Strolche

Mittwoch, 30. März 2016

Warum man ins Theater geht

"Warten auf Godot" ist ein grässliches Stück, Es passiert ja nichts, Godot kommt nicht, jedenfalls nicht heute, morgen vielleicht, und zum Schluss ist die Aussicht, sich zu erhängen, der einzige Lichtblick für den nächsten Tag.

Noch dazu werden Theaterstücke ja abends gespielt. Im Dunkeln. Nach dem Abendessen. Kein Wunder, dass einem da die Augen zufallen, wenn auf der Bühne nicht der Bär los ist.

Trotzdem waren die Schauspieler klasse, wenn auch, wie gesagt, in einem grässlichen Stück.

Das Stück war so deprimierend, dass der kleine Strolch anschliessend bei einer Tasse Kaffee eine halbe Stunde lang darüber geredet hat, wie er sich mal die Zukunft vorstellt. Dass er mal für eine Leistung weltweit anerkannt werden will, etwas langfristiges hinterlassen will so wie Steve Jobs oder Gaudi. Nicht nur ein guter Angestellter sein oder Anwalt oder Arzt, sondern selbst für Menschen, die ihn nicht kennen, ein Begriff sein.

Wäre das Stück nicht so sinnlos gewesen, wäre diese Unterhaltung womöglich nicht zustande gekommen. Wie war es also im Theater? Klasse.

Sonntag, 13. März 2016

Viel Glück und vie-hiel Segen

Der kleine Strolch feiert seinen 15. Geburtstag mit Kinobesuch und anschliessendem Pizzaessen zuhause. Lilli deckt den Tisch, zahlt für die Pizza und lässt die Jungs alleine feiern, während sie im Arbeitszimmer fernsieht. Etwas später steckt der kleine Strolch den Kopf zu ihr herein. "Wir sind jetzt soweit", meint er. Es ist Zeit, den Geburtstagskuchen zu servieren. Während Lilli ihm in die Küche folgt, flüstert er ihr zu: "Du brauchst aber nicht unbedingt zu singen."

Er hat ja keine Ahnung, wie schwer Lilli daran zu schlucken hat.

Donnerstag, 25. Februar 2016

Bis(s) morgen

Lillis Kollegin legt verstört den Telefonhörer auf. "Ich muss los", sagt sie, obwohl es noch eine Stunde bis Feierarbend ist. "Mein Sohn hat nun schon zum zweiten Mal ein anderes Kind gebissen." "Ja, und?", fragt Lilli. "Sowas kommt vor." Lillis Kollegin zieht Mantel und Stiefel an. "Der Kindergarten will, dass ich ihn abhole."

Gehört das nicht zum Job der Erzieher im Kindergarten, mit solchen Situationen fertig zu werden? Wird der kleine Junge morgen nicht wieder in den Kindergarten gehen, zurück in die gleiche Gruppe? Als der kleine Strolch im Kindergarten gebissen wurde - in die Nase, bis aufs Blut wohlgemerkt - hiess es noch, das sei in dem Alter normal und wahrscheinlich eher ein Zeichen der Zuneigung als ein Angriff. Aber das ist jetzt 12 Jahre her, vielleicht hat die Wissenschaft seither eine andere Theorie aufgestellt?

Mittwoch, 16. Dezember 2015

Fernsehen bildet doch

Am Wochenende hatte Lilli englischen Besuch. "I will bid you Farewell in the morning", sagt der kleine Strolch am letzten Abend zum Abschied. Lord Grantham von Downton Abbey hätte es nicht besser sagen können.

Mittwoch, 9. Dezember 2015

Kalt ist es

Dezember, grau und kalt. Ein 19jähriger Junge liegt im Koma, nachdem er Anfang Oktober von einem Hochhaus gesprungen ist, um seinem Leben ein Ende zu setzen. Die Eltern lassen die Geräte, die ihn am Leben erhalten, Ende November abschalten. Danach müssen sie über eine Woche lang mit ihm warten, bis er stirbt. Der Vater veröffentlicht ein Video, in dem er an die Regierung appeliert, die es verbietet, dieses Leiden abzukürzen.

Die Strolche kommen nach Hause und erzählen, dass ein Junge aus der 9. Klasse - die Klassenstufe des kleinen Strolches - am Wochenende gestorben ist. Sie kannten ihn nicht, aber die Familie ist in Montréal in vielen Sphären bekannt. Ein "tragischer Tod", heisst es, "ein Unfall mit einem Jagdgewehr" gehen die Gerüchte, jeder denkt an Selbstmord.

Gott, was muss in diesen jungen Menschen vorgehen, damit sie keinen anderen Ausweg sehen als den Tod. Gott, was ist es kalt dieses Jahr im Dezember. Dabei liegen die Temperaturen weit über Null Grad.

Mittwoch, 25. November 2015

Hören Sie nie auf Ihren grossen Bruder

Gestern lag Schnee, und trotzdem fuhr der kleine Strolch mit dem Rad zur Schule. Wahrscheinlich hat er Angst, in den falschen Bus einzusteigen, aber das ist eine andere Geschichte. Jedenfalls hält ihn weder Regen noch Kälte vom Fahrradfahren ab. Gestern abend stellte Lilli deshalb eine neue Regel auf: "Wenn Schnee, dann kein Fahrrad". "Es lag aber nur ganz wenig Schnee und ich bin auch nur einmal ausgerutscht", meinte der kleine Strolch zu seiner Verteidigung. "Und abends auf dem Rückweg war der Schnee auch schon wieder weggetaut", kam ihm der grosse Strolch zu Hilfe. "Egal", erwiderte Lilli. "Die Regel gilt, sobald morgens Schnee liegt, aus, fertig."

Das gefiel dem kleinen Strolch nicht. "Pass auf", sagte der grosse Strolch im Ton der Verschwörung. "Wenn morgens Schnee liegt, fährst Du mit dem Bus, und wenn abends keiner mehr liegt, fährst Du mit dem Rad nach Hause." Sich über den kleinen Bruder lustig machen, das ist zur Zeit seine Lieblingsbeschäftigung.

Samstag, 21. November 2015

Unnötig

Diesen Sommer hatte Lilli eine gute Idee. Fand sie jedenfalls. Es ist ja so, dass Lilli und ihre Familie vor den Toren von Montréal wohnen und das Einzugsgebiet der Strolche sich bisher auf das Vieleck Haus-Schule-Eishalle-Freunde beschränkte, das mit dem Fahrrad abgedeckt werden konnte. Montreal selbst, d.h. die Insel von Montreal mit ihrem öffentlichen Verkehrsnetz, kannten die Strolche nur von gelegentlichen Ausflügen ins Theater oder ins Museum. Die gute Idee von Lilli bestand darin, den Strolchen diesen Sommer eine Wochenkarte zu kaufen und sie auf eine Schnitzeljagd durch die Stadt zu schicken. Jeden Tag mussten bestimmte Punkte der Stadt aufgesucht und fotografiert werden. Dabei plante Lilli grosszügig Freibadbesuche, Eisdielen und Crêpebuden mit ein, und jeden Tag sollten die Strolche weiter weggeschickt bzw. kompliziertere Bus- und Metroverbindungen ausfindig gemacht werden. "Wie heissen die drei überdimensionalen Freilichtskulpturen auf dem Gelände des neuen Krankenhauses?" lautete eine Frage, und "Wessen Statue steht direkt vor dem Eingang des Eishockeyzentrums?" eine andere.

Die Strolche brachten wenig Begeisterung auf. So wenig, dass Lilli die Schatzsuche abblies, noch bevor sie ganz geplant war, und die Strolche undankbare Langweiler schimpfte. Sollten sie doch sehen, wie sie alleine in der Stadt zurecht kommen, wenn sie dann mal plötzlich irgendwo hin müssen!

Nun, jetzt ist es soweit. Diese Woche war der grosse Strolch mit seinen Freunden in der Stadt, um diverse Sportartikel und Klamotten zu kaufen. Ganz ohne mütterliche Betreuung haben sie es geschafft, den Metroplan zu lesen und selbständig von A nach B und wieder zurück nach A zu kommen.

Natürlich hat Lilli den grossen Strolch gelobt, aber gleichzeitig war sie traurig. Die Kinder machen jetzt ihre eigenen Erfahrungen ganz ohne Lilli. Es war ihr schon klar gewesen, dass sie die Strolche bei der Schatzsuche nicht begleiten hätte können, aber wenigstens wollte sie den Lernprozess dirigieren und formatieren. "Nicht nötig", lacht das Schicksal Lilli ins Gesicht und weist sie an, sich schleunigst andere Betätigungsgebiete zu suchen. Vielleicht brauchen ja die Syrier, die demnächst hier ankommen sollen, jemanden, der sie an die Hand nimmt?

Freitag, 30. Oktober 2015

K(l)eine Monster

Dieses Jahr findet kein Halloween mehr bei Lilli statt. Nachdem sie es geschafft hatte, den ganz kleinen Strolchen mehrere Jahre lang Halloween zu verschweigen, musste sie anschliessend etwa 10 Jahre lang voll mitmachen: Kostüme erfinden, zusammenschneidern und basteln, Strolchgesichter auf Spiderman oder Vampir schminken, Süssigkeiten kaufen, Kürbisse dekorieren und am 31. Oktober von 6 bis halb 8 zweihundertmal die Tür aufmachen und kleine Tütchen verschenken. Letztes Jahr ging noch der kleine Strolch von Tür zu Tür, während der grosse Strolch ihr zuhause das Türaufmachen abnahm.

Dieses Jahr: nichts mehr. Kein Kostüm, keine Totenköpfe aus Papier an die Tür geklebt, kein Kürbis mit Kerze drin, kein geschminktes Kindergesicht. Wie schön. Und wie langweilig.

Im Supermarkt kommt Lilli trotzdem nicht an der Kiloschachtel mit Süssigkeitentütchen vorbei. Denn wenn sie auch Halloween in seiner aktuellen Form (oder Deformierung) hasst: das Süsse in Hülle und Fülle hatte was überschwängliches, schlaraffenlandartiges, das half, die anstehenden Novemberwochen durchzuhalten. Draussen war es zwar kalt, aber innen war es süss.

Donnerstag, 22. Oktober 2015

Klartext

Als Lilli ihrer Familie von dem Baby erzählt, das Danae heisst, fällt dem kleinen Strolch ein: "Unsere Lehrerin sagt, dass Rotkäppchen in der Originalfassung des Märchens der Gebrüder Grimm vergewaltigt wird."

Hm. Natürlich hätte die Lehrerin genauer über die Symbolik des Märchens sprechen sollen, als zu behaupten, es stünde so schwarz auf weiss im Buch. Trotzdem. Lilli glaubt nicht, dass ihre Deutschlehrerin der 9. Klasse das so roh formuliert hätte. Sie weiss noch, wie sie in der 12. Klasse aus allen Wolken fiel, als sie "A Streetcar named Desire" im Englischgrundkurs las.

Donnerstag, 15. Oktober 2015

Ist gut

Die Strolche haben ihre ersten Bewertungen bekommen. Die Schule schickt immer nach 6 Wochen ein Zeugnis raus, in dem für jedes Fach Verhaltens- und Mitarbeitskommentaire - keine Noten, dafür ist es noch zu früh - gegeben werden. Für den kleinen Strolch liest Lilli so Sätze wie "Kommt gut im Unterricht mit", "Arbeitet aktiv am Unterricht mit" und, am häufigsten, "Gute Mitarbeit, gutes Verhalten". Alles in Ordnung, denkt Lilli. Dann macht sie die Datei für den grossen Strolch auf: "Ausgezeichnete Mitarbeit, ausgezeichnetes Verhalten" steht da, und Lilli fragt sich: ist ausgezeichnet nun besser als gut? Muss sie sich sorgen, dass der kleine Strolch NUR gut hat? Vielleicht ist das sogar Lehrerjargon für "könnte besser sein"? Oder schreibt da jeder Lehrer, was er will, was dann heissen könnte, dass gut und ausgezeichnet gleich gut sind?

Da will die Schule helfen und stiftet doch nur Verwirrung.

Nachtrag: die Schule hat bestätigt, dass alle Lehrer die gleiche Auswahl an Sätzen verwenden und ausgezeichnet deshalb besser als gut ist. Jetzt ist die Frage: ist gut gut genug?

Über Lilli

Laufen ist denken, manchmal auch überlegen, immer aber sich erneuern. Eine neue Sicht auf die Dinge erlangen, die uns bewegen. Laufen ist manchmal auch davonlaufen, für eine Weile wenigstens, bevor man wieder heimkommt zu Mann und Kindern, Wäsche und Kochtopf, zu den eigenen Macken und all den bunten Schnipseln, die ein Leben so ausmachen. Laufen ist das beste Beobachten, das es gibt.

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