der Hundebesitzer, die Fundiertheit des Verbots einzusehen (Hunde können beißen, vor allem kleine Kinder, deren schrille Schreie und fahrige Bewegungen selbst der klügste, liebste Hund falsch interpretieren kann, außerdem sind ihre Exkremente an Orten, an denen Kleinkinder alles aufheben und in den Mund stecken, keine gute Idee, ALSO MUSS MAN DAS NOCH EXTRA ERKLÄREN?), sowie ihre Neigung, auf etwaige Bemerkungen beleidigt oder gar aggressiv zu reagieren. Das läuft meistens so ab:
Lilli und ihre Strolche spielen Ball im Park. Ein Hund kommt hechelnd angelaufen, rennt den kleinen Strolch fast über den Haufen, schleckt ihn ab, rennt weiter, beißt in den Ball. Will spielen. Der kleine Strolch läuft zu Lilli und kriecht in ihre Kniekehlen. Der Hundebesitzer kommt angetrabt, freut sich, seinen Hund zu sehen, findet seinen Hund ganz toll.
Lilli: „Entschuldigung, aber könnten Sie wenigstens Ihren Hund an die Leine nehmen? Er macht den Kindern nämlich angst. Außerdem sind Hunde eigentlich in diesem Park verboten, weil er ja für Kinder gedacht ist, nicht wahr.“
Hundebesitzer-Reaktion 1: (wie aus allen Wolken gefallen) „Ja, aber, das ist ein ganz lieber Hund. Der tut Ihrem Kind nichts.“ Ha, ha, das Risiko möchte Lilli aber nicht eingehen. Außerdem ändert es nichts an der Tatsache, dass der kleine Strolch Angst hat und nicht abgeschleckt werden möchte. Der Hundebesitzer geht kopfschüttelnd weiter.
Hundebesitzer-Reaktion 2: (beleidigt) „Mein Hund wird Ihr Kind schon nicht fressen. Es ist ja wohl genug Platz für alle da.“ Der Platz ist für Kinder da, Hunde sind hier verboten!
Hundebesitzer-Reaktion 3: (aggressiv) „Dann rufen Sie doch die Polizei!“ Hat die Polizei nicht Wichtigeres zu tun? Lilli hatte eigentlich gedacht, man könnte sich zivilisiert darüber unterhalten…
Warum darf man von Hundebesitzern nicht erwarten, dass sie auf die anderen Anwesenden RÜCKSICHT nehmen? Warum sind sie beleidigt, wenn man ihren Hund einen Hund nennt und Kinder für wichtiger hält? Warum gehen sie nicht auf die für sie reservierten Gelände, auf denen sie ihre Lieblinge frei rumrennen lassen können? Lilli jedenfalls wird, wenn es um Hunde geht, zum Tier.
Wahrscheinlich ist das ein Gen, das mit der Geburt des ersten Kindes aktiviert wird und dazu führt, dass ganz harmlose Mütter plötzlich ganz netten Menschen die Zähne zeigen.
Lilli legt los - 25. Aug, 08:48
Letzte Nacht träumte ich, ich sei wieder in Manderley – nein, aber ein Alptraum der schlimmsten Sorte war es trotzdem. Ich kann mir schon ungefähr denken, was es bedeutet, wenn man von zerstörten, ausgeräumten Wohnungen und darin herumkriechenden ekligen Schalentieren träumt, die man nicht kaputtkriegt, aber weiterhelfen tut es nicht. Zum Glück gelingt es mir immer wieder beim Laufen, alle Schubladen meines Hirns für eine Weile zuzuschieben, auch wenn manche davon so voll sind, dass sie (nachts dann eben) überquellen. Eine Weile soll Ruhe da oben sein, verstanden?
Der bevorstehende Herbst verspricht, unbequem zu werden. Und dabei hatten wir noch nicht mal einen richtigen Sommer...
Lilli legt los - 21. Aug, 10:15
Im Laufe des Sommers muss Lilli zu allerhand mondänen Angelegenheiten, die in unterschiedlich eleganten Rahmen stattfinden und den immergleichen Kern von Leuten mit wechselnden Zusatzgästen zusammenführen. Lilli hat sich inzwischen daran gewöhnt, dass sie aufgrund der ihr angeborenen Größe und ihrer im Laufe der Jahre anwachsenden Absätze keine Chance hat, sich in der Menge zu verstecken, sondern im Gegenteil schon beim Eintritt in einen Raum die Blicke auf sich zieht. Tatsächlich hat sie im Studium mal gelernt, dass das Auge mit Vorliebe betrachtet, was aus dem Rahmen fällt (d.h., die Bewegung inmitten von Stillstand, die Kontrastfarbe, die geschlossene Form inmitten von Linien usw.) und weiß deshalb, dass die Leute nicht absichtlich den Kopf drehen – sie können einfach nicht anders. Folglich muss Lilli auch viele Leute grüßen, was hier entweder mit Küsschen rechts/links (und nicht rechts/links/rechts wie in Frankreich) abläuft oder mit einem Händedruck, der der Schwäbin in ihr natürlich tausendmal lieber ist. Was sie aber gar nicht leiden kann, sind die Leute, die ihr die Hand geben, ohne zu drücken. Also so was Unangenehmes! Da liegt die Hand schlaff wie ein warmer Fisch in der unsrigen, wir drücken zu und spreizen anschließend die Finger, als hätten wir sie aus Versehen in Himbeergrütze getaucht und müssten nun die einzelnen glibberigen Stücke abschütteln. Da drängt sich doch glatt die Frage auf, wieso noch niemand diesen Nichtdrückern gesagt hat, dass sie dadurch genau das hinterlassen, was man einen negativen Ein-Druck nennt? Mit anderen Worten, dass sie so bei ihrem Gegenüber sofort untendurch sind? Wobei untendurch bei Lilli – aufgrund ihrer Körperlänge, nicht wahr – ziemlich weit unten ist…
Lilli legt los - 20. Aug, 08:17
Hier auf einem T-Shirt gelesen: "Ich bin nur wegen dem Bier hier" - stellen sich da bei niemandem ausser mir die Haare auf? So hatte also das Buch, das ich bei meinem letzten Deutschlandbesuch nicht gekauft habe, doch recht: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod.
Lilli legt los - 19. Aug, 10:05
Schönheit liegt im Auge des Betrachters, wie man spätestens seit diesem Südstaatenfilm mit John Cusack weiß, wenn man schon nicht den kleinen Prinzen gelesen hat. Zudem wird Lilli diesen Monat von einer Zeitschrift, zu der sie sich nicht öffentlich bekennen möchte, dazu aufgefordert, vom Sehen (der eigenen körperlichen Mängel) zum Erkennen (der wahren inneren Schönheit) zu gelangen, indem sie die linke rationale Gehirnhälfte zugunsten der rechten gefühlsbetonten Gehirnhälfte ausschaltet. Und da Lilli im Moment großzügig aufgelegt ist, hat sie gleich diesen Morgen beim Laufen mit der ersten Übung angefangen, die darin besteht, seine Antennen auszufahren und bewusst mit allen Sinnen durch die Welt zu gehen.
Schwüle Hitze, Gewitter liegt in der Luft. Laufen, laufen, an der ersten Kreuzung Autos vorbeilassen. Ding, ding, tschu, tschu, da fährt der Zug in die Innenstadt. Gelbe Löwenzahnblüten, blauer Lavendel vor weißer Hauswand. Risse und Löcher im Gehweg, das kommt von der Kälte im Januar, Asphalt hält so viel Kälte einfach nicht aus. Ratteratteratter, ein Großmütterchen fährt auf dem Fahrrad an mir vorbei. Eisdiele, Schmuckgeschäft, die Bronzeskulptur einer Mutter mit Kind, der man so gern über den Kopf streicheln würde. Weiter zur Eishalle, die Plakate „Touchez pas à mon parc“ mit diesem nervenden Grammatikfehler. Dann riecht es nach Keksen, heute die Haferflockenkekse mit Apfel, eine Keksfabrik ist immer noch besser als eine Lackfabrik oder ein Gummireifenhersteller. Schweiß, Durst, Hunger, Schmerz. Schon wieder ein Polizeiauto, immer an diesem Eck, und nie sitzt jemand drin. Mit den Armen Kreise in die Luft schreiben, denn die kommen sonst zu kurz, die Arme, und es gibt nichts Hässlicheres als knitterige Oberarme. Durst. Heimkommen. Olympiamusik, die Strolche sitzen vor dem Fernseher, Monsieur schläft. Duschen. Pflatsch, pflatsch, pflatsch. Aaaahhhh.
Lilli legt los - 18. Aug, 11:09
Lilli liest Todesanzeigen. Man kann nicht sagen, dass sie sie gerne liest, eher zwanghaft und mit dem Anflug einer winzigen, morbiden Gänsehaut. Hier in Québec sind sie zudem bebildert, was dem Ganzen einen zusätzlichen Reiz gibt, denn manchmal sind es junge Leute, die einem da frisch wie ein Zitronensorbet entgegenlachen und doch, wie der Text besagt, jetzt tot sind. Manchmal sind sie alt und zerknittert, manchmal sind auch zwei Photos dabei, ein junges und ein altes, das uns dann das Werk der Zeit und die verheerenden Auswirkungen von zu viel Sonne vor Augen führt. Heute morgen fiel Lillis Augenmerk auf eine Anzeige, weil der Name mit dem von Monsieur bis auf ein L übereinstimmte, und entdeckte dabei eine ganz neue Form der Formulierung:
Der Text lautete: „Frau Soundso ist am 13. August gestorben. Ihr Mann X und ihre Kinder A, B und C sind traurig. Ihre Brüder und Schwestern M, N, O und P und deren Familien sind ebenfalls traurig.“ Tja, damit ist eigentlich alles gesagt, und man hat sich all das Hochtrabende und Umständliche gespart, das bisher immer für nötig gehalten wurde. Mir jedenfalls wäre es so auch am liebsten. Auch bitte ohne weisse Luftballons und/oder Tauben.
Lilli legt los - 15. Aug, 10:38
gibt es nicht, genauso wenig wie knitterfreies Leinen oder ein geruchloses Knoblauchbrot. Deshalb – dies nur als Nachtrag zu meinem Frust über das stundenlange „Parken“ der Kinder vor Bildschirmen, das manche Eltern praktizieren, da die Spiele doch so lustig und lernfördernd zugleich und die Kinder überhaupt ganz wild darauf sind – gibt es auch keine Kinder, die nicht ab und zu Krach machen, schmutzen, Gegenstände zerbrechen, unbequeme Fragen stellen und überhaupt kostbare Zeit beanspruchen, die diese Leute nicht bereit sind, in ihren Nachwuchs zu investieren.
So, und jetzt muss ich los, heute gibt’s hier eine Schlammschlacht.
P.S.: Wetten, dass mir dieser Titel ein paar neue Besucher einfängt? Für heute wenigstens…
Lilli legt los - 14. Aug, 11:42
Das morgendliche Laufen ist zur Droge geworden, zum Stoff, den man braucht, um den Tag in Angriff nehmen zu können, um sich gesund zu fühlen und um eins zu sein mit sich und der Welt. In einer Zeit, in der die Transportmittel immer schneller und verfügbarer werden, in der Dokumente in Sekundenschnelle übermittelt werden und Warten bzw. Stillstand als Qual empfunden wird, scheint Laufen und das damit verbundene langsame Vorübergleiten der Umgebung meine Seele in ihren Idealzustand zu versetzen. Der Haken ist nur der: je mehr ich laufen möchte, umso mehr Zeit muss dafür gefunden werden – was manchmal nur geht, wenn ich andere Aufgaben schneller schneller schneller erledige. Ich frage mich, ob das nun gesund ist oder aber genau das, was man in Junkiekreisen die Todesspirale nennt.
Lilli legt los - 13. Aug, 10:33