Wenn Lilli die Wahl hat zwischen 45 Minuten Bloggen oder genauso lang Badezimmer putzen, gewinnt oft das Bloggen. Gemein ist nur, dass dabei die Zeit viel schneller vorbeigeht als beim Aufwischen von Zahnpasta und Duschgel. Irgendwas stimmt da nicht mit der Uhr am Computer...
Lilli legt los - 14. Okt, 10:10
Die Bücherserie scheint geradezu für den kleinen Strolch persönlich geschrieben worden zu sein: Percy Jackson, 12-jähriger Junge mit unbekanntem Vater, entdeckt plötzlich, dass er direkt von Poseidon abstammt und somit ein Halbgott ist, dem allerlei Heldentaten abverlangt werden. Geholfen wird ihm dabei von Annabeth, Tochter von Athena und einem Harvardprofessor, und seinem besten Freund, der sich als Satyr entpuppt, dessen Mission darin besteht, Percy vor all den Fabelwesen zu beschützen, die seinerzeit schon Odysseus bekämpfen musste. Der kleine Strolch, sonst kein allzu geduldiger Leser, ist glücklich, und Lilli auch. Denn seit sie es geschafft hat, ihrem Sohn den ersten Band aus den Fingern zu winden, liest sie abends Percy Jackson. Es ist so herrlich simpel und trotzdem spannend geschrieben, dass sie ihr Gehirn abschalten kann und einfach an gar nichts mehr denkt. Eine Wohltat.
Lilli legt los - 13. Okt, 15:02
Mit grossem Geschrei sammeln sich die Wildgänse am Himmel, um nach Süden zu fliegen. Es ist Zeit, denn die Blätter fallen schon von den Bäumen und nachts kann es mächtig kalt werden. Die Wildgänse ziehen davon, in Dreiecken oder schönen geraden Linien, und keiner weiss, ob ihr Krächzen nun ein Abschiedsgruss oder aber schallendes Gelächter ist. Die Menschen am Boden bleiben zurück, nun ganz allein mit den Eichhörnchen und Feldhasen, und fragen sich: warum eigentlich? Warum tut man sich den Winter an? Dann fällt ihnen das Skifahren ein und sie atmen tief durch, bevor sie den Kragen hochschlagen und die Hände in die Taschen stecken. Wer in den Mantelkragen atmet, dem beschlägt die Brille.
Lilli legt los - 28. Sep, 10:00
Da die Stadtverwaltung beschlossen hat, ein neues Sportzentrum zu bauen, und im Sommer schon mal forsch daran ging, das alte abzureissen, bevor überhaupt ein Bauherr für das neue Projekt gefunden ist, sucht Lillis Hausfrauengymnastik nach einer neuen Bleibe. In den letzten zwei Wochen war es Lilli deshalb beschieden, die Gemeindesäle verschiedener Kirchen zu betreten (was Lilli in ihrem vorigen Leben nur selten passiert war) und mit Erstaunen zur Kenntnis zu nehmen, dass diese allesamt in schlechtem Zustand und mit fraglichem Geschmack dekoriert sind. So hüpfen also die Damen stattlichen Alters und die drei Mädels aus Lillis Generation, wahlweise mit Schlabber-Jogginghosen und ausrangiertem T-Shirt oder enganliegenden Yogaklamotten ausgestattet, neben Plakaten, auf denen "Jeder Tag ist ein Tag in Gottes Anwesenheit" und "Blühe dort, wo Deine Wurzeln sind" steht, zum Rhythmus der Schlager der 80er Jahre, in denen Lillis Lehrerin zum ersten Mal verliebt war. Lilli sehnt sich nach der alten Sporthalle zurück, in der zwar auch der Putz von den Wänden blätterte, die aber immerhin gar nicht dekoriert war und keines der drei Übel aufwies, die Lilli als die schlimmsten Makel der neuen Ersatzturnhallen definiert hat:
1. der Geruch nach scharfen Putzmitteln, kaltem Kaffee und alten Tupperschüsseln, der dort wabert, wo Kirchengemeinderatsmitglieder und Krabbelgruppen tagen, turnen und Kekse essen.
2. der Geruch nach alten Klamotten und noch älteren Büchern, die wohltätige Vereinsmitglieder in einem fensterlosen Verschlag hinter der Bühne horten, um sie am Bazar vor Weihnachten für einen guten Zweck zu verscherbeln.
3. Spiegelwände.
Nr. 3 - OGOTTOGOTTOGOTT! - tauchte heute Morgen ganz unerwartet in einem Saal auf, der ansonsten (mit seinen grossen Fenstern und dem hübsch grün-rot kariertem Linoleumfussboden) gar nicht schlecht wäre. Eine ganze Wand, von oben bis unten mit Spiegeln beklebt, die Lilli mit einem Bild beworfen haben, auf das sie gerne verzichtet hätte. Vielleicht, wenn man die Spiegel grossflächig mit besinnlichen Plakaten überdecken könnte... denn obwohl Lilli gerne dort blühen möchte, wo ihre Wurzeln sind, ist das Zusehen dabei die reinste Folter.
Lilli legt los - 27. Sep, 13:52
Besuch beim Kieferorthopäden mit dem kleinen Strolch, dem so einiges bevorsteht, bevor er richtig zubeissen oder gewinnend lächeln werden kann. Der Kostenvoranschlag hat es in sich, und Lilli hofft, während sie auf edlen Stühlen sitzt und verständnisvoll mit den Füssen wippt, dass ihre Krankenkasse das meiste übernehmen wird. Zuhause angekommen stellt Lilli fest, dass die Krankenkasse in ihrer (natürlich auf französisch verfassten) Broschüre einen Höchstsatz von 2000 Dollar vorschlägt, "viager", wie extra noch dazusteht. Lilli wird ganz flau im Magen, denn obwohl sie "viager" nicht mit Sicherheit kennt, kann sie sich schon denken, dass es nicht etwa "pro Jahr" bedeutet... Ein Blick ins Wörterbuch bestätigt ihre Zweifel: in den nächsten Jahren wird Lilli damit beschäftigt sein, ihr Gehalt dem kleinen Strolch gleich schaufelweise in den Rachen zu stopfen. Und sie hatte schon heimlich damit geliebäugelt, sich eine Putzfrau zu leisten...
Lilli legt los - 22. Sep, 14:46
Lilli ist ratlos. Da liest sie ein hochgelobtes, preisgekröntes Buch und findet weder die Handlung einleuchtend noch den Stil so richtig fesselnd. So wie damals bei Amélie Poulain, als alle "Meisterstück" schrien und Lilli nur die Stirn runzelte. Beim "Schatten des Windes" ist es aber schlimmer: obwohl Lilli die Geschehnisse des Buchs (verkorkster Schriftsteller, dem im entscheidenden Moment seines Lebens der Mut fehlte, will seine Bücher verbrennen, trifft aber auf sein alter ego und schöpft Hoffnung, durch ihn irgendwie erlöst zu werden) und auch die subtilen Anspielungen auf Schicksale, die sich wiederholen, und Väter, die keine sind (Daniel Sempere "sans père") versteht, schlägt sie am Ende das Buch zu, ohne sich einen Reim darauf machen zu können, was auf den letzten Seiten denn nun wirklich passiert ist. Deshalb: kann jemand sich erbarmen und Lilli erklären, wie der Schatten des Windes endet? Aber gaaaanz langsam, bitte.
Lilli legt los - 20. Sep, 09:17
Lillis
Hausfrauengymnastik ging diese Woche wieder los, diesmal sogar zusammen mit einer Freundin, die sich von Lillis Begeisterung (oder gar ihren hübsch geformten Oberarmen?) hat anstecken lassen. Die Freundin will sich ganz hinten aufstellen und ist erstaunt, als Lilli sie weiter nach vorn in die Mitte zieht. "Macht es dir gar nichts aus, dass dich alle sehen?", fragt die Freundin. Nein, das macht Lilli nichts aus - sie will nach vorn in die Nähe der Lehrerin, punktum. Die Blicke im Rücken sind ihr wurscht, und nie hätte sie gedacht, dass andere Leute das als mutig empfinden. "Denk nicht daran, wie andere Leute über dich denken, denn meistens denken sie gar nichts", sagt Lillis Vater immer (er sagt auch immer "Es wird dir keiner was anderes geben", wenn Lilli sich darüber sorgt, ob sie wohl passend angezogen ist, hat selbst aber eine Vorliebe für italienische Schuhe und Leinenhosen - aber das ist eine andere Geschichte). Dass die Freundin jetzt denkt, Lilli sei mutig, findet Lilli höchst amüsant...
Lilli legt los - 17. Sep, 10:16
In der Nacht von Montag auf Dienstag ging es dem kleinen Strolch schlecht. Erbrechen, Bauchweh, "Mama-bleib-bei-mir-Syndrom", weshalb Lilli die kostbaren Stunden Dunkelheit vor ihrer Pressekonferenz damit zubrachte, unbequem auf einer Bettkante zu sitzen, den kleinen Strolch zu streicheln und "Es wird bald vorbeigehen" zu murmeln. Was insofern nicht weiter schlimm war, als sie auch ohne derartige Zwischenfälle nicht geschlafen hätte, sondern nervös im Bett gelegen wäre und darüber nachgedacht hätte, was am kommenden Tag alles schief laufen könnte. Und je öfter Lilli "Es wird bald vorbeigehen" sagte, umso tröstender fand sie sich selbst, denn nicht nur die nächtlichen Bauchkrämpfe ihres Sohnes, sondern auch ihr nächster Tag und die damit verbundene Angst würden vorübergehen, das wurde ihr klarer, je heller draussen der Morgen durch die Fenster drang. Das ist es wohl, die Altersweisheit, die vielgelobte, die Gelassenheit derjenigen, die Angst überwunden und schlaflose Nächte am Bett kranker Kinder oder verzweifelter Ehegatten durchgestanden haben: die Tage und Nächte gehen vorbei, reihen sich im immer gleichen Rhythmus aneinander, Sonne auf-unter-auf-unter, ohne dass sich irgendjemand da oben damit aufhalten würde, was die Menschenkinder da unten so alles erleben. In den fahlen Morgenstunden, den Rücken gegen einen regenbogenfarbenen Riesenfrosch gelehnt, empfand Lilli das als grosse Beruhigung.
Lilli legt los - 16. Sep, 09:31
Kaum sind die Ferien vorbei, ist Lilli schon wieder urlaubsreif, was noch nicht einmal mit dem Beginn des neuen Schuljahres zusammenhängt. Vielmehr mit einer Pressekonferenz, die sie ("trotz Hilfe einer PR-Agentur", wie sie gerne sagt) für nächste Woche organisiert. Da müssen Wörter geschrieben, hin- und hergedreht, ausgewrungen und auf den Kopf gestellt werden, bis sie genau das sagen, was man am nächsten Tag in der Zeitung lesen möchte. Schlimmer noch (denn Wörter schreiben hat Lilli schliesslich gelernt): da müssen Wörter auch gesprochen werden, und damit hatte Lilli nicht gerechnet. Also nicht damit, dass ihr diese Rolle zufallen würde. Lillis Chefin meint, sie könne das, und nachdem Lilli diplomatisch ihrem Zögern Ausdruck gegeben hat ("Nein, nein, nein! Das mach ich nicht, das kann ich nicht, ich lass das sein!"), fiel ihr ein langvergessener Positivpakt ein, der sie innerhalb weniger Tage eine Kehrtwendung machen liess. Seither, und wahrscheinlich noch bis nächsten Dienstag, schläft Lilli schlecht. Ganz schlecht.
Lilli legt los - 9. Sep, 18:13
"Schüttel doch mal", sagte der grosse Strolch, als sein kleiner Bruder fasziniert in die Beobachtung seiner neuen
Lavalampe versunken war. Was dabei herauskam, sah je nach Betrachtungswinkel wie ein orangefarbener Brokkoli oder aber ein Affengehirn aus - und brauchte geschlagene anderthalb Stunden, bevor es wieder flüssig wurde. So lange dachte der kleine Strolch, seine neue Errungenschaft für immer kaputtgemacht zu haben...
Was Eltern manchmal an Gefühlsbädern mitmachen müssen, anstatt in Ruhe Nachrichten zu gucken, können sich normale Leute überhaupt nicht vorstellen.
Lilli legt los - 31. Aug, 20:55