Lilli besichtigt eine fast 100 Jahre alte Wohnung. 3m hohe Decken, Parkettböden, Stuckverzierungen, im Kinderzimmer hängt ein Kronleuchter, das Bad hat Fliesen wie die Metro in Paris. In Gedanken beschäftigt Lilli sich damit, die Wohnung einzurichten. Fragt sich, welche Wandfarben wohl dem Jugendstil huldigen würden, stellt sich lila Sofas und senffarbene Kissen vor, mit türkisen Akzenten hier und da und verrückten modernen Bildern, die sie in alternativen Galerien finden würde.
Dann kehrt sie in ihr Haus zurück: neutrale Wände, braunes Sofa, schwarze Sessel, graues Bad. Irgendwie fühlt sie sich schlecht, in dieser Jugendstilwohnung, die ihr so gut gefiel, so ein ganz anderes, buntes Leben heraufphantasiert zu haben. Wenn das die Lebensart ist, die ihr wirklich entspricht - was hindert sie eigentlich daran, sie hier und jetzt sofort auszuleben? Wieso hängt sie sich keine verrückten modernen Bilder über das braune Sofa, hm? Bringt ein bisschen mehr Bohème ins Haus, eine Prise Verrücktheit? Die Fragen, die sie sich übers Wochenende gestellt hat, waren nicht angenehm. Oder vielmehr, die Antworten waren es nicht.
Lilli legt los - 31. Mär, 09:35
"Oh, der Tag des Glücks", sagt Lillis Chefin, als sie in den Kalender schaut. "Ist der nicht jeden Tag hier?", fragt Lilli sarkastisch zurück. "Nein, der Tag des Glücks ist am 20. März, jetzt haben wir ihn verpasst", sagt Lillis Chefin bedauernd. "Tja, dann müssen wir halt bis zum nächsten Jahr warten", meint Lilli. Manchmal, vor allem freitags, hat noch nicht mal Lillis Chefin Lust zu arbeiten...
Lilli legt los - 29. Mär, 18:42
Lilli nimmt dem kleinen Strolch die Chipstüte weg, die er aus ihrem Versteck entwendet hat. "Das ist ja nicht gerade ein gesunder Snack", sagt Lilli. "Doch, die sind mit Saure-Gurken-Geschmack", meint da der kleine Strolch.
Lilli legt los - 27. Mär, 17:45
Huch, ein vietnamesischer Leser, der viele Kommentare hinterlässt. Lilli hat keinen blassen Nhấp nhoáng, worum es dabei geht...
Lilli legt los - 26. Mär, 20:21
Mutter 1, verzweifelt: "Schau mal, was die in der 5. Klasse für Mathehausaufgaben haben! Meine Tochter wollte, dass ich ihr gestern helfe, aber ich hab keine Ahnung, wie das gehen soll."
Mutter 2 schaut ins Heft. Dort steht:
Camille nimmt in den Ferien insgesamt 5 Mal das Flugzeug. Die Flüge dauern durchschnittlich 2 Stunden und 28 Minuten. Der erste Flug dauert 2 Stunden und 5 Minuten, der zweite dauert 1 Stunde und 45 Minuten, der dritte Flug dauert 2 Stunden und 38 Minuten und der vierte Flug dauert 2 Stunden und 3 Minuten. Wie lange dauert der fünfte Flug?
Mutter 2: "Das ist doch einfach. Fünf Mal 2 Stunden und 28 Minuten, dann hast Du die Gesamtflugzeit. Dann addierst Du die vier Flüge und der Rest bleibt für den fünften Flug übrig."
Mutter 1: "Aber nein, ich kann das doch nicht einfach mal fünf nehmen, die 2 Stunden 28 Minuten sind doch nur ein Durchschnitt!"
Mutter 2: "Aber genau das heisst es doch, "durchschnittlich"!!!"
Mutter 1: "Also ich versteh das nicht. Ich kann doch nicht wissen, wie lang der fünfte Flug dauert, wie soll ich das denn ausrechnen?"
Mutter 2: "Schau her, so. (Sie zieht einen Taschenrechner aus der Handtasche). 5 Mal 2,28, das macht 11 Stunden und 40 Minuten. Das ist deine Gesamtflugdauer, davon brauchst Du nur die vier Flüge abziehen. Also 11,4 minus 2,05 und so weiter..."
Mutter 1, durch die Nase schnaubend, während Mutter 2 auf ihrem Taschenrechner herumtippt: "Und das machen die in der 5. Klasse, so was Kompliziertes... Da hat meine Tochter ja Glück, dass ich dich heute im Zug getroffen habe!"
Lilli schreitet nicht ein. Was wird die Tochter wohl von der Mutter denken, und was Mutter 1 von Mutter 2, wenn dann doch alles falsch ist?
Lilli legt los - 25. Mär, 19:39
Glückliche Menschen, so heisst es, haben nichts zu erzählen. Der grosse Strolch lebt zwischen Schule, Hausaufgaben, Hockeyspielen und Pizza mit Freunden so dahin, scheint sich wohlzufühlen und ist eher schweigsam. Der kleine Strolch feiert heute Geburtstag mit Freunden, die er ins Kino einlädt, und findet ansonsten, dass er neben Schule, Hausaufgaben und Basketball nicht genug Zeit für Pizza mit Freunden hat, was er gerne lautstark und wiederholt mitteilt. Lilli ist froh, wenn die Familie am Wochenende abends zusammen Filme guckt, damit sie hinterher darüber diskutieren können. Zu Bloggen gibt es dabei nicht viel. Gluckliche Menschen, so heisst es, haben nichts zu erzählen. Leute, die auf den Frühling warten, auch nicht.
Lilli legt los - 23. Mär, 12:30
Lillis Kollegin ist schwanger. Anscheinend war das nicht vorgesehen, aber Lilli fragt sich, wie man heute noch ungewollt schwanger werden kann, wenn man intelligent und auch nicht mehr siebzehn ist? Jedenfalls ist die Kollegin im Prinzip ganz erfreut, wenn sie auch nicht weiss, ob die Firma sie nach Ablauf ihres befristeten Vertrags in ein paar Monaten weiterbeschäftigen kann oder nicht. Und sie auch nicht mit ihrem Freund zusammenwohnt. Weil der sich erst letztes Jahr von seiner Frau getrennt hat. Und noch nicht geschieden ist. Und jetzt erst mal eine kleine Wohnung genommen hat. Und zwei Kinder im Vorschulalter hat. Die noch nichts von ihrer Existenz wissen. Aber die Kollegin hat mit ihrem letzten Freund schon zwei Fehlgeburten durchgestanden und hofft jetzt, dieses Kind zu behalten, auch wenn die Umstände nicht ganz so ideal sind, wie sie das gerne hätte. Sie geht vornübergebeugt, die Schultern nach vorn gezogen, als ob sie damit ein Schutzschild formen könnte, das alle Gefahr von ihrem ungeborenen Kind abwendet. Lilli denkt an sich selbst zurück und schämt sich fast dafür, wie geradlinig sie sich vor zwanzig Jahren verlieben, verheiraten und einige Jahre später Kinder bekommen konnte. Was für eine gute Fee muss damals an ihrer Wiege gestanden haben, und warum nur?
Lilli legt los - 19. Mär, 08:00
"Diesen Film werde ich nicht ansehen", erklärt Lilli im Videoclub, als der kleine Strolch ihr "Prisoners" von Denis Villeneuve (aus Montréal!) unter die Nase hält. Ja, er soll gut sein und spannend und Jake Gyllenhal spielt auch mit, aber Lilli kann doch nicht mit ansehen, wie zwei Kinder entführt werden! Natürlich wurde sie überstimmt, mit dem Ergebnis, dass die gesamte Familie über zwei Stunden lang bibbernd am Rande des Sofas sass und die Augen nicht abwenden konnte von dem Horror, der sich da im grauen Novemberwetter für zwei ganz normale Familien abspielte. Nervenzerfetzend, moralische Fragen aufwerfend und mysteriös genug, um noch lange Diskussionen darüber zu nähren, was man selbst in dieser Situation gedacht und getan hätte. Nicht für zarte Seelen und auch nicht, wie auf der Hülle angegeben, für Kinder ab 13, obwohl der kleine Strolch grossspurig erklärte, dass ihm der Film keine Angst gemacht hätte, kein bisschen. Und dann doch wissen wollte, wo die Handlung eigentlich spielt und wie weit das von Montréal entfernt liegt...
Lilli legt los - 17. Mär, 12:03
Lillis Mutter in Süddeutschland fühlt sich unwohl bei diesen frühlingshaften Temperaturen, die dort gerade herrschen. "Die Forsythien blühen und überall werden Primeln gekauft, das ist doch nicht richtig im März", sagt sie am Telefon. Nicht, dass sie etwas gegen Forsythien und Primeln hätte, im Gegenteil. Genau wie Lilli friert sie leicht und zieht sommerliche Verhältnisse dem Winterzauber vor. Ihr kommt es einfach unheimlich vor, dass dieses Jahr so gar kein Winter stattfand. Und was, wenn er dann noch ganz spät kommt, während gerade alles blüht? Und was, wenn durch das Ausbleiben des Frostes siebenundzwanzig zusätzliche Generationen von Stechmücken und anderem "Ohziefer" den Weg aus dem Ei finden? Lilli versteht diese Besorgnis. Sie schaut in Montréal aus dem Fenster, an dem die Schneeflocken von links nach rechts mit 60 km Geschwindigkeit vorbeifliegen und bisher etwa 20 cm Neuschnee beschert haben. Die ganze Nacht noch soll es so schneien, der kleine Strolch hofft schon darauf, morgen schulfrei zu bekomen. "Bei uns sollte es gerade eigentlich 10 Grad mehr haben, nämlich so um die 2 Grad Plus", murmelt Lilli ins Telefon. Klimawandel, egal in welche Richtung, ist nicht gut.
Lilli legt los - 13. Mär, 09:00