Zonstiges

Mittwoch, 7. Oktober 2009

Karotte statt Peitsche

Lilli ist eine Frau mit Prinzipien: das erste Gehalt muss - zumindest teilweise - auf den Kopf gehauen werden. So ist Lilli jetzt stolze Besitzerin hoher enger Stiefel, deren hellgraues italienisches Leder weicher ist als ein Babypopo. Ähem, und der passenden Handtasche. Aber nur, weil die dann im Prinzip ein Schnäppchen war. Damit ist der Gang zum Bahnhof jetzt schon ein kleines bisschen weniger schlimm...

Montag, 28. September 2009

Lilli, suchtgefährdet

Das hat Lilli nun davon: da wirft sie eine etwas verrückte Idee in die Luft, Monsieur fängt sie prompt auf und wirft sie ihr, konkreter jetzt, zurück: schau halt mal. Denn es ist ja so: Monsieur muss immer mal wieder beruflich und privat nach Québec, einer Stadt, die hundertmal schöner und sympathischer ist als Montréal und mit einem fast richtigen Schloss auf einer richtigen Klippe, einer Stadtmauer, kleinen buckligen Sträßchen und einer prickelnden Kulturszene alles zu bieten hat, was zu einem netten verlängerten Wochenende dazugehört. Außerdem müssen Lilli und Monsieur auch an Weihnachten, Ostern, dem Geburtstag der Schwiegermutter und anderen heiligen Tagen des Jahres nach Québec, wo sie bei Lillis Schwägerin auf knarzenden Ausziehsofas schlafen und so viel Intimität haben wie ein Eisverkäufer auf der Stuttgarter Königstraße. Die Idee also, sich in Québec eine klitzekleine Wohnung zu suchen, in der man kommen und gehen könnte, wie man Lust hat, nahm Gestalt an und ist der Grund dafür, warum Lilli nun hypnotische Stunden im Internet zubringt, wo sie Photos von Ledersofas vor alten Stuckwänden und Bädern mit blauen Blümchen ansieht und sich vorzustellen versucht, wie wohl die Wohnung insgesamt ist und ob es sich dabei um eine gute Anschaffung handeln könnte. Die Einblicke, die man dabei in fremde Leben erhält, sind besser als die Lektüre von „Bunte“ und machen mindestens genauso süchtig wie Gummibären. Lilli sitzt und schaut, klickt und schaut und kann ihre Augen nicht davon abwenden. Für manche Leute ist der Ikea-Katalog so gut wie Porno. Lilli hat jetzt noch etwas Besseres gefunden…

Montag, 14. September 2009

Panik, die alte Weggefährtin

Letzten Montag schlotterte Lilli vor Angst, weil am Dienstag der erste Arbeitstag beim neuen 2-Tage-Job anstand. Dabei wusste sie noch gar nicht, wovor sie eigentlich Angst haben sollte – es war eher so die Angst vor dem Ungewissen und dem eventuell bevorstehenden Scheitern, das schließlich nie auszuschließen ist. Womit sie sich im Handumdrehen als Minderwertigkeitskomplexträgerin zu erkennen gibt. Diese Angst kennt Lilli, die hatte sie früher schon, wenn sie in Vorarlberg in den Skikurs oder aber allein mit dem Zug an den Bodensee fahren sollte. Am Dienstag Abend hatte sich diese Angst vor dem Ungewissen in die Angst der Mogelpackung verwandelt – diese Leute scheinen von Lilli Wunder zu erwarten, denen Lilli sich absolut nicht gewachsen fühlt und die schon gar nicht in zwei mickrigen Tagen pro Woche erbracht werden können. Denkt Lilli zumindest jetzt. Dabei weiß sie ganz genau, dass nach den ersten Tagen alles erst mal schlimmer aussieht, als es ist, und man noch kein Urteil fällen kann. Sie weiß es und wimmert trotzdem innerlich, schläft schlecht und rechnet schon mal, wann sie wohl wieder kündigen kann, ohne dass es überstürzt aussieht. Und weiß, dass sie übertrieben reagiert…

Manchmal kennt Lilli sich so gut, dass sie sich direkt zum Hals raushängt.

Mittwoch, 2. September 2009

Blauer Sommer

Zehn Tage lang hatte Lilli einen schmerzhaften, gut 20 cm langen blauen Fleck in der Form von Afrika am Schienbein, weil sie über ein zwanglos in ihrem Arbeitszimmer herumstehendes Hockeytor gestolpert ist. Seltsam, denkt Lilli sich, und dabei spielen sie in Afrika doch gar kein Hockey…

Dienstag, 1. September 2009

Glücklicher Sommer

Hoch über dem Atlantik ist Lilli diesen Sommer 40 geworden, und wenn der Schwabe auch mit 40 gescheit wird, so wurde Lilli doch nur ein bisschen betrunken, da es bei Air France schließlich Champagner gibt und dieser in Kombination mit Lillis Tablette gegen Reisekrankheit eine amüsante Wirkung auf sie hatte. Stunden später stand Lilli nicht etwa wie vorgesehen am Strand von Valencia, sondern in der Klamottenabteilung von C&A, wo sie immer noch etwas benebelt und unter Aufbietung sämtlicher noch vorhandenen intellektuellen Ressourcen (ach diese europäischen Kindergrößen: 128 oder doch lieber 156? In Kanada entsprechen Kindergrößen ganz einfach dem Alter, in dem sie ungefähr passen!) nach kurzen Hosen und T-Shirts suchte, die die Familie so lange über Wasser halten würden, bis das Gepäck wieder auftauchte… Dann aber lief alles wie geschmiert, und es wurde ein schöner Urlaub mit gleißender Hitze in Spanien und anschließendem Nieselwetter in Deutschland. Lilli machte neue kulinarische Entdeckungen (Langusten? das da?), schlemmte anschließend nostalgisch in Gulasch und Grießpudding und verbrachte erstaunlich viele Stunden damit, irgendwie nichts zu tun und ihren Eltern dabei zuzuhören, wie diese von Gymnastikkursen, Krankheiten und städtischen Bauvorhaben erzählten. Am meisten aber freut sich Lilli darüber, es in den letzten 10 Wochen fast immer geschafft zu haben, im Hier und Jetzt zu leben, ohne nach vorn oder hinten zu linsen – eine große Kunst, die sie nicht immer beherrscht, von der sie aber (schließlich IST sie ja jetzt 40) weiß, dass sie die einzige Art und Weise ist, Glück zu empfinden.

Mittwoch, 17. Juni 2009

Lilli braucht mal Pause

Lilli hat aufregende Wochen hinter sich. Zuerst war sie wieder Aushilfssekretärin und hat allerlei gelernt: z.B., dass sie richtig viel Stress inzwischen so auf den Magen schlägt, dass sie sich fast übergeben muss. Dann hat sie gemerkt, dass ihre kanadischen Aufenthaltspapiere nicht ganz so in Ordnung sind, wie sie vor dem Deutschlandflug eigentlich sein sollten, und dass es zum Glück ein Express-Antragsverfahren gibt, das solche Sachen doch schon innerhalb von drei Wochen regeln kann. Leichte Übelkeit auch hier. Schließlich hat sie noch eine Einladung zu einer schriftlichen Prüfung für eine gar nicht so uninteressante Halbtagsstelle bekommen und wurde drei Tage später (heute) auch prompt zum Vorstellungsgespräch gebeten – Antwort erst Mitte Juli. Jetzt will sie nur noch weg für eine Weile. Am Strand die Zehen in den Sand graben. Die Sonne an den Beinen spüren. Mit den Strolchen Eis schlecken. Mit Monsieur abends spazieren gehen. Morgens joggen, mittags schlafen. Und dann ganz viele liebe Leute in Deutschland besuchen, dort Brezeln und Rührkuchen mit Sahne essen und nicht erklären müssen, dass der Nachmittagskaffee eine typisch deutsche Einrichtung ist.

Deshalb wird es hier lange nichts zu lesen geben. Oder nur sporadisch. Sendepause bis September…

Dienstag, 16. Juni 2009

Auto-matik

Volkswagen schaltet in Kanada Werbespots, die sich nicht groß von all den anderen Autoherstellern unterscheiden. Klar wird manchmal der „europäische Chic“ oder die „deutsche Technologie“ hervorgehoben, ansonsten sieht man … Autos, Straßen, Tankstellen und lächelnde Menschen in urbanen Klamotten wie bei Mazda, Ford und Honda auch. Neulich wäre Lilli beim Nachrichtengucken aber fast vom Sofa gerutscht: im Werbeblock hört sie doch plötzlich eine dieser tiefen, gutturalen Stimmen, die sonst immer im Kino die neuesten Filme anpreisen („Er lebte ein gewöhnliches Leben (Pause) mit ganz gewöhnlichen Freunden (Pause) bis er eines Tages (Pause) auf eine außergewöhnliche Frau stieß“), die auf deutsch sagt: „Volkswagen – das Auto“. Keine kanadische Stimme, die so tut, als sei sie deutsch, sondern eine Stimme, die so mühelos und akzentfrei deutsch spricht, als käme sie direkt aus Hannover. Und das hört sich gleichzeitig so fremd (inmitten des sonstigen akustischen Umfelds) und vertraut (für Lilli) an, dass Lilli ganz anders um den Bauchnabel wird. Oder wo auch immer das Zugehörigkeitsgefühl sitzt, das das Hören der Muttersprache in uns auslöst. Denn es war ja weder die Stimme des Mannes (die Lilli unbekannt war), noch die Bedeutung der Worte, die Lilli berührten. Es war allein das Hören der Sprache, das so automatisch eine Saite in Lilli zum Klingen brachte, wie manchmal eine Berührung mit einem Finger den ganzen Körper in Aufruhr bringt. Einen ähnlich direkten Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung kennt Lilli sonst nur, wenn sie eine Tüte Gummibären aufreißt und sofort ein Strolch neben ihr steht...

Dienstag, 19. Mai 2009

Von der Stirne heiss...

Es ist unglaublich befriedigend, hölzerne Gartenmöbel abzuschleifen und frisch zu beizen. Anstrengend, da man anfangs unterschätzt, wie viele Stäbe so eine Rückenlehne haben kann, aber in einem Maße befriedigend, dass Lilli sich wundert, ob sie auf ihre alten Tage nicht doch noch eine Schreinerlehre machen soll. Allerdings hat Lilli jetzt dunkelbraun gebeizte Fingernägel und muss morgen so mit dem kleinen Strolch zum Kieferorthopäden. Das sind Probleme, die beim Übersetzen generell nicht auftauchen.

Donnerstag, 14. Mai 2009

Kaufrausch

Vier Stunden lang war Lilli gestern in einem dieser Einkaufszentren, die viele hundert Läden unter einem Dach vereinen. Ihre Mission war vielfältig – ein paar neue Klamotten für jeden Tag finden, ein paar bürotaugliche Sachen, ein paar Geschenke für den großen Strolch, eine Ersatzkrawatte für den Kollegen, den Monsieur mit Rotwein überschüttet hat und ein schönes-schickes-wenn-auch-nicht-allzu-gewagtes-denn-man-muss-damit-auch-in-die-Kirche-gehen-können Kleid für den großen Anlass in Deutschland. Ungelogen: Lilli hat das Kleid nach den vier Stunden tatsächlich gefunden – im ersten Laden, durch den sie zum Schluss erschöpft wieder auf den Parkplatz wollte. Auf dem einzigen Ständer, den sie wohl bei ihrem ersten Besuch gleich am Morgen übersehen hatte. Schön. Jetzt fehlen nur noch passende Schuhe, vielleicht eine Jacke und, ach ja, neue Oberarme.

Mittwoch, 13. Mai 2009

Lilli träumt von Deutschland

Seit Lilli weiß, dass sie im Sommer nach Deutschland fliegt, träumt sie irres Zeug. Man kann noch so lang von dem Ort, an dem man aufgewachsen ist, und von den Menschen, die einen geprägt haben, fort sein, man trägt sie doch mit sich herum und verbindet innigste Gefühle mit ihnen. Letzte Nacht zum Beispiel träumte Lilli, dass sie mit ihren Eltern eine Stadtbesichtigung macht und wie wild fotografiert. Kirchtürme, Häuserfassaden, Springbrunnen… aber als sie versucht, ihre Eltern abzulichten, streikt ihre Kamera. Panisch drückt sie auf die Knöpfe, schüttelt den Apparat, wischt die Linse sauber – ohne Erfolg. Es gelingt ihr nicht, auch nur ein einziges Bild ihrer Eltern in den Kasten zu bekommen.

Natürlich ist sonnenklar, was dieser Traum bedeutet. Lillis Eltern sind 75 und ziemlich gesund, aber Lilli befürchtet trotzdem insgeheim, sie bald nie wieder besuchen zu können. Und es ist diese Möglichkeit, sie zu besuchen, die so beruhigend ist, wenn Lilli davon auch nur etwa alle zwei Jahre Gebrauch macht. Allein der Gedanke: "Wenn ich wollte, könnte ich gleich morgen..." ist tröstlich. Irgendwann einmal wird Deutschland aber kein Urlaubsziel mehr sein, weil keine Eltern mehr zu besuchen sein werden. Kein Umarmen mehr, nirgends. Lillis Unterbewusstsein hat jetzt schon Angst davor.

Über Lilli

Laufen ist denken, manchmal auch überlegen, immer aber sich erneuern. Eine neue Sicht auf die Dinge erlangen, die uns bewegen. Laufen ist manchmal auch davonlaufen, für eine Weile wenigstens, bevor man wieder heimkommt zu Mann und Kindern, Wäsche und Kochtopf, zu den eigenen Macken und all den bunten Schnipseln, die ein Leben so ausmachen. Laufen ist das beste Beobachten, das es gibt.

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