
Klar hat Lilli heute eifrig an ihrer Steuererklärung gearbeitet.
Lilli legt los - 14. Feb, 14:45
Lilli hinkt, so scheint es, dem Büchermarkt auf geradezu hoffnungslose Weise hinterher. Mal liest sie hier was, dann da, wie ein Schaf auf der Weide, das von Grasbüschel zu Grasbüschel tappst, ohne sich entscheiden zu können, jetzt hier mal aber einen ganzen Streifen lang konsequent abzufressen. Letzten Herbst hat ihr zum Beispiel eine kanadische Freundin ein tolles deutsches Buch empfohlen, "Die Bücherdiebin". An Weihnachten hatte Lilli aber anderes im Kopf, als in Deutschland Bücher zu kaufen, und ärgerte sich nach ihrer Rückkehr sehr darüber, die Gelegenheit verpasst zu haben, mal wieder an die deutsche Bücherszene Anschluss zu finden. Bis sie merkt, dass das Buch erstens schon 2005 veröffentlicht wurde und zweitens gar kein deutsches Buch ist, sondern aus der Feder eines australischen Autors stammt und deshalb sogar in der städtischen Bücherei im Original zu haben ist. Jetzt liest sie also "The Book Thief" und findet es seltsam, dass ein australischer Autor über Deutschland schreibt. Wie kommt der dazu, selbst wenn er eine deutsche Mutter hat, was masst der sich an? Gleichzeitig fällt ihr ihre Schwester, die Musikkennerin, ein, die es bei ihrem ersten Besuch in Kanada unschicklich fand, einen Musiker auf der Strasse Bach spielen zu hören. "Aber doch nicht hier", empörte die grosse Schwester sich, als ob Bach nur innerhalb der Grenzen Europas erlaubt sei (oder schlimmer, als ob nur Europäer Bach spielen und verstehen könnten!). Lilli wiederum findet, dass die Montrealer aufgrund ihrer europäischen Abstammung sehr wohl das nötige Gengepäck mit auf den Weg bekommen haben. Mehr jedenfalls als die Asiaten, die durch ihre Musikbegabung und -begeisterung auffallen, aber selbst einer Kultur entspringen, die Musik hervorgebracht hat, die in Lillis Ohren wie Katzengejammer klingt... Lilli schüttelt den Kopf über derartige kulturell unordentliche Gedanken, ohne ihre Befremdung über Markus Zusak und seine Bücherdiebin abschütteln zu können. Die Frage, die sie sich seit Beginn des Buches und der darin erzählten Lebensgeschichte von Liesel Meminger stellt, hängt immer noch im Raum: Darf der das?
Lilli legt los - 13. Feb, 18:14
Lilli ist derzeit sehr beschäftigt, was nicht nur daran liegt, dass sie ihren Job von zwei auf drei Tagen pro Woche aufgestockt hat. Es hängt auch damit zusammen, dass die Witterungsverhältnisse so sind, als wollten sie um alles in der Welt verhindern, dass Lilli noch zu anderen Sachen ausser Schneeschippen kommt. Der historische Schneesturm zum Beispiel, der vor einigen Tagen (um Lilli herum ist alles weiss, da verliert man schnell den Bezug zur Zeit) die Ostküste der USA lahmgelegt hat, hat seine Ausläufer natürlich auch bis nach Montréal geschickt, da für ihn, anders als für die europäischen Medien, auch nördlich von New York der Kontinent noch weitergeht. Er hat also massenweise Schnee auf die Stadt abgeladen und stundenlang Schneeflocken horizontal über die Strassen gejagt, dass es eine monochrome Freude war. Nichts ging mehr - Autos, Busse, Züge kamen zum Stillstand. Da beugt man sich bescheiden dieser Naturgewalt, ob man sie nun force majeure oder Act of God nennen möchte, und kommt sich klein und nackt vor. Andererseits: wenn man sich zu Fuss in das Gestöber wagt, merkt man, dass sowohl im Supermarkt wie auch in der Bücherei Leute sind, und auch in Lillis Gymnastikkurs waren sämtliche Teilnehmer anwesend. "Weil ich es will, bin ich hier, nur weil ich es will", denkt man stolz und findet dieses ganze Gestöber auf einmal irre romantisch. Hat man sich doch aufgebäumt, wenn man sich dazu auch einmummeln musste, bis selbst der eigene Ehepartner einen nicht mehr erkennt.
Lilli legt los - 10. Feb, 18:31
Wer mit einem Workaholic zusammenlebt, hat irgendwann selbst gar keine Freude mehr am Nichtstun. Aber nur deshalb samstag abends die Steuererklärung anfangen hat man auch keine Lust zu. Man setzt sich also an den Computer, um sich den Anschein zu geben, seine Zeit nicht einfach nur mit Rumlümmeln oder Bücherlesen totzuschlagen. Und liest Blogs. Von aussen sieht man so aus, als ob man fleissig ist. Von innen her lässt man trotzig die Seele baumeln...
Lilli legt los - 29. Jan, 21:18
Im Moment ist alles happig. Die Kälte, die Grippewelle, die Ansprüche der Chefin, das Neuland von Monsieurs Selbständigkeit, die kratzenden Pullis und die Art und Weise, wie der kleine Strolch sich die Nase putzt. Jedesmal, wenn Lilli den Zündschlüssel dreht, ist sie erstaunt, dass das in Kälte und Salz eingebackene Auto anspringt. Jedesmal, wenn der Wecker klingelt, ist Lilli erstaunt, dass ihr Körper aufsteht. Ende Januar, wenn Montréal zu Eis erstarrt und der Sankt-Lorenz-Strom qualmt, wünscht sich Lilli auf die Bahamas.
Lilli legt los - 25. Jan, 19:53
Urlaubserinnerung an die Schweiz (schliesslich haben Lilli, Monsieur und die Strolche kürzlich beim Umsteigen in Zürich ganze 90 Minuten dort verbracht): wenn man mit der superleisen Bahn von einem Terminal zum nächsten fährt, muhen dort die Kühe, ein Alpenhorn ertönt und durch das Fenster winken einem stramme Mädels und Burschen zu. Klischees vielleicht, aber nach einem langen Nachtflug ist das Gehirn dankbar dafür, mit einfachsten Informationshäppchen gefüttert zu werden. Beim Aussteigen dann der dreisprachige Abschiedsgruss aus dem Lautsprecher: "Have a nice day. Au revoir. Auf Wiederluge." Man lächelt und spricht das Wort nach, von dem schon gehört hat und trotzdem erstaunt ist, dass es tatsächlich und an so offizieller, prominenter Stelle benutzt wird. Dann fährt man mit der Hand leicht über die Jackentasche, um zu fühlen, ob dort noch das Schocki steckt, das uns der Steward fast schon verschwörerisch beim Aussteigen aus dem Flugzeug mitgegeben hat.
Lilli legt los - 21. Jan, 21:04
Im Radio sagen sie minus 20 Grad, das Auto zeigt minus 16 Grad. Jedenfalls kann es im Januar ganz schön kalt sein in Kanada. Als Lilli am Montag den Kaltwasserhahn in der Küche aufdrehte, war sie direkt erstaunt, dass keine Eiswürfel in die Spüle purzelten.
Lilli legt los - 19. Jan, 09:58
Monsieur hat ein neues Leben angefangen. Er hat tatsächlich gekündigt und wird nun ausprobieren, wie ihm die berufliche Selbständigkeit schmeckt. Ob das sein Stressniveau herabsetzen wird? Ihn glücklich machen wird? Die ganze Familie in den finanziellen Ruin stürzen wird? Nun, das steht wohl alles in den Sternen, aber Lilli surft auf einer Welle der Zuversichtlichkeit, die sich gnädig, wenn auch aus völlig unersichtlichen Gründen, an Silvester auf sie herabgesenkt hat. Eine Tür ist zugeschlagen worden, andere Türen werden sich auftun...
Erstes Anzeichen dieses neuen Lebens: Monsieur war heute mit Lilli in der
Hausfrauengymnastik. Ein mutiger Mann! Als er schweissüberströmt neben Lilli zusammenbricht, während Lilli mit zitternden Armen noch drei weitere Liegestütze aus sich herauswürgt, will sie nicht lachen, tut es aber doch. Das Jahr 2011 lässt sich gut an, findet sie.
Lilli legt los - 17. Jan, 15:24
Der viele Schnee hat Lillis Tante in Süddeutschland schon schwer zu schaffen gemacht. Schliesslich hat sie Dachfenster im Klo!
Lilli (verständnislos): Und?
Tante: Da liegt jetzt ganz viel Schnee drauf!
Lilli: Und?
Tante: Das kann man gar nicht mehr aufmachen!
Lilli: Und?
Tante (druckst herum): Naja....
Lilli ratet: Dir ist es jetzt zu dunkel im Klo.
Tante: Nein...
Lilli: Du hast Angst, dass das Fenster eingedrückt werden könnte.
Tante: NEINN...
Lilli: ???
Tante (explodiert): Ich kann da jetzt gar nicht mehr lüften!
Drei Tage lang lief sie in ihrer Wohnung herum wie ein Huhn, das nicht weiss, wo es sein Ei legen soll. Dann kam sie zum Glück Lillis Eltern besuchen, die im ersten Stock wohnen.
Lilli legt los - 13. Jan, 08:57