Selbständig arbeiten

Mittwoch, 11. Februar 2009

Sekretärinnenschicksal

Lilli durfte vier Wochen lang Sekretärin sein und hat dabei allerhand gelernt. Zum Beispiel, dass ein effizientes Büro so organisiert ist, dass jeder sich auf seine Arbeit konzentriert und nichts erledigt, was ein weniger qualifizierter Mitarbeiter übernehmen könnte. Der Informatiker informatikt, der Manager managt und die Sekretärin tippt. Hat sie Dokumente, die kopiert, gefaxt oder gescannt werden müssen oder gar Post zu verschicken, legt sie diese in verschiedenfarbigen Umschlägen für die Hilfskräfte bereit, die ununterbrochen durch die Gänge tigern und einsammeln, was für die Sekretärin erledigt werden muss – damit diese nur ja nicht mit Tippen aufhört oder in die Versuchung kommt, beim Gang zum Kopierer mit einer anderen Sekretärin zu tratschen. So verbringt die Sekretärin ihren Tag sitzend vor dem Bildschirm, was nicht nur Rückenprobleme, sondern auch einen gewissen Frust bereitet, denn: schick angezogen muss sie sein, um das Image des Büros zu unterstützen, aber sehen tut es niemand. Das bedeutet, dass sie keine Jeans tragen darf und im Winter entweder auf Wollhosen (die in die Reinigung müssen) oder schöne Strumpfhosen (die ständig kaputtgehen) zurückgreifen muss, die ein irgendwie unnötiges Loch in ihre Gehaltsabrechnung reißen. Nur manchmal, an ganz besonderen Freitagen, darf sie in Jeans kommen – gegen eine großzügige Spende für einen guten Zweck natürlich. Herrje, was hat das Von-zu-Hause-Arbeiten doch für Vorteile...

Donnerstag, 5. Februar 2009

Das Kaffee-Uschi-Dilemma

(Vorab vielen Dank an Frau Nessy, bei der der Begriff „Kaffee-Uschi“ abgeguckt wurde…)

Eine studierte Frau kann, so sie Kinder hat, mit denen sie gerne regelmäßig Zeit verbringt, versucht sein, einen Job anzunehmen, der unter ihrer Würde Qualifikation liegt. So ein Job sieht im Idealfall so aus:

- man kann pünktlich gehen, ohne dem Chef einen Nervenzusammenbruch zu bescheren oder von Kollegen schief angesehen zu werden;
- man muss keine Überstunden machen und wird trotzdem nicht als ehrgeizlos angesehen;
- man kann kurzerhand von Kollegen vertreten werden, falls Unvorhergesehenes passiert (was mit Kindern durchaus der Fall sein kann, in der Regel mindestens einmal im Monat);
- man kann sich in seiner freien Zeit auf Sachen konzentrieren, die nichts mit der Arbeit zu tun haben, da diese nach Arbeitsschluss keinerlei weiteres Kopfzerbrechen erfordert.

In Anlehnung an den von Kevin Spacey gespielten Ehemann im Film „American Beauty“ kann man also einen Job mit „so wenig Verantwortung wie möglich“ suchen, um so den Balanceakt zwischen Arbeit und Familie hinzukriegen. Als Kaffee-Uschi nämlich, oder als Möbelverkäuferin oder Auffüllerin von Supermarktregalen etwa. Lilli spürt zur Zeit am eigenen Leib in ihrer vorübergehenden Eigenschaft als stellvertretende Aushilfssekretärin, wie das so ist, wenn man pünktlich die Tür zuknallen und zu den Strolchen nach Hause eilen kann, ohne von Projekten oder Kunden elektronisch oder mental bis nach Hause verfolgt zu werden. Das ist wirklich ganz nett und fast – ABER NUR FAST – das Erfolgsrezept für die so schwierige Doppelexistenz als berufstätige Mutter. DENN DER HAKEN IST DER: genau die Gründe, die den Job so anziehend und pflegeleicht machen, machen ihn auch ZIEMLICH LANGWEILIG. So langweilig, dass es auf die Dauer nicht auszuhalten wäre, seine kostbare Zeit damit zu verbringen, und die Mutter dann in Gegenwart ihrer Strolche doch wieder anfängt, an die Arbeit zu denken – besser gesagt daran, die Arbeit zu wechseln und eine Stelle zu finden, die sie intellektuell ausfüllen würde, von der sie dann wiederum automatisch nicht so ohne weiteres pünktlich weg könnte… Ja, ja, da kann Lilli nur froh sein, wenn sie nach Beendigung ihrer Aushilfe wieder ihren prekären Status der freischaffenden Übersetzerin erlangt... da hat sie so ziemlich alles, was sie sich wünscht. Nur keine finanzielle Sicherheit natürlich. Aber das ist vielleicht in der heutigen Zeit sowieso überholt.

Montag, 17. November 2008

Scharf

Lilli übersetzt einen Text, in dem es um Schnittverletzungen im Betrieb geht und um allerlei Schneidewerkzeuge, die diese verursachen – Messer, Skalpelle, Cutter und Scheren. Sie muss einiges an Nachforschungen anstellen, um die genauen Bezeichnungen zu finden, denn da gibt es nicht nur Messer mit manuell einziehbarer Klinge und solche, bei denen die Klinge automatisch zurückschnappt, sobald sich kein Druck mehr auf ihr befindet, sondern sogar intelligente Messer, die die Klinge automatisch zurückziehen, wenn man z. B. vom Karton abrutscht und sich der Oberschenkel gleich daneben befindet. Lilli lernt, dass es nicht nur stichfeste Handschuhe zum Durchsuchen von Drogendealerwohnungen gibt, sondern auch Stechschutzschürzen (für Fleischer), damit nicht aus Versehen ein Schnitt in Bauch oder Herz landet. Und dass sie dieses ganze Thema aus ihr unerklärlichen, weil wahrscheinlich tief vergrabenen und dunkel verdrängten Gründen fasziniert… Da sage noch jemand, Übersetzen sei langweilig!

Freitag, 24. Oktober 2008

Hurra, ein Todesfall

Lilli hört endlich mal wieder von ihrem Lieblingskunden, der ihr einen Text zum Übersetzen schickt. Hurra, es war schon lange her, dass Lilli für diese Firma übersetzen durfte. Sie krempelt die Ärmel hoch, holt sich eine Tasse Tee und öffnet genüsslich die angehängte Datei – die sich als eine Mitteilung über einen Todesfall entpuppt. Seltsam, nicht wahr, wie ein tödlicher Unfall Lilli gute Laune verschafft… Noch jetzt hat sie ein schlechtes Gewissen, wenn sie daran denkt.

Dienstag, 14. Oktober 2008

1x1 für Freelancer - Kleiner Tipp am Rande

Wer den Kaffee mit dem Kugelschreiber umrührt und diesen auch noch ableckt, hat vielleicht zu lange von zu Hause aus gearbeitet. Ein kleiner Abstecher in ein Büro mit richtigen Menschen tut dann Not. Bei dieser Gelegenheit testen Sie bitte gleich, ob Sie noch in der Lage sind, in unter 20 Minuten ein komplettes Outfit zusammenzustellen, das nicht nur an die gerade herrschende Jahreszeit angepasst ist, sondern auch aus dem Jahrzehnt stammt, in dem der Rest der Welt sich gerade befindet…

Freitag, 26. September 2008

1x1 für Freelancer - Der Umweg über eine Agentur

Lilli hat eine Übersetzungsagentur ausfindig gemacht, die deutsche Muttersprachler in Kanada sucht – was ja höchst selten vorkommt. Frohgemut bietet sie ihre Dienste an und ist sich wohl gewahr, dass Agenturen, die als Mittelmänner fungieren, niedrigere Tarife zahlen werden als ein Direktkunde. Dass sie aber nur wenig mehr als ein Drittel ihres normalen Honorars angeboten bekommt, ist dann doch ein Schock.

Da fühlt man einerseits die Freude über potentielle neue Aufträge, die ohne weiteres Bemühen ins Haus flattern, auch den Stolz, von einer Agentur ausgewählt zu werden, was als Bestätigung der Qualität der eigenen Arbeit angesehen wird – und andererseits Frust und Erniedrigung darüber, nur so wenig geboten zu bekommen. Grenzt das nicht schon an Ausbeutung? Soll man das nun akzeptieren, weil man immer mal wieder ein paar Stunden zur Verfügung hat, in denen schlecht bezahlte Arbeit besser als gar keine Arbeit ist, oder ablehnen, weil man dadurch dazu beiträgt, solche Hungerhonorare am Leben zu erhalten? Schwierige Frage. Im Moment hoffe ich, sie durch den abgelegten Test so beeindruckt zu haben, dass noch ein bisschen verhandelt werden kann… sonst wäre es nämlich einträglicher, sich morgens mit selbstgebackenen Muffins an die Ampel zu stellen! Von der Zufriedenheit, etwas mit den eigenen Händen geschaffen zu haben, mal ganz abgesehen...

Montag, 22. September 2008

1x1 für Freelancer - Die akustische Plage

Meine Damen und Herren: die Heckenschneider sind wieder los. Ich weiß ja nicht, wie oft im Jahr hier die Thuja-Hecken (alias des biederen Hausbesitzers hässlichstes Statussymbol) geschnitten werden müssen, aber es kommt mir zu oft vor. Da fallen dann die professionellen Heckenfriseure schon morgens um 8 Uhr ein und lassen ihre Stihlsägen (jawohl, auch hier gibt es das schwäbische Präzisionsinstrument) dröhnen, bis es um 12 Uhr Zeit wird, zu McDonald’s zu fahren. Nach der Mittagspause geht es munter weiter mit dem Gedröhne, als ob riesige Hummeln um eine Schale Erdbeermarmelade kämpfen würden. Der Freelancer aber, der von zuhause arbeitet und normalerweise an klosterähnliche Stille gewöhnt ist, läuft deswegen selbst zur Hornisse auf, klatscht die Fenster zu und ringt die Hände. Es bleibt schließlich nur eine Lösung: Zuflucht suchen bei Starbucks, wo man statt Motorsägengebrumm mit Berieselung durch Jack Johnson und Schulmädchengekicher Vorlieb nehmen muss. Anders geht es nun mal nicht an solchen Tagen.

Eines würde ich aber doch mal gerne wissen: was ist so toll an Thuja-Hecken, die bis zu 8 Meter hoch in den Himmel wachsen und die Gärten meiner Nachbarn grün ummauern? Baden die alle nackt in ihren Swimming-Pools? Nein, das stelle ich mir jetzt lieber nicht vor.

Donnerstag, 17. Juli 2008

1x1 für Freelancer - die Wichtigkeit des Drüberschlafens

Auch vom Laufen soll hier ab und zu die Rede sein, nicht wahr, so hatten wir uns das vorgenommen. Seit Sommeranfang läuft Lilli also eine Stunde später als sonst, und alles ist anders: die Luft ist wärmer, dafür aber auch ein paar Grad schmutziger, die Sonne steht höher am Himmel, mehr Leute sind unterwegs, und zwar trotz Rezession und steigender Benzinpreise mit erstaunlich vielen Kaffeebechern in den Händen. Eines aber bleibt unverändert: Beim Laufen kommen Lilli die besten Gedanken, und zwar völlig ungefragt.

Gestern kam ich bei einer Übersetzung einfach nicht auf das richtige Wort. Es ging darum, dass Aushilfskräfte in Herstellungsbetrieben oft gefährdeter sind als erfahrenere Arbeiter, da sie Risiken nicht so schnell erkennen. Ihre Sichtweise der Risiken, ihre Wahrnehmung der Risiken, ihre… ich kam einfach nicht drauf. Heute morgen lief ich am Baumarkt vorbei, vor dem ein riesiger Laster stand, der so aussah, als würde er gleich den Hang hinunter- und auf mich draufrollen. Instinktiv ging ich deshalb im Bogen um den Laster herum und beglückwünschte mich für mein …Risikobewusstsein! Das Wort blinkte in meinem Gehirn auf, als wäre es aus Neonschlangen zusammengesetzt, die für ein billiges Motel werben. Deshalb hatte ich die Übersetzung gestern ja noch nicht abgeschickt – es fehlte der letzte Schliff, die letzte Eingebung, die oft erst kommt, wenn man einmal drüber geschlafen hat. Deshalb, liebe Freelancer: Euer Kopfkissen ist Euer bester Freund.

Donnerstag, 26. Juni 2008

1x1 für Freelancer - Das Mittagessen-Dilemma

Menschen, die allein zuhause arbeiten, essen auch oft allein zuhause zu Mittag. Was einen ganz großen Vorteil hat: man kann sich alles Mögliche, was vom Vorabend noch übrig ist und mengenmäßig für ein erneutes Essen mit der ganzen Familie nicht reicht, aufwärmen. Man kann sogar noch eine extra Portion Käse darüberstreuen und, so man möchte, das Ganze direkt aus der Tupperschüssel löffeln. Man kann dabei Zeitung lesen, ohne jemanden durch diese Geste der Nichtachtung zu beleidigen, und muss noch nicht mal darauf achten, nicht zu schmatzen oder auf die Zeitung zu tropfen. Der Nachteil ist, dass man alles Mögliche, was vom Vorabend noch übrig und zum Wegwerfen zu schade ist, aufwärmen und essen muss, da sich sonst die Schwäbin in uns über die Verschwendung ärgert. Besonders übel ist aufgewärmter Blumenkohl, bei dem auch die Extraportion Käse nicht darüber hinwegtäuschen kann, wie deprimierend das alles doch ist. Da hilft nur eins: ab und zu muss auch ein Freelancer zum Mittagessen in ein Restaurant gehen, vorzugsweise mit netten Freunden oder anderen Freelancern, die ihn aus den eigenen vier Wänden erlösen. Man kann ja hinterher zuhause immer noch Zeitung lesen und ein Stück Apfelkuchen essen. Sogar mit Sahne, wenn es auch erst Donnerstag ist. Sieht ja keiner. Schließlich ist man Freelancer!

Donnerstag, 12. Juni 2008

Nix gedacht dabei

Heute war Lilli zwar Laufen, kam dabei aber nicht zum Denken, denn eine bevorstehende Kundenbesprechung hielt sie davon ab, auch nur einen einzigen Gedanken zu fassen:

Kunden sind für den Freelancer mehr als ein notwendiges Übel – sie ernähren ihn, kleiden ihn ein, heizen seine Wohnung. Wenn ein Freelancer keine Kunden hat, ist er kein Freelancer. Und will er keine treffen, wird er sich nicht lange so nennen können. Sie aufsuchen zu müssen, ist trotzdem… übel eben. Zumindest für die Leute, das das selbständige Arbeiten deshalb gewählt haben, weil sie besonders gut alleine arbeiten können, im eigenen Rhythmus, mit den eigenen Methoden, in den eigenen vier Wänden – und zur eigenen Zeit, sei es mitten in der Nacht oder abends, wenn die Strolche im Bett sind. Oder für Leute, die auf Smalltalk mit und über Kollegen verzichten können, sich nicht dafür begeistern, jeden Tag schicke Klamotten zu tragen und das Rumsitzen in Autos oder öffentlichen Verkehrsmitteln als Verschwendung kostbarer Zeit ansehen, die man doch viel besser nutzen könnte, um ins Schwimmbad zu gehen oder Erdbeermarmelade zu kochen.

Deshalb gab es also heute ein völlig unproduktives Laufen – ein Laufen, bei dem außer Laufen nichts herauskam, wenn man mal von diesem Blogeintrag absieht.

Über Lilli

Laufen ist denken, manchmal auch überlegen, immer aber sich erneuern. Eine neue Sicht auf die Dinge erlangen, die uns bewegen. Laufen ist manchmal auch davonlaufen, für eine Weile wenigstens, bevor man wieder heimkommt zu Mann und Kindern, Wäsche und Kochtopf, zu den eigenen Macken und all den bunten Schnipseln, die ein Leben so ausmachen. Laufen ist das beste Beobachten, das es gibt.

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Zuletzt aktualisiert: 23. Mai, 03:27

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