Mitmenschen
Ein wundersamer Impuls drängt Monsieur dazu, jetzt ab und zu zu kochen. Gestern zum Beispiel Blutwurst mit Äpfeln.
Die Strolche sind nicht so sehr froh drüber.
Lilli legt los - 20. Apr, 10:10
Lillis Zugnachbarin: "... und dann sag ich zu ihm, wo willst Du dieses Jahr hin? Nochmal eine Kreuzfahrt machen? Nein, das wollte er nicht. Costa Rica vielleicht? Nein, weisst Du, was er gesagt hat? Er will mal nach Hawaii. Jetzt fliegen wir also nach Hawaii, mit einem Zwischenstopp in San Francisco, dort bleiben wir drei Tage, dann sind es nochmal 5 Flugstunden bis nach Hawaii. Der Rückflug ist dann direkt, der dauert 12 Stunden."
Es sind also nicht nur die Deutschen, die viel reisen. Reiche Kanadier tun das auch.
Lilli legt los - 9. Apr, 18:19
Neulich hat Lilli auf einer Beerdigung gesungen. Ein Mitglied des Kirchenchores, in dem sie an Weihnachten mitsingt, ist gestorben. Sie kannte ihn nicht, ausser dass er der einzige Bariton des Chores war und gern so laut sang, dass er bei "Stille Nacht" die minderjährigen Soprane übertönte. Seine Frau und seine zwei erwachsenen Kinder hielten eine bewegende Ansprache, in der auch viele heitere Elemente hervorgehoben wurden. So hat Lilli es im Nachhinein bedauert, ihn nicht näher gekannt zu haben, denn er war wohl ein intelligenter, lustiger und intensiver Mann gewesen. Industriepsychologe von Beruf. Sein Motto lautete: "Man muss seine Arbeit gut machen und besser machen, aber man muss sich auch gut dabei fühlen."
Genau das, was Monsieur fehlt. Hätte Monsieur doch auch im Chor singen sollen.
Lilli legt los - 30. Mär, 10:11
Liebes Hallenbad,
So nicht. So geht es auf keinen Fall weiter. Bitte verbieten Sie erwachsenen Männern, die mit Schwimmbrett UND Taucherbrille UND Schnorchel ausgerüstet sind, den Zutritt zu den Bahnen. Wo kommen wir denn hin, wenn die da prusten, wackeln und mit den Füssen spritzen dürfen, dabei aber kaum vom Fleck kommen? Hm? Oder teilen Sie wenigstens noch eine vierte Bahn ab, die passend zu "schnell", "mittel" und "langsam" dann mit "Schneckentempo" ausgeschildert werden sollte.
Echt jetzt.
Lilli legt los - 24. Mär, 12:00
Am Sonntag sollte Lilli mit ihrer Mutter skypen, derweil diese bei Lillis Schwester, der Alleskönnerin, weilt. Dummerweise braucht Lilli eine Weile, bis sie bei Skype einigermassen durchblickt, und ruft dann gerade an, als die Familie beim Kaffeetrinken zusammensitzt. Lillis Schwester stellt deshalb den Laptop auf den Esstisch direkt vor die Mutter hin. "Hallo Lilli", sagt diese erfreut, und "Hallo Mami", sagt Lilli. Danach wissen beide erst mal nicht, wie es weitergehen soll, denn eigentlich hatten sie am Vortag schon telefoniert und sich alles Wesentliche erzählt. "Hallo Papi", sagt Lilli, als sie den Ellenbogen ihres Vaters im Bild erkennt. Lillis Schwester dreht den Laptop etwas weiter, damit nun beide Eltern im Bild sind. Lillis Vater guckt erfreut. "Hallo Lilli", sagt er und trinkt weiter Kaffee. Dann zieht ein Schatten des Zweifels über sein Gesicht. Was Lilli wohl auf dem Tisch neben dem Himbeerkuchen macht? Das ist doch irgendwie ungewöhnlich, oder nicht? Noch lange nach Beenden des Gesprächs denkt Lilli an diesen Moment. Aussehen tut ihr Vater wie früher, aber so richtig Dasein tut er nicht mehr.
Lilli legt los - 16. Mär, 20:15
Schon öfter hat Monsieur jähzornig reagiert, wenn es um Erziehung ging. Er ist strenger als Lilli, wurde selbst auch viele strenger als sie erzogen, was sein Verhalten vielleicht erklärt, aber nicht entschuldigt. Dieses Mal ist Lilli nicht unschuldig an der Ausgangssituation, aber selbst als sie sich entschuldigt und danach versucht, ruhig zu diskutieren, wird er laut und verletzend.
Nach dem Sturm googelt sie "strenger Vater", was zu allen möglichen Foren führt, die Ratschläge von "in Ruhe mit ihm reden, wenn die Kinder im Bett sind" bis "da ist nichts zu machen, trennt Euch Eurer Kinder zuliebe" anbieten. Eine Anfrage lautet: "Mein Mann ist so ein Kotzbrocken". Da muss sie dann doch lachen, bei all der Heulerei.
Lilli legt los - 13. Mär, 19:30
Wenn sich Eltern darum streiten, wie mit einem schwierigen Jugendlichen umzugehen ist, geht davon oft die Beziehung in die Brüche. Seltsam: am Anfang gab es nur die Liebe zwischen den Eltern, aus der heraus das Kind entstanden ist. Dann bringt das Kind diese Liebe zu Ende. Bei Freunden von Lilli und Monsieur ist das jetzt so. Der Sohn, 17 Jahre alt, zieht aus, weil er nicht mit dem Vater klarkommt und dieses durch allgemeine Aufmüpfigkeit, aber auch durch gewalttätiges Verhalten gegenüber den kleinen Geschwistern zum Ausdruck bringt. Die Mutter will schlichten, der Vater befürwortet den Auszug, die Mutter wirft dem Vater vor, den Jungen vergrault zu haben, der Vater wirft der Mutter vor, seine Autorität zu untergraben, die Mutter wirft dem Vater vor, zu viel Autorität und zu wenig Kommunikationstalent zu haben, der Vater wirft der Mutter vor, zu viel zu reden und zu wenig zu handeln. Beide fühlen sich im Stich gelassen - vom anderen, aber auch vom Sohn, der sich nicht in das Leben der Familie einfügen lassen will. Jetzt ist der Sohn weg, die Ehe kaputt, die Familie der kleinen Geschwister kaputt.
Gut wäre es, wenn man den Film nochmal anschauen und analysieren könnte, ab wann etwas falsch zu laufen anfing. Damit alle Eltern davon lernen.
Lilli legt los - 3. Mär, 17:46
Die Steuererklärung der Schwiegermutter machen müssen, während Monsieur Curling guckt. Nicht genug, dass es Spalte um Spalte an Zahlen einzutragen gilt, man wird dazu auch noch mit "HARD! HARD! HAAARDER!" angefeuert...
Lilli legt los - 2. Mär, 17:35
Im Skibus, in den Lilli und Monsieur steigen, herrscht extrem gute Laune. Und gute Musik aus dem Radio. Ein Vater steigt mit seiner schätzungsweise 9jährigen Tochter dazu, hört kurz hin und sagt: "Hey, Jade, das ist doch Dein Lied!" Monsieur will wissen, wie es heisst. Der Vater erklärt beglückt: "Es heisst Take me to Church und es ist die erste Musik, die meiner Tochter gefällt und mir nicht sofort zu den Ohren rauskommt."
Ein Meilenstein in jeder Vater-Tochter-Beziehung.
Lilli legt los - 26. Feb, 18:08
Je älter man wird, umso älter werden auch die eigenen Eltern. So sind Lillis Eltern bereits über 80 und damit in einer Zone, in der früher banale Geschehnisse plötzlich schreckenhaft alptraumartige Ausmasse annehmen. "Der Papa ist heute nacht hingefallen, als er aufs Klo wollte, und ich konnte ihn nicht aufheben", erzählt Lillis Mutter zum Beispiel und ist selbst erstaunt, wie hilflos sie geworden sind, wie zerbrechlich, wie machtlos angesichts der Schicksalsschläge, die da jetzt auf sie warten. Ob sie noch einmal nach Menorca fliegen werden, wissen sie nicht, aber dass einer von ihnen irgendwann die Kellertreppe runterfliegen und dort mit einer gebrochenen Hüfte auf den kalten Fliesen liegen wird, wird mehr und mehr zur Gewissheit. Lilli, 6000 Kilometer entfernt, kann nur mitfühlend in den Telefonhörer seufzen.
"Der Papa braucht jetzt ein Hörgerät", ist auch so ein Satz. Angst schwingt mit vor dem neuen Hausbewohner - ein Ding hinter den Ohren, das pfeifen wird oder drückt oder sich entzündet.
Im Mai wird Lilli nach Hause fliegen. Allein, damit sie wirklich Zeit für die Eltern hat. Ein bisschen gruselt sie sich davor.
Lilli legt los - 25. Feb, 10:27