Dienstag, 5. Januar 2016

Weihnachten fand nicht wirklich statt dieses Jahr

Weihnachten? Weihnachten war dieses Mal ein Nicht-Event oder so eins, das wie ein nasser Knaller nur leicht röchelnd am Boden entlangzieht, ohne je so richtig abzuheben. Am 24. spürte Lilli abends im Hals so ein Kratzen, das sich prompt am nächsten Tag zu einem ausgewachsenen Schnupfen hochschaukelte. Schnupfen, Kopfweh und - wahrscheinlich durch die Schmerztabletten ausgelöst - Übelkeit, die genau bis zum 2. Januar anhielt. Demnach hat Lilli dieses Jahr nicht wirklich gefeiert, nicht wirklich getrunken, nicht geschlemmt, und beim Skifahren zwischen den Feiertagen war sie auch nicht richtig Skifahren.

Das neue Jahr kam trotzdem wirklich und heute sass Lilli schon wieder im Büro.

Sie fühlt sich wirklich hintergangen.

Mittwoch, 23. Dezember 2015

Warum der Einzelhandel stirbt (2)

Lilli braucht ein Hemd für den kleinen Strolch. Und weil der "auf den Rahmen einer Katze aufgezogen" ist, wie ein Kollege von Monsieur immer sagte, hätte sie gern eines von den eng geschnittenen, extra langen Modellen, wie es sie bei Herrenhemden ja gibt (ganz im Gegensatz zu Damenblusen, aber das ist eine andere Geschichte). Im Fachgeschäft türmen sich die Hemden, zusammengelegt und mit 47 Stecknadeln zusammengehalten, in Fächern, die vom Boden bis zur Decke reichen.

- Ach, Entschuldigung, ich suche ein Hemd, Kragenweite soundso, eng und lang geschnitten.
- Ja, haben wir. Da müssen Sie nach dem Etikett suchen, auf dem "eng" und "lang" steht.
- Und wo finde ich diese Modelle?
- Ja, wie gesagt, da müssen Sie nach dem Etikett suchen. Wir haben die Hemden hier nach Preisen sortiert, nicht nach Modellen.

Und damit wird Lilli allein gelassen, denn das Personal ist damit beschäftigt, die anprobierten Hemden wieder fein säuberlich zusammenzulegen und zuzustecken. Wenn sie nur die Leute besser beraten würden, würden die Kunden auch nicht so viele Hemden auf gut Gluck anprobieren, oder? Dann müssten die Verkäufer weniger Hemden wieder zusammenlegen und hätten mehr Zeit, die Leute besser zu beraten, usw.

Mit leeren Händen verlässt Lilli das Geschäft. Ob es wohl Hemden auch auf Amazon gibt?

Warum der Einzelhandel stirbt (1)

Der kleine Strolch will einen Boom. Einen Bluetooth-Lautsprecher, wie seine Freunde auch einen haben, aber möglichst in grün und die erste Generation, die billiger ist. Im Laden haben sie nur blaue und schwarze Boom 2. Der schwarze würde dem kleinen Strolch eventuell auch gefallen, aber Lilli und Monsieur wüssten schon gern, ob es sich lohnt, für die 2. Version 100$ mehr zu zahlen. Es ist drei Tage vor Weihnachten und das Personal - lauter junge Männer in blitzblauen Polohemden - werden von Kunden umlagert, als teilten sie Manna aus. Endlich gelingt es Monsieur, einen im Vorbeigehen anzusprechen.

- Entschuldigung, können Sie uns zu diesem Produkt Auskunft geben?
- Ähhhh... (kurzes Zögern von Seiten des Jünglings)... das ist ein Lautsprecher?
- Ja, aber können Sie uns sagen, worin der Unterschied zwischen Boom 1 und 2 besteht?
- (Sehr sicher) Boom 2 ist die zweite Generation.
- Ach. Und worin besteht der Unterschied?
- Da müsste ich erst mal im Internet schauen...

Weniger wird man bei Amazon auch nicht beraten. Und die haben wenigstens alle Modelle in allen Farben.

Donnerstag, 17. Dezember 2015

Luminotherapie

Wer gerne wippt, kommt jetzt in Montréal voll auf seine Kosten. Seit dem Wochenende stehen dort "an die Hundert" (meint Lilli), "vielleicht 50" (sagen die Strolche) leuchtende Wippen, die beim Auf-und-Absteigen auch noch Klänge von sich geben, und das zur purer Belustigung der Passanten. In Ermangelung von Schnee ist das das einzige Weiss, das es im Moment hier zu bestaunen gibt.

045comp

Fernsehen bildet doch

Am Wochenende hatte Lilli englischen Besuch. "I will bid you Farewell in the morning", sagt der kleine Strolch am letzten Abend zum Abschied. Lord Grantham von Downton Abbey hätte es nicht besser sagen können.

Mittwoch, 9. Dezember 2015

Kalt ist es

Dezember, grau und kalt. Ein 19jähriger Junge liegt im Koma, nachdem er Anfang Oktober von einem Hochhaus gesprungen ist, um seinem Leben ein Ende zu setzen. Die Eltern lassen die Geräte, die ihn am Leben erhalten, Ende November abschalten. Danach müssen sie über eine Woche lang mit ihm warten, bis er stirbt. Der Vater veröffentlicht ein Video, in dem er an die Regierung appeliert, die es verbietet, dieses Leiden abzukürzen.

Die Strolche kommen nach Hause und erzählen, dass ein Junge aus der 9. Klasse - die Klassenstufe des kleinen Strolches - am Wochenende gestorben ist. Sie kannten ihn nicht, aber die Familie ist in Montréal in vielen Sphären bekannt. Ein "tragischer Tod", heisst es, "ein Unfall mit einem Jagdgewehr" gehen die Gerüchte, jeder denkt an Selbstmord.

Gott, was muss in diesen jungen Menschen vorgehen, damit sie keinen anderen Ausweg sehen als den Tod. Gott, was ist es kalt dieses Jahr im Dezember. Dabei liegen die Temperaturen weit über Null Grad.

Donnerstag, 26. November 2015

Alle Jahre wieder

Bei vielen Leuten hat sich schon Weihnachtsstimmung eingestellt, bei Lilli noch nicht. Das ist kein Wunder, schliesslich leidet sie schon seit Jahren an einer immerzu ansteigenden Weihnachtsallergie: die gekünstelte Fröhlichkeit, der Kaufzwang, der Schwenkzwang, die heile Familie, die dankbar leuchtenden Kinderaugen, der plötzliche (und nach Weihnachten wieder abschwellende) Drang zur Nächstenliebe, das hört sich alles falsch und verquer an in ihren Ohren. Diese Woche fielen ihr gleich zwei Werbeprospekte in die Hände, die den unsinnigen Weihnachtskonsum besonders gut ausleuchten. Der erste pries Sachen an mit dem Slogan "Ihre Nachbarn werden beeindruckt sein", der zweite hielt Waren feil "für diejenigen, die schon alles haben".

Wo gibt's einen "Weihnachten, nein danke"-Aufkleber?

Mittwoch, 25. November 2015

Hören Sie nie auf Ihren grossen Bruder

Gestern lag Schnee, und trotzdem fuhr der kleine Strolch mit dem Rad zur Schule. Wahrscheinlich hat er Angst, in den falschen Bus einzusteigen, aber das ist eine andere Geschichte. Jedenfalls hält ihn weder Regen noch Kälte vom Fahrradfahren ab. Gestern abend stellte Lilli deshalb eine neue Regel auf: "Wenn Schnee, dann kein Fahrrad". "Es lag aber nur ganz wenig Schnee und ich bin auch nur einmal ausgerutscht", meinte der kleine Strolch zu seiner Verteidigung. "Und abends auf dem Rückweg war der Schnee auch schon wieder weggetaut", kam ihm der grosse Strolch zu Hilfe. "Egal", erwiderte Lilli. "Die Regel gilt, sobald morgens Schnee liegt, aus, fertig."

Das gefiel dem kleinen Strolch nicht. "Pass auf", sagte der grosse Strolch im Ton der Verschwörung. "Wenn morgens Schnee liegt, fährst Du mit dem Bus, und wenn abends keiner mehr liegt, fährst Du mit dem Rad nach Hause." Sich über den kleinen Bruder lustig machen, das ist zur Zeit seine Lieblingsbeschäftigung.

Montag, 23. November 2015

Die Stimme im Kopf

Monsieur ist aus dem Malkurs ausgestiegen. Er sei nicht gut genug, meinte er. Lilli ist auch nicht gut, und lange nicht "gut genug", aber ihr macht es Spass, sich jedesmal der Herausforderung des leeren Blattes zu stellen und dieses pinsel- oder-kreideschwingend (so gut es geht) zu bedecken. Die Farben erfüllen sie, das Malen leert den Kopf und nach drei Stunden taucht man aus dem Kurs auf wie frisch geduscht.

Monsieur nicht. Dabei ist er begabter als Lilli, was das Zeichnen angeht - nicht aber, was das Glücklichsein angeht. Da ist sie ihm Längen voraus.

Samstag, 21. November 2015

Unnötig

Diesen Sommer hatte Lilli eine gute Idee. Fand sie jedenfalls. Es ist ja so, dass Lilli und ihre Familie vor den Toren von Montréal wohnen und das Einzugsgebiet der Strolche sich bisher auf das Vieleck Haus-Schule-Eishalle-Freunde beschränkte, das mit dem Fahrrad abgedeckt werden konnte. Montreal selbst, d.h. die Insel von Montreal mit ihrem öffentlichen Verkehrsnetz, kannten die Strolche nur von gelegentlichen Ausflügen ins Theater oder ins Museum. Die gute Idee von Lilli bestand darin, den Strolchen diesen Sommer eine Wochenkarte zu kaufen und sie auf eine Schnitzeljagd durch die Stadt zu schicken. Jeden Tag mussten bestimmte Punkte der Stadt aufgesucht und fotografiert werden. Dabei plante Lilli grosszügig Freibadbesuche, Eisdielen und Crêpebuden mit ein, und jeden Tag sollten die Strolche weiter weggeschickt bzw. kompliziertere Bus- und Metroverbindungen ausfindig gemacht werden. "Wie heissen die drei überdimensionalen Freilichtskulpturen auf dem Gelände des neuen Krankenhauses?" lautete eine Frage, und "Wessen Statue steht direkt vor dem Eingang des Eishockeyzentrums?" eine andere.

Die Strolche brachten wenig Begeisterung auf. So wenig, dass Lilli die Schatzsuche abblies, noch bevor sie ganz geplant war, und die Strolche undankbare Langweiler schimpfte. Sollten sie doch sehen, wie sie alleine in der Stadt zurecht kommen, wenn sie dann mal plötzlich irgendwo hin müssen!

Nun, jetzt ist es soweit. Diese Woche war der grosse Strolch mit seinen Freunden in der Stadt, um diverse Sportartikel und Klamotten zu kaufen. Ganz ohne mütterliche Betreuung haben sie es geschafft, den Metroplan zu lesen und selbständig von A nach B und wieder zurück nach A zu kommen.

Natürlich hat Lilli den grossen Strolch gelobt, aber gleichzeitig war sie traurig. Die Kinder machen jetzt ihre eigenen Erfahrungen ganz ohne Lilli. Es war ihr schon klar gewesen, dass sie die Strolche bei der Schatzsuche nicht begleiten hätte können, aber wenigstens wollte sie den Lernprozess dirigieren und formatieren. "Nicht nötig", lacht das Schicksal Lilli ins Gesicht und weist sie an, sich schleunigst andere Betätigungsgebiete zu suchen. Vielleicht brauchen ja die Syrier, die demnächst hier ankommen sollen, jemanden, der sie an die Hand nimmt?

Über Lilli

Laufen ist denken, manchmal auch überlegen, immer aber sich erneuern. Eine neue Sicht auf die Dinge erlangen, die uns bewegen. Laufen ist manchmal auch davonlaufen, für eine Weile wenigstens, bevor man wieder heimkommt zu Mann und Kindern, Wäsche und Kochtopf, zu den eigenen Macken und all den bunten Schnipseln, die ein Leben so ausmachen. Laufen ist das beste Beobachten, das es gibt.

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