Strolche

Mittwoch, 24. Februar 2010

Später wird er es mir danken...

Was macht Lilli, wenn eine Geburtstagskarte aus Deutschland für den kleinen Strolch ankommt, während er in der Schule ist? Sie öffnet sie natürlich und nimmt zwei der drei Geldscheine raus, um sie auf dem Sparkonto des kleinen Strolches zu deponieren. Man kann sich ja gar nicht vorstellen, wie viel ein Neunjähriger für Kaugummi und Magic-Karten ausgeben kann, wenn er die Taschen voll hat…

Montag, 22. Februar 2010

Das Kreuz mit der Religion

Obwohl Lilli nicht katholisch ist, muss sie mit dem großen Strolch seit kurzem zum Kommunionsunterricht. Dieser neigt sich nach drei Jahren endlich dem Ende zu und verlangt für die letzten vier Unterrichtseinheiten vor der ersten Kommunion die Anwesenheit eines Elternteils. „La grande Halte“ werden diese vier Stunden pompös genannt und sind dabei so langweilig aufgezogen, dass Lilli nur innerlich den Kopf schüttelt. Da improvisieren sich ungelenke Helfer als Schauspieler, die ihre drei Zeilen über den König David von einem Spickzettel ablesen müssen. Da werden mühsame symbolische Bögen geschlagen, um von „Brot“ zu „Nahrung für den Körper-Nahrung für die Seele-Jesus ist die Nahrung unserer Seele-er opfert seinen Leib-deshalb gibt es beim Abendmahl Brot“ zu gelangen. Da scharren ungeduldige Füße auf dem nackten Boden des neonbeleuchteten Gemeinschaftsraumes der Kirche, der nicht mehr als ein nüchterner Keller ist und so einladend wie ein…. Kirchenkeller. Gegen Ende wird von den Eltern und Kindern verlangt, dass jeder spontan einen Satz zu einem improvisierten Gebet zusteuert, was alle bis auf eine Mutter, die die lastende Stille wohl nicht aushält, verbissen verweigern. Lilli fängt Blicke anderer Eltern auf, die alle heimlich fragen, wann diese Tortur wohl endlich zu Ende ist… Und dann fällt Lilli ein Satz ein, den sie bei einem Hockeyturnier auf ein Schild gesprüht entdeckt hat: „Sie dürfen so oft über die Organisation des Turniers meckern wie die Anzahl der Stunden, die sie freiwillig daran mitgearbeitet haben“. Also los, Lilli: wenn du den Zirkus in zwei Jahren mit dem kleinen Strolch nicht noch mal mitmachen möchtest, weisst Du jetzt, was du zu tun hast!

Montag, 8. Februar 2010

Hockey Mum

Lilli ist kein Fan von Eishockeyspielen. Die von richtigen Profis guckt sie sich nie an, höchstens wenn Monsieur mal alle zwei Jahre Karten hat und Lilli einen Hotdog für 12 Dollar essen darf. Die vom großen Strolch können ihr auch gestohlen bleiben, denn obwohl die Anwesenheit des Strolchs auf dem Eis einigermaßen aufregend ist („Dessus! Une passe! Une PASSE! Back, back, back!!!“), müssen unbequeme und selbst für Lillis normale Hinterngröße zu schmale Holzbänke ohne Lehne, brüllende Discomusik zwischen den Spielzügen und eine Luft, die zu gleichen Teilen aus Kunsteischemikalien und dem Mief tausender Schaumstoff-Schutzausrüstungen besteht, ausgehalten werden. Vom unangenehmen Verhalten der allzu ehrgeizigen Eltern, die den Schiedsrichter anschreien und klatschen, wenn ihr Kind ein anderes gegen die Bande drückt, ganz zu schweigen. Am Wochenende aber war die Mannschaft des großen Strolches wider Erwarten in die Endrunde eines Turniers durchgedrungen und Monsieur anderweitig beschäftigt. Lilli musste deshalb mit und ließ sich ziemlich schnell von der spannungsgeladenen Atmosphäre und dem sehr ausgeglichenen Spiel der Mannschaften anstecken. Als der große Strolch schließlich in der Verlängerung in einem eleganten Bogen das entscheidende Tor schoss, gab es auch für Lilli kein Halten mehr. Sie tobte, hüpfte auf und ab und ruderte mit den Armen wild durch die Luft. Was sehr schön auf der DVD zu sehen ist, die die Spieler gleich nach dem Spiel erhielten. In HD. Nie wieder wird sie sagen können, dass Hockey sie kalt lässt…

Montag, 1. Februar 2010

Lilli liest Extrem laut und unglaublich nah

Sollte sie aber nicht, denn Geschichten, in denen kleine Jungs so unsagbar traurig sind, machen sie fertig. Aber sie machen sie auch weich und erinnern sie daran, die zwei Strolche immer mal wieder heftig zu drücken. Und da sag noch jemand, ein Buch ist nur ein Buch ist nur ein Buch…

Donnerstag, 21. Januar 2010

Spiel schön

Während der große Strolch mit seiner neuen, selbst bezahlten Errungenschaft herumballert, spielt sein kleiner Bruder draußen in seiner Schneeburg. „Es ist ein McDonald’s“, erklärt er Lilli das halbrunde „Gebäude“, „und hier kann man Sachen kaufen“. Stolz zeigt er auf zahllose Eisstücke, die er gesammelt und als Ware nebeneinander aufgereiht hat. „Bezahlen musst du auch mit Eisstücken, aber vorher musst du erst was spenden für Haiti.“

Mittwoch, 13. Januar 2010

Golf-Krieg in Kanada

Der große Strolch hat liebe Freunde, von denen Lilli nicht gedacht hätte, dass sie allesamt mit Nerf-Gewehren in grellen Neonfarben ausgestattet sind. Lilli lebt mal wieder hinter dem Mond, und nur dank ihrer Kinder bekommt sie ab und zu einen Einblick in die richtige Welt, wie sie da draußen herumlungert. „Morgen Nachmittag ist Krieg auf dem Golfplatz“, sagt der große Strolch freudestrahlend am samstäglichen Frühstückstisch. „Wie, Krieg?“, fragt Lilli verständnislos zurück. Der große Strolch klärt sie auf: zwei Banden schlagen ihrer „Basis“ auf dem Golfplatz auf und versuchen, sich gegenseitig die Fahne abzujagen. Alle sind mit Nerfs ausgerüstet, und da der große Strolch so etwas nicht besitzt (aber gerne haben möchte, wie er gleich eifrig hinterherschiebt), leiht ihm einer seiner Freunde, der davon gleich zwei hat, eins aus. Lilli denkt nach. Früher hat sie auch Krieg gespielt, mit ausgedachten Waffen oder aber den Pistolen, die sonst nur an Fasching aus der Kiste genommen wurden. „Indianer und Cowboy“, nannten sie es damals, Lilli und die Jungs in ihrer Straße. Das Spiel bestand darin, von einem Grundstück zum anderen zu rennen, sich gegenseitig abzuschießen, „Du bist tot!“ zu rufen, und der Totgeschossene musste bis 10 zählen, bevor er weiterrennen durfte. So was gehört zur Kindheit dazu, beschließt Lilli und erlaubt dem großen Strolch, in den Krieg zu ziehen. Am Sonntag abend kommt er enttäuscht wieder nach Hause. „Es war doch kein Krieg“, sagt er mürrisch. „Die andere Bande war so gut versteckt, dass wir sie gar nicht gefunden haben.“ „Was habt ihr dann so lang gemacht?“, fragt Lilli neugierig, denn der städtische Golfplatz bietet ansonsten nur wenig Gelegenheit zum Spielen. „Wir haben uns selbst abgeschossen, das war auch lustig“, meint der große Strolch schon etwas munterer. „Aber?“, hakt Lilli nach. „Aber richtiger Krieg wäre besser gewesen.“

Donnerstag, 10. Dezember 2009

Olympische Leistung

Vorgestern früh kam doch glatt die olympische Flamme durch Lillis Ortschaft durch. Sehr früh, um nicht zu sagen verdammt früh, nämlich um zwanzig nach sechs. Der große Strolch fing sofort Feuer dafür und wollte sie unbedingt sehen. Und Lilli wollte unbedingt etwas mit dem großen Strolch unternehmen, um ihm zu zeigen, dass sie trotz aller Nörgelei über zu lange Haare und zu kurze Hausaufgaben zu ihm hält. Deshalb stellte der große Strolch den Wecker auf 5 Uhr 50, weckte das gesamte Haus auf und schaffte es, mit Lilli und dem kleinen Strolch (das ist das Los des kleinen Bruders – er scherte sich zwar kein bisschen um die olympische Flamme, konnte aber auch nicht einfach zu Hause bleiben, aus Angst, etwas zu verpassen) zur Hauptstraße zu traben. Aber sieh an, die olympische Flamme war wohl etwas früher als geplant vom Rathaus losgezogen und bog in die Hauptstraße ein, als Lilli und die Strolche noch gute 100 Meter davon entfernt waren. In einem „wusch“ flackerte die Flamme kurz in der Ferne auf und war auch schon wieder in die morgendliche Dunkelheit entschwunden, bevor man „Bravo“ rufen konnte. Enttäuscht mussten die Frühaufsteher daraufhin wieder nach Hause gehen, wo es dann zu spät war, um noch mal unter die Decke zu schlüpfen, und zu früh, um gleich in die Schule zu gehen. Keine Medaille für Lilli.

Mittwoch, 9. Dezember 2009

Wir warten auf das Christkind

Der Sch… Adventskalender aus Deutschland ist übrigens immer noch nicht da. Da warten die Strolche nun schon seit 9 Tagen auf eine Vorrichtung, die ihnen das Warten auf Weihnachten versüßen soll. Sie warten also völlig ohne Unterstützung, ganz ununterstützt warten sie auf die Unterstützung und können bald schon nicht mehr vor lauter Ungeduld. Dass sie vom Nikolaus dieses Jahr endlich die lang ersehnten Nikolausmützen bekommen haben, hat sie andererseits sehr gefreut. In dieser Hinsicht sind sie sehr genügsam: sie nehmen, was sie kriegen können.

Dienstag, 24. November 2009

Zauber Flöte

Ein unnötig kompliziertes Libretto, in dem der Prinz nicht nur vor dem Drachen in Ohnmacht fällt, sondern auch noch den ängstlichen Vogelfänger vorschickt, um die Prinzessin zu befreien. In dem die Tochter der Mutter entrissen und diese zum Schluss auch noch in die ewige Nacht gejagt wird, was niemanden weiter stört. Ein mit rassistischen und sexistischen Anspielungen gespickter Text und ein Fürst, der wie ein Priester verehrt wird, mit seinem Sonnensymbol auf der Brust aber eher wie ein Sektenoberhaupt aussieht. Trotz all der ihr innewohnenden Schwächen und Widersprüche war die Zauberflöte, zu der Lilli die Strolche am Wochenende mitschleppte, ein Erfolg. „Ihr müsst es nicht unbedingt mögen, aber jetzt wisst ihr wenigstens, was eine Oper ist“, hatte Lilli die Strolche, die doch ein wenig nervös waren, beruhigt. Letztes Jahr vor Weihnachten war der Nussknacker dran, diesmal Amadeus, nächstes Jahr wird es wieder etwas anderes sein. Lilli scheut weder Kosten noch Mühen, um ihren Kindern etwas Kultur mit auf den Weg zu geben. Danken tut es ihr im Moment keiner außer Monsieur, der ganz genau weiß, dass er in derartigen Dingen innerlich gekündigt hat und sein schlechtes Gewissen allein dadurch beruhigt, dass Lilli schon machen wird. Und Lilli macht, denn sie amüsiert sich dabei königlich. Dass die englisch- und französischsprachigen Sänger mit dem deutschen Text so ihre Schwierigkeiten hatten („Paminen rrrrrrrrretten ist mir Pflicht!“) trug vielleicht auch ein klein wenig zur Komik des ganzen Spektakels bei…

Donnerstag, 19. November 2009

Novemberkoller

Manchmal sieht Lilli vor lauter Mängel das Kind nicht mehr. Als ob es sich um eine neue Version von Windows Vista handelte, mäkelt Lilli an dem großen Strolch rum: er hat sich nicht gekämmt, keinen Schal umgebunden, zu spät ist er auch wieder dran. Wie soll er den Schal auch finden, wenn er zu faul dazu ist, danach zu suchen? Wie die Zeit im Auge behalten, wenn er es nicht fertigbringt, eine Armbanduhr zu tragen? Und wie kann er lange Haar möchten, wenn es ihm schnurz ist, diese so ungepflegt zu tragen, als sei der Wind in ein Getreidefeld gefahren? Der große Strolch ist in einem Alter angekommen, an dem er solche Schimpftiraden wortlos über sich ergehen lässt und mit gesenktem Kopf durch die Tür verschwindet. Schweren Schrittes schleppt er sich in die Schule (wenn er doch nur mal richtig zu spät kommen würde!), während Lilli sich im Badezimmer ohrfeigt. Was plagt sie nur derzeit, dass sie so auf dem großen Strolch herumreitet? Sauerstoffmangel? Smog? Lichtentzug? Oder ist sie einfach dabei, sich in eine schreckliche Kastrationsmutter zu verwandeln, die ihren Sohn vermurkst, um ihn später den Psychiatern aufs Sofa zu treiben? Schnell einen Sandsack, sonst kommt hier noch jemand zu Schaden…

Über Lilli

Laufen ist denken, manchmal auch überlegen, immer aber sich erneuern. Eine neue Sicht auf die Dinge erlangen, die uns bewegen. Laufen ist manchmal auch davonlaufen, für eine Weile wenigstens, bevor man wieder heimkommt zu Mann und Kindern, Wäsche und Kochtopf, zu den eigenen Macken und all den bunten Schnipseln, die ein Leben so ausmachen. Laufen ist das beste Beobachten, das es gibt.

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