Strolche

Donnerstag, 12. November 2009

Manchmal

Manchmal ist es ein ganz normaler Mittwochabend, an dem Lilli nicht zu spät mit dem Abendessenmachen anfängt, weshalb sie die Strolche dann auch nicht ungeduldig anfährt, wenn sie mit irgendetwas zu ihr kommen, und sogar noch Zeit hat, einen Obstteller zu schnippeln. An dem alle entspannt am Esstisch zusammensitzen, kein Glas umgeworfen wird und keiner einen Mund voll Essen über den Tisch niest. Da finden dann allerlei Gespräche statt, über Fische, Kinderkriegen, Schule und Fußball, wobei jeder mal zu Wort kommt und keiner gelangweilt Krümel über den Tisch schießt. Anschließend gehen die Strolche untergehakt die Treppe hoch, um in mittelmäßiger Zeit zu duschen, und warten gut riechend im Bett des kleinen Strolches darauf, dass Lilli ihnen vorliest. Lilli liest ihnen Tintenherz vor, schickt den großen Strolch in sein eigenes Bett, kuschelt den kleinen Strolch ins Kissen, macht das Licht aus, geht zum großen Strolch, kuschelt, macht das Licht aus. Und denkt anschließend, allein im Wohnzimmer sitzend und eine Tasse Tee in der Hand drehend, dass sie den Strolchen eigentlich aufschreiben müsste, wie sehr sie diese Abende glücklich machen. Für später.

Montag, 9. November 2009

Krank ist krank

Zuerst der kleine Strolch, dann der große: wenn so ein Virus erst einmal im Haus ist, nützt auch die beste Hygiene (Bad putzen! Betten abziehen! Zahnbürsten auswechseln!) nicht viel. So war also die Hälfte von Lillis Familie krank, und anstatt Lilli moralisch aufzubauen, der das Badputzen, Bettenabziehen und Zahnbürstenauswechseln so langsam zum Hals raushängt, entrüstet sich die Freundin über Lillis Hartherzigkeit. „Was, kein Fernsehen für die kranken Kinder? Im Bett müssen sie bleiben? Und nicht mal an den Computer lässt du sie?“, fragt sie ungläubig und starrt Lilli an, als hätte sie gerade erfahren, dass Lilli ihre Kinder mit Handschellen ans Bett fesselt und nur einmal am Tag mit etwas Brotsuppe und kaltem Tee abspeist. Lilli nickt trotzig. Jawohl. Kranke Kinder gehören ins Bett, vor allem mit Fieber und Kopfweh. Da sollen sie sich dann so richtig doll ausruhen und langweilen, bis sie wieder gesund sind. Sie sollen schlafen, vielleicht ein bisschen lesen, lange an die Decke starren und darauf warten, dass Lilli ihnen ein Glas Orangensaft vorbeibringt und eine Weile Reversi mit ihnen spielt. Lilli findet, dass auch die Schattenseiten zum Leben dazugehören, und will ihren Kindern nicht vorgaukeln, dass das Leben ein einziges Riesenrad sei. Krank sein ist nicht schön, aber nach drei Tagen Bettruhe gesund werden und wieder in die Schule dürfen – das ist so toll wie Zuckerwatte…

Dienstag, 3. November 2009

Dilemma

Der große Strolch spielt, wie sich das für kanadische Jungs so gehört, Eishockey. Am liebsten vorn, da nur der richtig Ruhm über sich schüttet, der den Puck letztendlich ins Tor befördert. Dass Lilli und Monsieur ihm erklären, dass auch Verteidiger wichtig sind und ein Angreifer ohne genaue Pässe nicht viel ausrichten kann, lässt ihn kalt. Er will Angreifer sein und Schluss. Seine Trainer aber (jede Eishockeymannschaft, die auf sich hält, hat mindestens drei Trainer – einen zum Brüllen, einen zum Tür aufmachen und einen, der die Wasserflaschen trägt) haben ihn am Wochenende als Verteidiger aufgestellt und festgestellt, dass er dazu eigentlich noch besser taugt. „Das ist das Dumme, wenn man für etwas Talent hat“, stellte Monsieur philosophisch fest. „Jetzt werden sie dich öfter hinten spielen lassen“. „Ich weiß“, antwortete da der große Strolch ebenso philosophisch, „aber ich hatte keine Lust, mich nicht anzustrengen“.

Donnerstag, 1. Oktober 2009

Jetzt mal ganz ernst

"Der kleine Strolch muss die Schule etwas ernster nehmen", steht da in strenger Lehrerinnenhandschrift in seinem Ordner. Lilli ist durchaus einverstanden mit der Dame, aber der kleine Strolch ist pikiert. Dabei wollte er doch nur...., hat er doch nur mal eben.... und überhaupt. Ja, die Tage der Streichelschule scheinen bei Madame Monique ein für alle Mal vorbei zu sein.

Tut ihm vielleicht ja ganz gut.

Mittwoch, 30. September 2009

Wieso eigentlich?

Wieso eigentlich ist man viel liebevoller und geduldiger gestimmt, ja lächelt sogar milde, wenn man an seine Kinder DENKT, als wenn man sie LEIBHAFTIG vor sich hat? Hm? Und wieso hält der gute Vorsatz, heute Nachmittag aber mal ganz lieb zu sein, gerade mal solange, wie der kleine Strolch braucht, um seine dreckigen Hände an die Badezimmerwand zu drücken? Hm? Hm?

Mittwoch, 16. September 2009

Welcome to the club

Der kleine Strolch hat nicht begriffen, dass sich sein Leben ändert, nur weil Lilli zwei Tage pro Woche arbeitet. Er begreift auch nicht, dass ein Tag nur eine begrenzte Anzahl an Stunden hat. So verbringt er nun dienstags und freitags zwei Stunden nach Schulschluss in der Schülerbetreuung, die mit Spielen im Freien, in der Turnhalle oder einem extra eingerichteten Spielzimmer eigentlich kein ganz so schlechter Ort ist. Als Lilli ihn dann um halb sechs abholt, will er – so wie an den anderen Tagen der Woche – zuhause erst mal Kaffee trinken, dann spielen… und ist fürchterlich enttäuscht, als Lilli ihm erklärt, dass es bald schon Zeit zum Abendessen sein wird und er zu keinen anderen Aktivitäten außer Händewaschen und Tischdecken mehr kommen wird. Zuhause wirft er sich aufs Sofa und schlägt demonstrativ sein Buch auf (es fehlte nur das Schild „Bitte nicht stören“ um seinen Hals). Als Lilli ihn dann tatsächlich bald zum Tischdecken ruft, mault er theatralisch, dass es in diesem Hause nicht gemütlich sei. Lilli, die sich bei ihrer neuen Stelle fühlt wie ein Eichhörnchen im Aquarium, will zu einer weiteren gütigen Erklärung über das Vergehen der Zeit ansetzen, kommt aber nicht weit. Ein dicker Kloß setzt sich in ihrem Hals fest und verflüssigt sich fast augenblicklich in Tränen. Dumme, dumme Lilli. Vor den Kindern weinen, wie falsch. Ganz falsch.

Sonntag, 13. September 2009

Pech für den kleinen Strolch

Der kleine Strolch, der jetzt in die dritte Klasse geht, hat natürlich "sie" als Klassenlehrerin bekommen. Nach zwei Wochen Warmlaufzeit, in denen noch das eine oder andere Lob über ihre Lippen kam, lässt sie jetzt schon einmal etwas knappere Kommentare hören. "Wann fängst du wohl an, die Aufgabe zu bearbeiten? Am Nimmerleinstag?", fragte sie kürzlich einen Mitschüler giftig, der bis zu den Ohren rot anlief und die Nase in sein Heft vergrub. Lilli wundert sich, wo diese Frau wohl vor vierzig Jahren Pädagogik studiert hat. Und dass damals noch "Sarkasmus" als wertvolles Hilfsmittel zur Erweckung schülerischer Lernbegierigkeit in den Büchern gestanden haben muss...

Mittwoch, 9. September 2009

Kann denn die Kinder keiner lehren,

wie man schreibt? Der große Strolch ist jetzt in der fünften Klasse und soll nicht etwa einen Aufsatz über seine schönsten Ferienerlebnisse verfassen (so richtig, wie Lilli das früher gelernt hat, mit einer Einleitung, Absätzen, womöglich einem Höhepunkt und einem Schluss), denn das wäre ja langweilig und hinterwäldlerisch. Dabei hätten er und die meisten Mitschüler seiner Klasse es durchaus nötig, die fehlerfreie Produktion von kompletten, sich elegant aneinander anfügenden Sätzen zu üben, denn schon das Unterschreiben einer Bedanke-mich-Karte für den Fußballtrainer ging vor kurzem nicht ohne zum Himmel schreiende Fehler vonstatten. Nein, stattdessen soll er eine Powerpoint-Präsentation machen, die visuell ansprechend, sprachlich aber auf einem Minimum gehalten werden soll. Nur Bildunterschriften, keine ganzen Sätze! Wer es wagt, ein Verb zu konjugieren, bekommt Abzug! Lilli kann gar nicht die Augenbrauen weit genug nach oben ziehen, so abartig findet sie diese Hausaufgabe. „Habt ihr denn schon gelernt, wie man Powerpoint benutzt?“, fragt sie argwöhnisch. „Nein“, antwortet der große Strolch fröhlich, „das musst du mir zeigen.“ Lilli kommt sich ausgenutzt vor und nimmt sich vor, dieser Lehrerin demnächst einmal diskret zu verstehen zu geben, dass sie nicht vorhat, ihr den Job wegzunehmen. Dann aber macht sie gute Miene zum bösen Spiel und setzt sich mit dem Strolch vor den Bildschirm. Und hat letztendlich so viel Spaß an diesem Projekt, dass sie es direkt bedauert, bei der Präsentation in der Schule nicht dabei sein zu dürfen…

Mittwoch, 3. Juni 2009

Geld allein...

Konversation mit einem eisschleckenden kleinen Strolch.

KS: Da hinten ist Fabian! Der hat’s gut, der hat ganz reiche Eltern!
Lilli: Ach ja, woher weißt Du denn, dass die so reich sind?
KS: Die haben ein riesengroßes Haus! Und ganz viele Sachen…
Lilli: Was denn für Sachen?
KS: Na, ein Schwimmbad. Und eine Wii, eine Playstation… Wenn wir nur auch so viel Geld haben könnten…
Lilli: Macht viel Geld denn automatisch glücklich?
KS: Nein.
Lilli: Was macht denn dann glücklich deiner Meinung nach?
KS (augenrollend): Na, die Sachen, die man damit kauft!

Dienstag, 2. Juni 2009

Eine Frage der Ethik

Das Fach Religion ist in der Provinz Québec durch „Ethik und Religionskunde“ ersetzt worden und hat es damit geschafft, sowohl die gläubigen wie auch die religionsfernen Eltern in Rage zu versetzen. Die einen sind enttäuscht, dass der Glaube an Gott aus der Schule gekickt wurde, während die anderen finden, dass auch noch dieses Stündchen zu viel über das Thema vermittelt und womöglich die Türen zu fremden Religionen öffnet, die in der Welt nichts als Schaden anrichten. Unterdessen malen die Kinder viel und lernen ein bisschen was über die Hochzeits- und Beerdigungsrituale der Juden und der Hindu. Neulich aber erzählte der Strolch von einer ganz besonders spaßigen Unterrichtseinheit: jeder musste sich neun Personen oder Objekte aussuchen, die er auf eine „Ballonfahrt“ auf eine einsame Insel mitnehmen wollte. Leider kriegen sie bald schon Gewichtsprobleme und müssen zwei Personen/Objekte über Bord werfen, dann noch mal drei, dann noch mal zwei, sodass zum Schluss nur noch insgesamt drei Personen übrig sind. Die Kinder fingen mit den Fahrrädern und Baseballschlägern an, mussten aber bald schon die kleine Schwester oder die eigenen Eltern abwerfen, und einige zogen es zum Schluss sogar vor, selbst über Bord zu hüpfen. Als Lilli von diesem Experiment hört, zieht sie die Augenbrauen hoch und schüttelt verständnislos den Kopf. Ethik ist ja schön und gut, aber muss es gleich die Hardcore-Version sein? Für Zehnjährige? Dann erfährt sie in den Nachrichten vom Absturz des Airbusses zwischen Rio und Paris und denkt sich schaudernd, dass es im Prinzip noch die beste Lösung ist, wenn die ganze Familie zusammen verunglückt… oder wie soll man weiterleben, wenn ein Teil seines Herzens gestorben ist?

Über Lilli

Laufen ist denken, manchmal auch überlegen, immer aber sich erneuern. Eine neue Sicht auf die Dinge erlangen, die uns bewegen. Laufen ist manchmal auch davonlaufen, für eine Weile wenigstens, bevor man wieder heimkommt zu Mann und Kindern, Wäsche und Kochtopf, zu den eigenen Macken und all den bunten Schnipseln, die ein Leben so ausmachen. Laufen ist das beste Beobachten, das es gibt.

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