Freitag, 5. September 2008

Eins obendrauf

Monsieur kommt mit vollen Armen nach Hause: er hat es nicht nur geschafft, drei DVDs zum Preis von zweien auszuleihen, sondern obendrein noch die „Journal de Montréal“ umsonst bekommen. Dabei handelt es sich um eine Tageszeitung, die Monsieur zwar zu kaufen ablehnt, da Blut daraus tropft, sobald man sie etwas zu schräg hält, die er aber natürlich trotzdem ab und zu genüsslich liest. „Was will man mehr“, grunzt er zufrieden und eher rhetorisch in die Runde, aber auch darauf hat der kleine Strolch eine Antwort: „Kaugummi?“

Donnerstag, 4. September 2008

Das hat man nun vom Ja-Sagen

Die wichtige Kundin hatte 5 Personen im Gefolge, zusammen mit Lilli und Monsieur saßen also 8 Leute im schicken Restaurant, das am Ende des Abends eine Rechnung von über 1000 $ präsentierte. Die wichtige Kundin sprach ununterbrochen über sich und ihre Firma, während ihr Mann sich Lilli gegenüber schwärmerisch an seinen Besuch in einer Tübinger Verbindung („ach so romantisch! Die Trinkerei, die Reden, das Fechten, es hatte alles so viel Stil“) erinnerte und sich alle anderen Anwesenden bemühten, hin und wieder ein geistreiches Wort einzuwerfen. Es wurde über Blackberries und Applecomputer geredet, über Dubai und dass es sich nicht lohnt, hinzufliegen. Es war sterbenslangweilig und anstrengend, denn außer der wichtigen Kundin war keiner zum Vergnügen hier. Schließlich wurde sogar noch vorgeschlagen, ins Kasino zu gehen, was Lillis Magen zu einer vollständigen Umdrehung veranlasste, die dem zuvor gegessenen Perlhuhn nicht gerade wohl bekam. Ohne es zu wollen, schlüpfte Lilli ein sarkastisches „Klar geh ich mit, darüber lässt sich bestimmt hervorragend bloggen“ heraus, das rund um den Tisch mit Unverständnis aufgenommen wurde. Vom Bloggen hatten diese Leute keine Ahnung, denn damit lässt sich doch kein Geld verdienen…

Mittwoch, 3. September 2008

Lilli hat den direkten Draht nach oben

Vor zwei Wochen hat Lilli Folgendes notiert:

Es wird einfach nicht richtig heiß diesen Sommer. Morgens laufe ich an beschlagenen Autos vorbei, die Luft ist kühl wie im Oktober, fast schon halte ich nach rotgefärbten Blättern an den Ahornbäumen Ausschau. Der große Strolch erklärt mir, dass der viele Regen durch die Luftverschmutzung und die globale Erwärmung verursacht wird, aber so einfach lasse ich mich nicht abspeisen: ich persönlich habe einen schönen Sommer verdient, denn ich trenne meinen Müll, kompostiere in einer schicken blauen Kugel, fahre Fahrrad und nehme schon lange keine Plastiktüten mehr im Supermarkt, wofür ich bestimmt jedes zweite Mal vom Einpackheini verständnislos angeglotzt werde, da Plastiktüten hier (noch) umsonst sind und den Kunden praktisch nachgeschmissen werden. Deshalb: wo bleibt meine Hitzewelle, mein Mikroklima, wo meine schwülen Nächte und flirrenden Gehwege? Nachricht an oben: ich nehme das so langsam persönlich.

Inzwischen ist die Hitzewelle angerollt, für heute und die nächsten Tage sind lodernde 30 Grad angesagt. Zwar sind die Freibäder seit dem Wochenende geschlossen und die schöne Hitze deshalb irgendwie verschwendet, aber Lilli hat trotzdem den Eindruck, erhört worden zu sein. Kleine Dankesgaben in rechteckigen 100-Gramm-Packungen können jederzeit an Lillis Türschwelle hinterlegt werden.

Dienstag, 2. September 2008

Das Gute am im Ausland leben

Das Gute am im Ausland leben (dieses „am im“ ist schon faszinierend, oder?) ist, dass man sich eine neue Familie zusammenstellen muss, deren Mitglieder man nach Geschmack und Gefallen aussucht, anstatt sie durch Geburt aufs Auge gedrückt zu bekommen. So findet man, wenn man Glück hat, im Lauf der Zeit (keiner hat gesagt, dass es einfach wäre)

- Leute, mit denen man einfach gern zusammen ist (als Ersatz für die coole Tante);
- Leute, die wir uns als Vorbild nehmen können (als Ersatz für den großen Bruder);
- Leute, die uns anfeuern und an uns glauben (als Ersatz für die Eltern); und
- Leute, die uns um Rat fragen (als Ersatz für die kleine Schwester)

und geht ein Stückel miteinander. Manche sieht man oft, manche nur zweimal im Jahr, und die Unverbindlichkeit der Freundschaft sorgt dafür, dass das Band, das uns zusammenhält, aus Aufrichtigkeit geknüpft ist. Damit meine ich nicht, dass man einen Freund fallen lassen kann, sobald er uns nicht mehr passt. Sondern die Tatsache, dass uns keiner zwingt, jemandem zum Freund zu wählen. Tun wir es, dann aus freien Stücken, weil man die betreffende Person wirklich mag, und nicht, weil wir mit ihr verwandt sind. Wenn man sich trifft, dann deshalb, weil beide Parteien es wirklich wollen, und nicht, weil Tante Mathilde Geburtstag hat. Schön. Wunderbar.

Komischerweise findet man aber keinen Ersatz für die Oma.

Freitag, 29. August 2008

Erster Schultag (nach 10 Wochen Ferien)

Gestern war ich noch Aufsichtsperson im Skatepark und fühlte mich untergenutzt, heute bin ich nur noch Begleitpersonal bis zum Schultor und fühle mich leer. Was sich zuerst schlecht anfühlte, inzwischen aber ganz gut. Was leer ist, kann schließlich neu gefüllt werden, wer weiß womit.

Donnerstag, 28. August 2008

Professionelle Handschüttler

Es klingelt, der kleine Strolch macht auf, holt mich dann (hab ich ihm das nicht andersrum erklärt?), zwei Männer stehen höflich auf der Matte, sind aber trotzdem keine Zeugen Jehovas – es sind Politiker. In unserem Wahlkreis finden nämlich Anfang September Wahlen statt, weshalb auch die Straßen mit Wahlplakaten gepflastert sind, über die die Strolche viele Fragen stellen. „Frau S. gewinnt bestimmt, sie hat die meisten Plakate“, sinniert der große Strolch, und ich merke, wie schwierig es ist, Demokratie zu erklären. „Frau S. sieht aus, als ob sie weint“, meint der kleine Strolch nur und bringt damit ihr gezwungenes Lächeln auf den Punkt. Jetzt aber steht Kandidat C. vor der Tür und will sein „Schpiel“ loswerden, wie es mein früherer Boss so schön auf jiddisch gesagt hätte. Zwar darf ich nicht wählen, da ich dafür erst einmal die kanadische Staatsbürgerschaft annehmen müsste, was automatisch den Verlust des weinroten Lappens (und damit der Möglichkeit, sich irgendwann einmal wieder in Deutschland oder überhaupt Europa niederzulassen, gell) mit sich bringen würde, aber die Gelegenheit, den Strolchen Politik live vorzuführen, lasse ich mir nicht entgehen. Und so rattert Herr C. vor einer Nicht-Staatsbürgerin und zwei kleinen Jungs mit großen Augen sein Programm herunter, spricht von öffentlichem Nahverkehr, Subventionen für die Kultur, fasst das Thema Umwelt mit Samthandschuhen an, zieht als letzten Trumpf die Karte, dass er wenigstens als Einziger aus der Gegend stamme, aus dem Ärmel. Alles in allem eine gute Performance, und dass er haargenau so ausshieht wie auf seinem Wahlplaket, ist ein Extrabonus. Als ich die Tür hinter ihm zumache, klingelt das Telefon. Frau S. ist dran und möchte wissen, ob sie mit meiner Stimme rechnen kann. „Ich werde überhaupt nicht wählen“, sage ich etwas (zu) unfreundlich. Jetzt, da ich einem richtigen Politiker die Hand gegeben habe, ist mir ein schnödes Telefonat nicht mehr gut genug.

Mittwoch, 27. August 2008

Einfach vorbildlich

Hier soll nicht der Prozess von Lillis Schwiegermutter stattfinden, oh nein, obwohl sie eine egozentrische, manipulierende, ganz und gar oberflächliche…. ...aber es wäre ja zu billig, einfach stillos. Nein, Lilli hat vielmehr vor Monaten beschlossen und in die Praxis umgesetzt, sich ihrer Schwiegermutter gegenüber wie eine Ente zu verhalten – sie lässt böse Kommentare und egoistische Manipulationsversuche an sich abperlen wie Wasser auf dem Rücken einer Ente. Ihr Mantra – „Ich bin eine Ente, ich bin eine Ente“ – sagt sie sich vor, sobald sie Gefahr läuft, sich zu sehr über die Frau aufzuregen, die auf die Ankündigung, dass ihr Sohn ein Magengeschwür hat und deshalb Stress vermeiden sollte, in etwa so reagiert: „Ach, das ist ja schrecklich, wer soll denn dann meine Steuererklärung machen?“

Früher noch habe ich mich über solche Sachen aufgeregt. Dann brachte ich viele Stunden damit zu, einzelne Kommentare und Antworten darauf in meinem Herzen hin- und herzubewegen, zu drehen und zu wenden und nach Möglichkeiten zu suchen, der Frau klarzumachen, dass sie erwachsene Leute so nicht behandeln darf. Jetzt versuche ich es also mit der Ententechnik und habe sogar entdeckt, wie ich meine Schwiegermutter und deren Verhalten auf ganz heimtückische Weise zum Vorbild nehmen kann:

Aktion: Monsieur ruft seine Mutter an, um ihr mitzuteilen, dass er zu viel Arbeit hat, um wie unverbindlich geplant am Wochenende zu Besuch zu kommen.

Reaktion: „So ist das also, du kommst überhaupt nicht mehr, kümmerst dich nicht mehr, wenn dir wirklich nichts an mir liegt, kann ich ja das väterliche Haus verkaufen und überhaupt.“

Ergebnis: Monsieur hat sofort schlagartig keine Lust mehr, irgendwann einmal wieder seine Mutter zu besuchen. Wenn er das nächste Mal hinfährt, wird es ihm so vorkommen, als müsse er sich zerknirscht fühlen und um Entschuldigung bitten wie damals, als er fünf war und aus Versehen eine Salatschüssel zerbrochen hat.

Lektion: Wir lernen von unserer Schwiegermutter! Wenn ich will, dass die Strolche mich später einmal gerne besuchen kommen, dann weiß ich wenigstens jetzt schon, wie ich mich auf keinen Fall verhalten sollte…

Dienstag, 26. August 2008

Aber ja doch

Lilli ist hier ohne groß nachzudenken (AHA!) einen Pakt eingegangen, einen Positiv-Pakt sozusagen, bei dem sie von jetzt an einen Monat lang zu allen sich bietenden Gelegenheiten des Lebens "ja" sagen soll, obwohl sie vielleicht lieber aus Scheu/Bequemlichkeit/völlig unmotiviertem Minderwertigkeitsgefühl "nein" sagen würde. Sie wird sich also von nun an nackt wie eine Schnecke ohne Schneckenhaus dem Leben entgegenwerfen - nur, um herauszufinden, wie sich das anfühlt und ob vielleicht etwas Gutes dabei herauskommt.

Die ersten paar Tage hatte das Leben wohl noch nicht gemerkt, dass es hier eine offene Tür einrennen kann, denn es blieb so ruhig und ereignislos, wie es sich manchmal in den Sommerferien verhält. Nun aber ist es wohl auf meine neue positive Haltung aufmerksam geworden, denn es fährt unablässig Termine auf, die ich mit Herzklopfen in den Kalender eintrage. So stehen heute und am Donnerstag zwei Besuche an, die im Prinzip harmlos wären, wenn nicht Monsieur am Freitag Abend wichtigen Geschäftsbesuch mit nach Hause zu bringen vorhätte, für den die Schwäbin in mir nicht nur was Feines kochen, sondern natürlich auch ordentlich putzen möchte - vielleicht in einer Nachtschicht, denn wie ich sonst alles auf die Reihe bringen soll, ist im Moment noch unklar. Eines steht fest - ich hab viel zu viel zu tun, um jetzt noch weiter zu bloggen!

Über Lilli

Laufen ist denken, manchmal auch überlegen, immer aber sich erneuern. Eine neue Sicht auf die Dinge erlangen, die uns bewegen. Laufen ist manchmal auch davonlaufen, für eine Weile wenigstens, bevor man wieder heimkommt zu Mann und Kindern, Wäsche und Kochtopf, zu den eigenen Macken und all den bunten Schnipseln, die ein Leben so ausmachen. Laufen ist das beste Beobachten, das es gibt.

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